Richtfest für das größte "Fernglas" der Welt
In Mailand haben Astronomen am Mittwoch, 27. Juni, Richtfest für das größte bisher gebaute „Fernglas“ gefeiert. Mit zwei Spiegeln von jeweils 8,4 Meter Durchmesser und einem Gesamtgewicht von 600 Tonnen wird dieses Large Binocular Telescope (LBT) nach seiner Inbetriebnahme in drei Jahren auf dem Mount Graham im US-Bundesstaat Arizona das leistungsfähigste Einzelteleskop der Welt sein. „Das LBT könnte Fragen beantworten, die schon seit dem alten Testament diskutiert werden, zum Beispiel: Wann wurde es Licht im Universum?“, sagt Prof. Hans-Walter Rix, Direktor des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg. Darüber hinaus werden die Forscher mit dem LBT vielleicht zum ersten Mal Planeten bei anderen Sternen direkt nachweisen. An dem 200-Millionen-Mark-Projekt beteiligen sich Institute und Unternehmen aus den USA, Italien und Deutschland.
Das Large Binocular Telescope ist im Prinzip ein gigantischer Feldstecher. Die beiden 8,4-Meter-Spiegel bieten zusammen ein 100 Quadratmeter großes „Auffangbecken“ für das Licht – so viel wie ein Einzelspiegel von 12,6 Meter Durchmesser. Auf diese Weise sammelt das Teleskop auch noch die Strahlung der leuchtschwächsten Objekte am Rand des beobachtbaren Universums. Das Zusammenspiel der beiden im Abstand von 14,4 Meter nebeneinander montierten Spiegel verleiht dem LBT außerdem ein Auflösungsvermögen, das dem eines einzigen Fernrohrs von 23 Meter Öffnung entspricht. Jeder Spiegel gleicht einer überdimensionalen „Honigwabe“ aus Borsilikat-Glas und wiegt 15,6 Tonnen.
Um die volle Leistungsfähigkeit des neuen Teleskops zu nutzen, werden die von jedem Einzelspiegel reflektierten Lichtstrahlen überlagert, das heißt, zur Interferenz gebracht. Dieser physikalische Kunstgriff ist der Grund für die oben erwähnte außerordentlich hohe Bildschärfe. Ein weiterer Vorteil des Large Binocular Telescope ist sein vergleichsweise großes Gesichtsfeld von ungefähr 40 Bogensekunden (entsprechend dem scheinbaren Durchmesser des Planeten Jupiter). Am LBT gewinnen die Astronomen also großräumige Aufnahmen, die noch kleinste Details zeigen. Ausgestattet ist das Fernrohr mit adaptiver Optik, die das „Flimmern“ der Luft ausschaltet und ungestörte Bilder liefert. Zudem hält ein System von mechanischen, computergesteuerten Stösseln die Spiegel stets in der richtigen Form (aktive Optik).
Vier Instrumente analysieren das Licht aus den Tiefen des Alls: eine elektronische Kamera mit großem Gesichtsfeld (Weitfeld-CCD), ein Paar Infrarot-Spektrografen (LUCIFER), eine Kamera im gemeinsamen Brennpunkt (LINC) sowie – im rechten Spiegel untergebracht – ein optischer Spektrograf (MODS). Alle Instrumente sollen ständig am Teleskop montiert bleiben. Die Wissenschaftler können mit jedem „Auge“ unabhängig voneinander dasselbe Objekt beobachten, durch leichtes „Kippen“ der Sehachsen aber auch unterschiedliche Objekte studieren oder sich mit beiden „Augen“ im Interferenzmodus ein und dasselbe Objekt mit höchstem Auflösungsvermögen vornehmen. „Dadurch garantiert das LBT einzigartige Flexibilität“, sagt Prof. Hans-Walter Rix, Direktor des Heidelberger Max-Planck-Instituts für Astronomie, der die Federführung der deutschen Projektbeteiligung hat.
Mit dem Large Binocular Telescope werden die Astronomen vor allem weit entfernte Milchstraßensysteme, junge Doppelsterne und neu geborene Sonnen inmitten von protoplanetaren Scheiben ins Visier nehmen. Mit dem so genannten Null-Interferometer wollen die Experten nach extrasolaren Himmelskörpern fahnden. Dabei soll das Instrument das Licht eines fernen Sterns „ausblenden“, um das schwache Glimmen der vom Stern sonst überstrahlten Planeten sichtbar zu machen.
Die Komponenten des Large Binocular Telescope werden zurzeit in den drei Partnerländern USA, Italien und Deutschland gefertigt: Das drehbare, 53 Meter hohe und 2000 Tonnen schwere Teleskopgebäude steht auf dem 3200 Meter hohen Mount Graham an der amerikanisch-mexikanischen Grenze vor seiner Vollendung; die beiden Teleskopspiegel wurden ebenfalls in den USA gegossen. Deutsche Astronomen arbeiten intensiv an der Planung und Fertigung der hoch empfindlichen Messinstrumente. Und die Firma Ansaldo Energia in Mailand hat die eigentliche Teleskopstruktur entwickelt und gebaut. Sie wurde am Mittwoch, 27. Juni, von den Aufsichtsratmitgliedern des LBT besichtigt. Dabei überzeugten sich die Astronomen von der Präzision der Konstruktion. Denn die mehr als 20 Meter hohe Struktur muss Hunderte von Tonnen auf Bruchteile eines Millimeters genau bewegen. „Es ist begeisternd zu sehen, dass nach über zehn Jahren Vorbereitung, Planung und Bau die einzelnen Teile dieses Teleskops fertig werden.
Jetzt können wir uns voll auf die Integration der Komponenten konzentrieren. Denn nur wenn die beste Mechanik, die besten Spiegel und die besten Instrumente reibungslos zusammenspielen, können wir mit diesem Fernrohr astronomische Spitzenforschung betreiben“, sagt Rix. Es werde aber noch zwei bis drei Jahre dauern, bis die einzelnen Bauteile zusammengefügt sind und miteinander harmonieren. „Aber dann haben wir ein neues, beispiellos scharfes Werkzeug in der Hand, um die Rätsel des Universums zu entschlüsseln.“
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Partner des Large Binocular Telescope sind die USA (University of Arizona, Ohio State University und die private Forschungsstiftung Research Corporation, Tucson), Italien (ein Konsortium, vertreten durch das Astrophysikalische Observatorium Arcetri) und Deutschland (Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg, Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching, Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn, Landessternwarte Heidelberg, Astrophysikalisches Institut Potsdam).
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