Flugexperiment SHEFEX erfolgreich gestartet
DLR erforscht neue Konzepte für den Atmosphären-Wiedereintritt von Raumtransportsystemen
Am Donnerstag, 27. Oktober 2005, wurde vom Startgelände der Andøya Rocket Range in Norwegen um 15.45 Uhr MESZ eine zweistufige Höhenforschungsrakete im Auftrag des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) erfolgreich gestartet. An der Spitze der Rakete befand sich eine außergewöhnliche Nutzlast: das Projekt SHEFEX (Sharp Edge Flight Experiment). Mit SHEFEX hat sich das DLR zum Ziel gesetzt, neue Thermalschutzkonzepte für rückkehrende Raumfahrzeuge zu testen, deren Herstellungs- und Wartungskosten zu reduzieren und gleichzeitig die Eignung eines scharfkantigen Designs für die aerothermodynamische Auslegung zu überprüfen.
Als Trägersystem wurde eine Kombination aus einer brasilianischen VS-30 Unterstufe und einer HAWK-Rakete als Oberstufe verwendet. Nach dem Start erreichte SHEFEX über dem Nordmeer eine Höhe von 211,5 Kilometer und trat mit fast siebenfacher Schallgeschwindigkeit wieder in die Erdatmosphäre ein – schnell genug also, um an der Spitze der SHEFEX-Nutzlast Temperaturen bis 1.600 Grad Celsius zu erzeugen. Derart hohe Temperaturen sind typisch für einen in die Erdatmosphäre eintauchenden Raumflugkörper. Die Experimentaleinheit blieb während des Wiedereintritts mit der HAWK-Rakete gekoppelt, um deren Ruderflächen zur Stabilisierung der Fluglage zu nutzen. Nach einer Flugdauer von ca. 9 Minuten sollte SHEFEX ca. 200 Kilometer vom Standort entfernt wassern. Bereits während der Echtzeit-Videoübertragung von Bord der Rakete wurde klar, dass das Bergungssystem – ein Fallschirm mit Schwimmkörper – zu früh ausgelöst wurde. Der Grund: Der Drucksensor löste das Fallschirmsystem in zu großer Höhe und bei zu hoher Geschwindigkeit aus. Dadurch wurde dieser zerstört.
Die vorläufige Analyse der wissenschaftlichen Messdaten zeigt überraschende Ergebnisse. So konnten Daten für die gesamte Flugphase, also länger als geplant, aufgezeichnet werden. Auf Grund von Taumelbewegungen des Flugkörpers konnten außerdem Daten gewonnen werden, die zusätzliche Aussagen über die instationären Phasen des Fluges der Nutzlast ermöglichen.
Eine vorläufige Analyse der Messergebnisse bestätigt, dass die hohen Kosten für die Herstellung, die Qualitätskontrolle und die Wartung bei komplex geformten Bauteilen durch den hier verwendeten Aufbau aus plattenförmigen Paneelen und verringerter Typenvielfalt drastisch reduziert werden können. Bei wieder verwendbaren Trägersystemkonzepten wie dem Space Shuttle der amerikanischen Weltraumbehörde NASA würde dieser Aufbau zu deutlichen Einsparungen bei der Wartung und dem Austausch beschädigter Elemente führen.
Mit SHEFEX hat das DLR einen Hyperschalltestflug erfolgreich durchgeführt. Mit Projektkosten in Höhe von ca. 4 Millionen Euro, von denen der weitaus größte Anteil in das Experiment und nicht in den Träger flossen, wurden hervorragende Ergebnisse erreicht. Der Flug wurde von der mobilen Raketenbasis des DLR (MORABA) durchgeführt. Sie hat erstmalig neue, einfache und kostengünstige Verfahren für die Steuerung einer Testrakete entwickelt und eingesetzt, so u. a. für die Stufentrennung und die Lagekontrolle. Diese Verfahren versetzen DLR MORABA in die Lage, weitere spezialisierte Flüge für Institute des DLR und andere Auftraggeber durchzuführen.
Die Firmen EADS und MT-Aerospace waren mit weiteren Experimenten zu neuartigen Thermalschutzsystemen am SHEFEX-Flugexperiment beteiligt. Das dreijährige Projekt wurde im Rahmen des Programms Weltraum von der Helmholtz Gemeinschaft deutscher Forschungseinrichtungen (HGF) und dem DLR finanziert.
Die aerodynamische Auslegung, die rechnerische Vorhersage des Strömungsverhaltens und die Tests im Plasmawindkanal erfolgten am DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik in Braunschweig, Köln und Göttingen. Das SHEFEX-Experiment wurde am Institut für Bauweisen- und Konstruktionsforschung des DLR in Stuttgart entwickelt, hergestellt und integriert.
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