Elektronen zu Licht gemacht
Der Freie-Elektronenlaser am Elektronenbeschleuniger ELBE geht im Forschungszentrum Rossendorf in Betrieb
Dem ehrgeizigen Projekt des Freie-Elektronenlasers am Dresdner Forschungszentrum Rossendorf (FZR) war dieser Tage der Erfolg beschieden – der Laser nahm seinen Betrieb auf und erzeugte erstmals den geplanten Laserstrahl auf der Basis von Elektronen. Hierzu muss zunächst der supraleitende Elektronenbeschleuniger ELBE ultrakurze Elektronenpakete in feinstabgestimmter Energie und Wiederholrate liefern. Diese Elektronenpakete fliegen in Vakuumrohren durch eine spezielle Magnetanordnung, Undulator genannt, werden von den abwechselnd angeordneten Magneten in eine tänzelnde Hin- und Her-Bewegung gezwungen und erzeugen so das bei den Forschern besonders begehrte Infrarotlicht. Damit werden im FZR beispielsweise Forschungsarbeiten an Halbleiterstrukturen auf der Nanometerskala möglich, die durch ein vor kurzem bewilligtes EU-Projekt im Rahmen des 6. EU-Forschungsrahmenprogramms gefördert werden.
Der Freie-Elektronenlaser ist das Sahnestück der Strahlungsquelle ELBE im Forschungszentrum Rossendorf, soll er doch den europaweit intensivsten durchstimmbaren Infrarotstrahl erzeugen. Dabei bedeutet „durchstimmbar“, dass die Wellenlänge des Infrarotlichtes durch Veränderung der Elektronenenergie und der Magnetabstände im Undulator über einen weiten Bereich abstimmbar ist und je nach Untersuchungsgegenstand frei eingestellt werden kann.
Der Stolz der Ingenieure
Bei dem Prozess werden hochenergetische Elektronen in Form von Elektronenpaketen vom supraleitenden Elektronenbeschleuniger erzeugt und in den Undulator geführt. Innerhalb des Undulators zwingt das wechselseitig gepolte Magnetfeld die Elektronen zu einer „Schlängelbewegung“. Durch die ständige Richtungsänderung der Flugbahn geben die Elektronen Energie in Form von elektromagnetischer Strahlung ab. Der Prozess ist allerdings hochkomplex, da der sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegende Laserstrahl und die Elektronenpulse in der Länge von einem Drittel Millimeter und im Abstand von 77 Nanosekunden zusammengeführt werden müssen. Eine Pikosekunde entspricht dem unvorstellbar kleinen Zeitraum von 1 Millionstel einer Millionstel Sekunde, eine Nanosekunde ist lediglich um den Faktor Tausend länger. Nur das gemeinsame, tausendfache und genau zeitgleiche Durchlaufen des Undulators von immer neuen Elektronenpulsen und dem durch Spiegel reflektierten Laserlicht führt zum Erfolg. Dieser Vorgang lieferte im Forschungszentrum Rossendorf bisher Lichtpulse (Photonen) mit einer Wellenlänge von 20 Mikrometer.
Wärmestrahlung versetzt Atome in Bewegung
Diese Wellenlänge liegt im Bereich des unsichtbaren infraroten Lichts und ist in Form von Wärmestrahlung allgegenwärtig. Solch eine Strahlung kann Atome in Bewegung versetzen. Beim Freie-Elektronenlaser ist das Licht jedoch in ultrakurzen Zeitpulsen von wenigen Pikosekunden gebündelt. Licht der Wellenlänge von 20 Mikrometer schwingt mit einer Frequenz von 15 Terahertz, das ist 15 Billionen Mal in der Sekunde. Als Vergleich: 1 Terahertz entspricht 1000 Gigahertz und 1 Gigahertz wiederum kennt man aus dem täglichen Leben, da das die typische Handy-Frequenz ist.
Ultrakurze Lichtpulse in diesem Wellenlängenbereich haben große Bedeutung für die Halbleiterforschung und Biophysik. In modernen Halbleiter-Nanostrukturen kann mit diesem Licht die Bewegung von Elektronen verfolgt und analysiert werden. Da die schnellsten elektronischen Bauelemente heutzutage auch schon in den Terahertzbereich vorstoßen, wird es zunehmend wichtig, Laser in diesem Frequenzbereich zur Verfügung zu haben. So wird im Forschungszentrum Rossendorf etwa daran geforscht, kompakte Lichtquellen auf Halbleiterbasis in diesem Frequenzbereich zu entwickeln. Auch dabei wird der Freie-Elektronenlaser helfen, weil er es ermöglicht, die ablaufenden physikalischen Prozesse in derartigen Bauelementen genauestens zu untersuchen und zu verstehen.
Bio-Moleküle reagieren auf Blitze
Die besonders kurzen und scharf gebündelten „Blitze“ des Freie-Elektronenlasers erlauben, an Atomen in unterschiedlichsten Molekülen kurzzeitig zu „rütteln“, ohne diese gleich zu zerstören. Durch diesen Vorteil eignet sich die Infrarotstrahlung auch in besonderem Maße für Untersuchungen von Bio-Molekülen. Wie die ausgelösten Bewegungen nach solch einer Anregung wieder abklingen, hängt von den strukturellen Eigenschaften der Atomverbände ab. Dabei dient die Infrarot-Absorption einerseits als Werkzeug zur Auslösung und andererseits als Sonde zur störungsfreien Beobachtung dieser Bewegungsprozesse.
Biologisch relevante Moleküle besitzen besonders komplexe und sehr flexible Strukturen. Die Untersuchung von Strukturänderungen der Moleküle mit Hilfe des Freie-Elektronenlasers lässt einzigartige, mit anderen Methoden nicht mögliche Aussagen über Lebensprozesse zu. Der anwendungsorientierten Grundlagenforschung auf dem Gebiet der molekularen Medizin wird so ein sehr leistungsfähiges Instrument geboten, das auch zu neuen Erkenntnissen über Krankheiten und ihre Heilung beitragen soll.
Nutzung des Freie-Elektronenlasers
Schon vor dem ersten „Lasing“, also der erfolgreichen Inbetriebnahme des Freie-Elektronenlasers, lag dem Forschungszentrum Rossendorf die Förderzusage der EU für die Anlage vor. Ab Herbst 2004 wird der Freie-Elektronenlaser zum Nutzerlabor für Wissenschaftler aus ganz Europa. Deren Forschungen mit der Strahlung im Infrarot auf den Gebieten Biophysik, Chemie und Halbleiterphysik werden dann von der EU finanziert. In diesem Förderprogramm sind alle führenden Synchrotronanlagen und Freie-Elektronenlaser in Europa bedacht. Der Rossendorfer Laser wird hieraus zunächst für 5 Jahre gefördert.
Ein Labor für hohe Magnetfelder wird in unmittelbarer Nähe zur Strahlungsquelle ELBE aufgebaut. Dadurch ergibt sich die spektakuläre Möglichkeit, den Infrarotstrahl vom Freie-Elektronenlaser in das Hochfeldlabor Dresden zu führen und mit den hohen Magnetfeldern zu kombinieren. Dies ist eine weltweit einzigartige Kombination und wird erstmals eine Vielzahl interessanter Untersuchungen zum Magnetismus, der Supraleitung, der Halbleiterphysik und im Bereich der Nanostrukturen ermöglichen.
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Weitere Informationen:
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