Neue Perspektive für das Calar-Alto-Observatorium

Das Calar-Alto-Observatorium. Blick von Norden auf die Teleskopkuppeln. Von links nach rechts: das 2.2-Meter-Teleskop, das spanische 1.5-Meter-Teleskop (im Vordergrund), das 1.2-Meter-Teleskop, der Schmidt-Spiegel und die 43 Meter hohe Kuppel des 3.5-Meter-Teleskops. <br>Bild: Max-Planck-Institut für Astronomie

Außenstelle des Heidelberger Max-Planck-Instituts für Astronomie wird zu einem gemeinsamen deutsch-spanischen Forschungszentrum

Die größte Sternwarte auf dem europäischen Festland, das Centro Astronómico Hispano-Alemán in Andalusien (CAHA), wird ab 1. Januar 2005 gemeinsam durch den spanischen „Consejo Superior de Investigaciones Científicas“, vertreten durch das Instituto de Astrofísica de Andalucía, sowie durch die Max-Planck-Gesellschaft, vertreten durch das Max-Planck-Institut für Astronomie, als gleichberechtigte Partner betrieben. Eine im November 2004 unterzeichnete Vereinbarung sieht für die nächsten zehn Jahre den Betrieb des CAHA als Organisation des spanischen Rechts vor und stellt die Finanzierung für Entwicklung und Bau neuer Messinstrumente sicher, sodass die Leistungsfähigkeit des Observatoriums und die über viele Jahre aufgebaute Kompetenz der Wissenschaftler auf instrumentellem Gebiet nachhaltig gesichert wird. Für die spanische Astronomie bedeuten Betrieb und Nutzung des CAHA auf 50-Prozent-Basis gemeinsam mit den deutschen Kollegen einen bedeutsamen Fortschritt, der dem während der vergangenen 20 Jahre gemeinsam erreichten hohen wissenschaftlichen Niveau zu verdanken ist.

Am 28. September 1979 wurde das Deutsch-Spanische Astronomische Zentrum bzw. das Centro Astronómico Hispano-Alemán in Andalusien (kurz CAHA oder Calar-Alto-Observatorium) durch König Juan Carlos I. von Spanien offiziell eröffnet. Auf dem 2.168 Meter hohen Berg Calar Alto in der Sierra de los Filabres stand damit Deutschlands Astronomen und ihren spanischen Kollegen erstmals ein Observatorium zur Verfügung, mit dem sie nach den beiden Weltkriegen wieder an die Weltspitze der Himmelsforschung aufschließen konnten. Vier Teleskope unterschiedlicher Größe sowie Kameras und Spektrographen auf dem neuesten Stand der technologischen Entwicklung arbeiten dort seither an der vordersten Front der Forschung (vgl. Abb. 1). Mit ihnen gelangen eine Reihe hervorragender Entdeckungen (ausführliche Textfassung zu Geschichte des Observatoriums, siehe unter [1].

Mit dem CAHA hatten deutsche Astronomen erstmals wieder die Möglichkeit, an einem eigenen Observatorium Forschung von Weltrang zu betreiben – einige der erzielten wissenschaftlichen Highlights werden im folgenden aufgeführt. Andererseits erhielt die beginnende spanische astronomische Forschung durch den Aufbau des CAHA einen enormen Impuls, der, zusammen mit anderen astronomischen Einrichtungen auf spanischem Boden, Spanien im Laufe dieser Jahre eine herausragende Stellung innerhalb der internationalen Astronomie verliehen hat.

Systematische Messungen der Luftunruhe und der Himmelshelligkeit auf dem Calar Alto haben gezeigt, dass dort ähnlich gute Bedingungen vorliegen wie an den berühmten Observatorien in den USA. In der jüngeren Vergangenheit sind in jedem Jahr rund hundert wissenschaftliche Veröffentlichungen erschienen, die auf Beobachtungen mit den dortigen Teleskopen beruhen. Und die Nachfrage nach Beobachtungszeit ist nach wie vor ungebrochen. Am 3.5-Meter-Teleskop beispielsweise wird rund dreimal so viel Beobachtungszeit beantragt wie vergeben werden kann.

Wissenschaftliche Highlights

In den Anfangsjahren des Calar Alto standen Sterne und Nebel in unserem Milchstraßensystem im Zentrum der Forschung. Erst mit der Inbetriebnahme des 2.2-Meter-Teleskops verfügten die Astronomen des MPIA über ein Teleskop, das lichtstark genug war, um auch ferne lichtschwache Galaxien zu untersuchen. Einen ersten Forschungsschwerpunkt bildete die Sternentstehung. Am Calar Alto gelang der Nachweis, dass sich Sterne im Innern dichter, kollabierender Staubwolken bilden. Fliehkräfte ziehen die rotierenden Wolke auseinander und flachen sie zu einer Scheibe ab. Während sich im Zentrum die Materie zu einem Stern verdichtet, bilden sich in der Scheibe Planeten, wie sich in den 1990er Jahren erstmals nachweisen ließ.

Anfang der 1980er Jahre entdeckten Astronomen des Max-Planck-Instituts für Astronomie am Calar Alto, dass von jungen Sternen stark gebündelte Gasstrahlen ausgehen, die mit Geschwindigkeiten von mehreren hundert Kilometern pro Sekunde ins All schießen. Diese so genannten Jets stehen senkrecht auf der zirkumstellaren Staubscheibe und können sich mehrere Lichtjahre weit ausdehnen.

Mit dem 2.2-Meter-Teleskop beobachteten die Astronomen Mitte der 1980er Jahre so genannte wechselwirkende Galaxien, also Sternsysteme, die entweder nahe aneinander vorbeifliegen und dabei über die Schwerkraft wechselwirken, oder gar miteinander zusammenstoßen.

Seit vielen Jahren beobachten Astronomen auch Radiogalaxien und Quasare, aus deren Zentralbereich ein oder zwei (entgegengesetzte) Gasstrahlen herausschießen. Astronomen des Max-Planck-Instituts für Astronomie haben mit Beobachtungen am Calar-Alto-Observatorium wesentlich zur Erforschung dieser extragalaktischen Jets beigetragen. So gelang es 1997 dort erstmals, den Jet im nahen Infrarot detailliert zu fotografieren. Heute sind die Forscher davon überzeugt, dass solche Jets von gewaltigen Schwarzen Löchern ausgehen, die in den Zentren der Galaxien sitzen.

Ein weiteres Highlight waren die spektakulären Aufnahmen vom Einsturz des Kometen Shoemaker-Levy 9 auf den Planeten Jupiter im Jahr 1994. Vom 3.5-Meter-Teleskop des Calar Alto kamen die weltweit ersten Bilder. Die Infrarotaufnahmen dienten dazu, die Energie der Einschläge und daraus die Größe der Bruchstücke zu ermitteln.

Überraschend kam für viele Astronomen im Jahr 2000 die Entdeckung freier planetenähnlicher Körper in einem Sternentstehungsgebiet im Sternbild Orion. Bis dahin kannten die Astronomen nur Planeten, die um einen Zentralstern kreisen, so wie die Erde um die Sonne. In diesem Falle waren die relativ winzigen Körper aber ungebundene Einzelgänger.

Zudem lief auf dem Calar Alto am 2,2- und 3,5-Meter-Teleskop seit Mitte der neunziger Jahre das Beobachtungsprogramm CADIS (Calar Alto Deep Imaging Survey), mit dem Astronomen nach den ersten Galaxien im Universum suchen. Im Rahmen dieses Langzeitprojekts nahmen die Wissenschaftler mehrere Himmelsareale in rund 40 Wellenlängenbereichen auf. An Hand der in all diesen Farbbereichen gemessenen Helligkeiten lassen sich die vielen tausend Himmelskörper klassifizieren und die Entfernungen unterschiedlicher Galaxientypen ermitteln.

Astronomische Alarmsysteme

Das Calar-Alto-Observatorium ist zudem in die „European Supernova Collaboration“ eingebunden. Mit ihr soll die Helligkeitsentwicklung von Supernovae ermittelt werden. Supernovae sind explodierende Sterne, die seit kurzem eine besondere Bedeutung in der Kosmologie haben: Sie sind alle gleich leuchtkräftig und können deshalb als so genannte Standardkerzen dienen. Beobachtet man viele dieser Supernovae in möglichst unterschiedlichen Entfernungen, so lässt sich daraus die vergangene Expansion des Universums ableiten. Solche Beobachtungen von Supernovae vom Typ Ia haben zu der Hypothese geführt, dass eine „Dunkle Energie“ die Dynamik des Kosmos dominiert.

Bemerkt man irgendwo auf der Welt eine unvermittelt aufleuchtende Supernova, so werden sofort alle Observatorien der European Supernova Collaboration von diesem Ereignis informiert, so dass das Objekt unverzüglich und gründlich beobachtet werden kann. Auf diese Weise gelang am Calar-Alto-Observatorium 2002 die bislang genaueste Photometrie einer Supernova Ia überhaupt.

Auf ähnliche Weise funktioniert ein Alarmsystem für so genannte Gamma Ray Bursts (zu Deutsch etwa Gammastrahlen-Ausbrüche). Sie gehören gegenwärtig zu den interessantesten Forschungsobjekten der Astrophysik. Es handelt sich um Gammablitze von einer Zehntel bis zu einigen hundert Sekunden Dauer, die mit einer Rate von etwa einem Ausbruch pro Tag völlig unvermittelt an beliebigen Stellen des Himmels aufflammen. Rund 25 Jahre lang blieb das Phänomen ein Rätsel, weil es nie gelang, einen Gamma-Burst auch mit anderen Teleskopen beispielsweise im optischen Bereich zu identifizieren.

Seit einigen Jahren gibt es jedoch Satelliten, die diese Gamma-Bursts sehr effizient orten können. Sie senden die Himmelskoordinaten eines solchen Ereignisses unverzüglich zum Boden, wo sie per Internet an ein Netz von Observatorien weiter geleitet werden. Innerhalb kürzester Zeit nach dem Ausbruch können so optische oder auch Radioteleskope auf die Bursts ausgerichtet werden.

Heute weiß man, dass sich Gamma-Bursts außerhalb des Milchstraßensystems in fernen Galaxien ereignen. Wahrscheinlich markiert der Gammablitz die Geburtsstunde eines stellaren Schwarzen Loches. Dies geschieht entweder durch Kollaps eines sehr massereichen Sterns oder durch Verschmelzen von zwei kompakten Himmelskörpern, beispielsweise zweier Neutronensterne. Das sind die energiereichsten bekannten Ausbrüche im Universum, manchmal auch Hypernovae genannt.

Beobachtungsinstrumente von Weltspitze

Erst in Verbindung mit einem leistungsstarken Instrument wird ein großes Teleskop zu einer mächtigen Entdeckungsmaschine. Aus diesem Grunde entwickeln und bauen Astronomen und Techniker im Heidelberger Heimatinstitut sowie an anderen Instituten laufend neue Geräte, die auf dem Calar Alto zum Einsatz kommen. Allein für das 2.2- und 3.5-Meter-Teleskop stehen derzeit 13 Instrumente zur Verfügung. Weitere Geräte bringen Gastwissenschaftler zur Durchführung der eigenen Beobachtungen gelegentlich selbst mit.

Am CAHA sind heute Kameras und Spektrographen im Einsatz, die weltweit führend sind. Seit dem vergangenen Jahr beispielsweise arbeitet am 3.5-Meter-Teleskop eine Kamera für das nahe Infrarot, genannt Omega 2000. Ihre Besonderheit ist ihr großes Gesichtsfeld von 15 mal 15 Bogenminuten, was etwa einem Viertel des Vollmonddurchmessers entspricht. Damit ist Omega 2000 auf der Welt einzigartig, weil große Infrarot-Detektoren mit 2040 mal 2048 Bildelementen (4 Megapixel) erst seit kurzem zur Verfügung stehen. .

Mit Infrarot-Weitwinkelkameras werden große Himmelsbereiche nach Galaxien abgesucht, die viele Milliarden Lichtjahre entfernt sind. Seit dem Zeitpunkt, als sie das heute bei uns eintreffende Licht aussandten, hat sich das Universum weiter ausgedehnt. Als Folge davon wurde auch die Wellenlänge des Lichts gedehnt. Licht, das damals seine Reise im UV begann, ist bis ins Infrarote verschoben, wenn es uns heute erreicht. Gleichzeitig sind diese Kameras idealen Suchmaschinen für Braune Zwerge und protoplanetare Scheiben.

Doch auch für den Bereich des sichtbaren Lichts benötigen die Forscher Kameras mit großem Gesichtsfeld. Damit lassen sich beispielsweise ausgedehnte Stern- oder Galaxienhaufen aufnehmen. Hier ist die neue Kamera LAICA international Spitze. Mit ihrem 4096 mal 4096 Pixel (16.8 Megapixel) großen CCD-Detektor lässt sich ein Himmelsfeld aufnehmen, das größer ist als der Vollmond.

Spektrographen, wie Twin und OmegaCass, beide am 3.5-Meter-Teleskop eingesetzt, zerlegen das Licht der Himmelskörper in seine Spektralfarben. Sie ermöglichen es den Astronomen, entscheidende physikalische Größen, wie Entfernung und Geschwindigkeit von Himmelskörpern oder auch deren chemische Zusammensetzung, Dichte oder Temperatur zu messen. Spektrographen erstellen gewissermaßen die physikalischen Steckbriefe der Sterne und Galaxien.

Technologische Pionierarbeit haben Astronomen und Techniker des Max-Planck-Instituts für Astronomie auch bei Entwicklung und Bau einer so genannten adaptiven Optik geleistet. Ein solches Instrument ermöglicht es, während einer astronomischen Aufnahme das „Flackern“ der Sterne, das zu einem verschmierten Bild führt, zu kompensieren, und damit annähernd das theoretisch mögliche Auflösungsvermögen des Teleskops zu erreichen.

Gemeinsam mit Kollegen des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching entstand ein adaptiv optisches System für den nahen Infrarotbereich (ALFA), das zudem mit einem künstlichen „Laser-Stern“ arbeitet. An Hand dieses Referenzsterns ermittelt ein so genannter Wellenfrontsensor die aktuelle Luftunruhe und korrigiert mit dieser Information ständig die Aufnahme. Die mit diesem Instrument gewonnenen Erfahrungen werden demnächst am Very Large Telescope der ESO in Chile und am Large Binocular Telescope (LBT) auf dem Mount Graham in Arizona zum Tragen kommen. Am LBT sind deutsche Institute, unter Federführung des Max-Planck-Instituts für Astronomie zu 25 Prozent beteiligt.

Die Zukunft des Calar-Alto-Observatoriums

Mit dem Bau einer neuen Generation von Teleskopen, die über Spiegel von acht bis zehn Metern Durchmesser verfügen, ist die ältere Teleskop-Generation mit drei bis vier Metern Öffnung keineswegs überflüssig geworden. Zum einen reicht die Zahl der neuesten Observatorien gar nicht aus, um alle wichtigen Beobachtungsprogramme ausführen zu können. Zum anderen gibt es auch sehr viele wichtige Projekte, die keine Großteleskope erfordern, aber mitunter sehr zeitintensiv sind. Hierzu zählen große Himmelsdurchmusterungen, wie die auf dem Calar Alto durchgeführten Programme CADIS, COMBO-17 und ALHAMBRA. So läuft derzeit am Calar Alto ein Programm, mit dem man möglichst viele Quasare auffinden will. Dabei wird zunächst automatisch nach Kandidaten gesucht. Anschließend kann die detaillierte Untersuchung der identifizierten Quasare erfolgen.

Von großer Bedeutung werden zukünftig auch Projekte sein, bei denen Himmelskörper regelmäßig beobachtet werden müssen. Dies ist bei variablen Objekten der Fall. So läuft derzeit ein Projekt, mit dem man nach Helligkeitsschwankungen bei Sternen in der Andromeda-Galaxie sucht. Diese können in einigen Fällen durch unsichtbare Objekte verursacht werden, die zufällig vor den fernen Sternen vorbeiziehen. Auf diese Weise gelingt es, Himmelskörper aufzuspüren, die man zur Dunklen Materie zählt.

Doch nicht zuletzt werden die Teleskope des Calar-Alto-Observatoriums weiterhin dazu dienen, neue wissenschaftliche Methoden und Techniken für die Astronomie zu entwickeln, wie dies bei der adaptiven Optik ALFA der Fall war.

Weitere Informationen erhalten Sie von:

Dr. Jakob Staude
Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg
Tel.: 06221 528-229
E-Mail: staude@mpia.de

Media Contact

Dr. Bernd Wirsing Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpia.de

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