Neutronensterne als Kanonenkugeln
Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching und der Universität Chicago ist es gelungen, die hohen Raumgeschwindigkeiten beobachteter Neutronensterne zu erklären. Ihre Computermodelle bestätigen den wahrscheinlichen Zusammenhang mit Asymmetrien bei Sternexplosionen.
Sterne mit mehr als der zehnfachen Masse der Sonne beenden ihr Leben in einer spektakulären Supernova-Explosion. Während der größte Teil des Sterngases dabei mit gewaltiger Wucht ausgeschleudert wird, stürzt der Kern im Zentrum des Sterns unter seiner eigenen Schwerkraft in sich zusammen und bildet einen Neutronenstern. Dieser hat etwa eineinhalb mal die Masse der Sonne, sein Durchmesser beträgt aber lediglich 20 Kilometer. In seinem Innern übersteigt die Dichte daher die von Atomkernen.
Einige der bekannten Neutronensterne befinden sich innerhalb des gasförmigen Überrests, der von der vergangenen Sternexplosion zeugt. Das berühmteste Beispiel ist der „Pulsar“ im Krebsnebel (Abb.1). Da er sich rund 33 mal pro Sekunde um seine eigene Achse dreht, empfangen wir auf der Erde regelmäßige, pulsartige Signale. Solche rotierenden Neutronensterne heißen deshalb Pulsare. Andere Neutronensterne fliegen jedoch mit sehr hoher Geschwindigkeit vom Ort ihrer Entstehung weg (Abb.2). Sie bewegen sich dabei typischerweise mit mehreren hundert Kilometern pro Sekunde, einige Pulsare sausen gar mit über 1000 Kilometern pro Sekunde durch den interstellaren Raum (Abb.3). Dies ist deutlich schneller als die normale Bewegung der Sterne in der Milchstraße, so dass viele Neutronensterne der Gravitationsanziehung unserer Galaxie entkommen.
Über die Ursache der Pulsargeschwindigkeiten wurde lange Zeit gerätselt. Dabei mangelt es nicht an Erklärungsversuchen, teilweise unter Zuhilfenahme spekulativer oder sehr exotischer physikalischer Phänomene. Der vermutete Zusammenhang mit beobachteten Asymmetrien der Sternexplosionen konnte bislang jedoch nicht schlüssig begründet werden.
Ein Forscherteam vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching und vom ASCI Flash Center in Chicago hat nun eine einfache und geradezu natürliche Möglichkeit für einen solchen Zusammenhang aufgezeigt. In Computersimulationen fand das Team, dass bei der Explosion zufällige, kleine Schwankungen im Stern durch Strömungsinstabilitäten rasch anwachsen und sich zu extrem großen Abweichungen von der Kugelgestalt aufschaukeln können (Abb.4, Filme). Die Explosionswelle breitet sich infolgedessen in verschiedene Richtungen unterschiedlich schnell aus. Der zurück bleibende Neutronenstern erhält dadurch einen starken Rückstoß und wird so in Sekunden auf riesige Geschwindigkeiten von vielen hundert Kilometern pro Sekunde beschleunigt (Abb.5).
Die Computermodelle erlauben es erstmals, die gemessenen Pulsargeschwindigkeiten zu verstehen, ohne dass dazu zusätzliche Annahmen notwendig sind. Interessanterweise scheinen die Ergebnisse eine Theorie zu stützen, die seit langem zur Erklärung der Sternexplosion dient (siehe „Wie explodieren massereiche Sterne?“), die jedoch bisher in detaillierten Rechnungen nicht überzeugend bestätigt werden konnte (siehe „Supernova-Problem noch immer ungelöst“ ): Die Explosion wird von Neutrinos ausgelöst. Diese ungeladenen, schwach wechselwirkenden Elementarteilchen werden vom heißen Neutronenstern in riesigen Mengen abgestrahlt. Sie heizen das Gas im Innern des Sterns und erzeugen so den Druck, der die Explosion treibt. Dabei bringen sie das Sterngas in heftigste Wallung (wie in den Filmen sichtbar), bis es schließlich ungleichförmig auseinander rast. Der Mechanismus der Explosion, die beobachteten Asymmetrien von Supernovae und die Pulsarbewegungen haben damit eine gemeinsame Ursache.
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