Filmaufnahme der Atombewegungen in der flüssigen Phase mit Röntgenstrahlung
Zwei Forscherteams des ESRF (European Synchrotron Radiation Facility) und der CNRSUniversität Pierre et Marie Curie konnten zum ersten Mal die Bildung von zweiatomigen Molekülen in einem Lösungsmittel in Echtzeit beobachten. Die Reaktion wird von einem Laserimpuls ausgelöst, und wird dann mit kurzen Röntgenstrahlimpulsen beobachtet. Die lokalen und globalen Veränderungen der Struktur des Lösungsmittels wurden ebenfalls beobachtet. Es ist das erste Mal, dass solche atomaren Bewegungen in Echtzeit visualisiert werden konnten.
Die hier untersuchte chemische Reaktion ist die Rekombination (Wiedervereinigung) eines Jodmoleküls (I2) im Lösungsmittel Tetrachlormethan (CCl4). Diese Modellreaktion wurde in der Vergangenheit viel studiert, jedoch war es bislang nicht möglich die Atombewegungen in Echtzeit zu visualisieren. Um dies zu erreichen, haben die Wissenschaftler die Reaktion mit einem ultraschnellen Laserimpuls ausgelöst. Aufgrund der daraus resultierenden Explosion finden ungeordnete atomare Bewegungen statt. Mit Hilfe von Röntgenimpulsen, die ungefähr 100 Pikosekunden lang sind (eine Pikosekunde entspricht einem Millionstel eines Millionstels einer Sekunde), beobachteten die Wissenschaftler anschließend die Bildung neuer Moleküle. In Abhängigkeit davon, ob die getrennten Atome vom selben Molekül oder von verschiedenen Molekülen stammen, gibt es 2 Rekombinationsmöglichkeiten. Die Struktur des Lösungsmittels verändert sich auch während des Verfahrens. Aus diesem Grund spielt das Lösungsmittel eine aktive Rolle im reaktiven Prozess. Zum ersten Mal konnten alle diese Bewegungen visualisiert werden.
Quantitative Daten konnten somit gesammelt werden: in 70% der Fälle nimmt das Molekül die gleiche Form an wie vor dem Laserimpuls. In 20% der Fälle nimmt das Molekül ebenfalls die gleiche Form an, aber in einem anderen elektronischen Zustand, mit einer 15% höheren Verbindungslänge: dieser neue Zustand ist instabil und das Molekül nimmt seine ursprüngliche normale Struktur nach 2,7 Nanosekunden wieder ein (eine Nanosekunde entspricht einem Milliardstel einer Sekunde). In 20% der Fälle trennen sich die Atome endgültig.
Einen solchen Film über die strukturellen Veränderungen von Molekülen während einer chemischen Reaktion zu drehen, war für Chemiker jahrelang ein Traum. Dieser Traum konnte erst vor kurzem realisiert werden, als Prof. Ahmed Zewail (Nobelpreisträger 1999) zu diesem Zweck die zeitauflösende optische Spektroskopie vorschlug. Mit dieser Technik kann jedoch nur die genaue Zeit bestimmt werden, wann eine chemische Verbindung entsteht oder aufgelöst wird: direkte Informationen über die Struktur der Reaktionsprodukte gibt sie nicht.
Die Forscher von Grenoble und Paris haben deshalb eine Röntgenprobe benutzt, die der Atomlage gegenüber empfindlich ist, und diese Technik benötigt sowohl große Instrumente wie Synchrotronen, als auch fortgeschrittene numerische Modelle und große Computer, um die Struktur der gestreuten Röntgenstrahlen zu rekonstruieren. Sie erwies sich als äußerst effektiv.
Kontakt:
Michael Wulff
European Synchrotron Radiation Facility, ESRF
6 Rue Jules Horowitz,BP 220, 38043 Grenoble Cedex 9, France
Email: wulff@esrf.fr
Savo Bratos
Laboratoire de Physique Théorique des Liquides, LPTL
Tour 16, Boîte 121, 4, Place Jussieu, 75252 Paris Cedex 05, France
Email: bratos@lptl.jussieu.fr
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