Jüngster Quasar durchleuchtet Urmaterie des Universums
Heidelberger Astronomen gelingt aufregender Blick in die frühe Kindheit des Kosmos
Astronomen des Max-Planck-Instituts in Heidelberg haben zum ersten Mal die unverfälschte Urmaterie des Universums beobachtet und damit in eine Zeit etwa 700 Millionen Jahre nach dem Urknall zurückgeblickt. Für diese Entdeckung analysierten Dr. Laura Pentericci und Prof. Hans-Walter Rix vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg das Spektrum des Quasars SDSS 1030+0524. Dabei stellte sich heraus: Der rund 14,3 Milliarden Lichtjahre entfernte Quasar sitzt noch in einer neutralen intergalaktischen Materie, wie sie das sehr junge All ausfüllte.
Im Juni dieses Jahres fand Xiaohui Fan vom Institute of Advanced Studies in Princeton (USA) zwei neue Entfernungsrekordhalter: Quasare mit Rotverschiebungen von z = 6.28 und z = 5.99. Die Rotverschiebung z besagt, wie stark das Licht einer Galaxie aufgrund der Expansion des Weltalls in den langwelligen, roten Bereich des Spektrums verschoben ist und gilt gleichzeitig als Maß für die Zeit, die das Licht von dem Objekt bis zur Erde benötigt. Den Quasar mit der höchsten Rotverschiebung, der die Bezeichnung SDSS 1030+0524 erhielt, sehen wir zu einer Epoche, als das Universum nur etwa sechs Prozent seines heutigen Alters hatte. Das entspricht etwa 700 Millionen Jahre nach dem Urknall, der einem kosmologischen Modell zufolge vor 15 Milliarden Jahren stattgefunden hat. Allein aus der Existenz eines solchen Quasars zu einem derart frühen Zeitpunkt lassen sich interessante Schlüsse über die frühe Entwicklung des Kosmos und die Bil-dung der Galaxien ziehen. Quasare gelten als Millionen Sonnenmassen schwere Schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien.
Laura Pentericci und Hans-Walter Rix vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie haben an einem Acht-Meter-Spiegel des Very Large Telescope, dem von der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile betriebenen Riesenteleskop, ein außergewöhnlich detailreiches Spektrum des Quasars SDSS 1030+0524 aufgenommen (Abb. 2). Die breite Emissionslinie bei 885 Nanometern ist die vom Quasar selbst ausgesandte Wasserstofflinie Lyman-alpha. Ursprünglich weit im ultravioletten Wellenlängenbereich emittiert, wurde sie auf der mehr als 14 Milliarden Jahre dauernden Reise bis zur Erde ins nahe Infrarot verschoben. In diesem Spektrum zeigt sich ein dramatischer Effekt: Normalerweise schließt sich an die Lyman-alpha-Emissionslinie zu kür-zeren Wellenlängen hin Kontinuumsstrahlung an. Aber bei dem Quasar SDSS 1030+0524 fehlt dieses „Lyman-Kontinuum“ nahezu vollständig. Diese Unterdrückung des Kontinuums entsteht dadurch, dass neutrales intergalaktisches Gas, das sich jenseits einer Rotverschiebung z = 6.0, aber noch vor dem Quasar befindet, diese Strahlung verschluckt.
Abbildung 3: Das Spektrum des neuen Entfernungsrekordhalters SDSS 1030+0524, aufgenommen mit FORS 2 am Very Large Telescope. Im Bereich zwischen 835 und 875 Nanometern ist das Kontinuum auf höchstens 0,1Prozent des ursprünglichen Werts reduziert. Erst unterhalb von 835 Nanometern erhebt es sich schwach über dem Rauschen. Grafik: Max-Planck-Gesellschaft/Europäische Südsternwarte
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Was bedeutet dieser Befund? Etwa 300.000 Jahre nach dem Urknall (z = 1000) war das Universum so weit abgekühlt, dass die Elektronen und Protonen sich zu neutralem Wasserstoff verbinden konnten. Erst sehr viel später, hinreichend lange nach der Bildung der Galaxien und nach dem Aufleuchten hinreichend vieler Quasare, wurde das intergalaktische Medium durch die heiße Strahlung der neuen Quellen abermals vollständig ionisiert, wurden also die Atome ihrer Elektronen beraubt. Die neuen Beobachtungen ermöglichen es, die Zeit einzugrenzen, in der diese Prozesse stattfand: So gab es etwa 700 Millionen Jahre nach dem Urknall schon voll ausgebildete Quasare. Außerdem war zu jener Zeit die von den soeben entstandenen ersten Quasaren bewirkte Re-Ionisation des intergalaktischen Mediums noch nicht abgeschlossen. Dass zu kleineren Rotverschiebungen als z = 6.0 hin das Kontinuum wieder ansteigt, liegt daran, dass das intergalaktische Wasserstoffgas mit wachsendem Alter des Universums zunehmend ionisiert wurde, und zwar von den mit der Zeit immer zahlreicher aufleuchtenden Quasaren.
Die Astronomen sind jetzt mit ihren Beobachtungen in eine Ära vorgedrungen, als sich aus dem noch neutralen Urgas die ersten Galaxien bildeten und in ihren Zentren die ersten Quasare aufleuchteten. Diese Himmelskörper, die das extragalaktische Gas mit ihrer intensiven UV- und Röntgenstrahlung zunehmend ionisierten, entstanden offenbar im Lauf von wenigen hundert Millionen Jahren – astronomisch gesehen praktisch „sofort“ nach dem Urknall.
Die oben beschriebenen Rekordhalter unter den Quasaren in Bezug auf Entfernung und Jugend wurden im Rahmen des Sloan Digital Sky Survey (SDSS) entdeckt. Diese bislang umfangreichste digitale Himmelsdurchmusterung war im April 2000 in Angriff genommen worden. Das Projekt wird von einem Konsortium amerikanischer, japanischer und deutscher Institute durchgeführt. Auf deutscher Seite sind das Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg und das Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching beteiligt. Mit dieser Durchmusterung soll der halbe Nordhimmel in zahlreichen Farbbändern aufgenommen werden, besonders interessante und auffällige Objekte werden ständig spektroskopiert. Das auf dem Apache Point in New Mexico eigens für den SDSS gebaute, mit einer Mosaik-CCD-Kamera ausgerüstete 2,5-Meter-Teleskop (Abb. 3) war im Mai 1998 in Betrieb genommen und zunächst ausgiebig getestet worden.
Der endgültige Katalog aller erfassten Objekte wird Positionen und Farben von mehr als hundert Millionen Himmelskörper enthalten. Anhand ihrer Farben werden sich bereits viele auffallende Objekte identifizieren lassen. Für Nachbeobachtungen besonders interessanter Objekte steht auf dem selben Berg ein 3,5-Meter-Teleskop zur Verfügung. Insgesamt sollen Rotverschiebungen von etwa einer Million Galaxien und 100.000 Quasaren gemessen werden. Damit wird sich die räumliche Verteilung der Galaxien und Quasare in einem hundertfach größeren Volumen bestimmen lassen als bisher. Für die Astronomen werden die Daten ein reicher Fundus sein. Es werden sich daraus weitreichende Schlüsse über die frühe Entwicklung von Galaxien und Quasaren sowie auch über den Aufbau unseres Milchstraßensystems ergeben.
Im Sloan Digital Sky Survey haben die Astronomen von den erwarteten 100.000 neuen Quasaren bereits 13.000 aufgespürt, darunter 26 der 30 entferntesten Quasare und die beiden oben beschriebenen Rekordhalter. Der Datenstrom ist so groß, dass sich die Forscher zu seiner Bewältigung auf die Erfahrungen ihrer Kollegen am Teilchenbeschleuniger des Fermi National Laboratory in Chicago stützen. Dort werden die Rohdaten für die astronomische Auswertung aufbereitet. Die gesamte Durchmusterung wird etwa 15 Terabytes (1,5.10^13 Bytes) an Daten bringen; das entspricht der Speichermenge von 24.000 CD-ROMs. >
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