Femto-Lasertechnik auf neuen Wegen

Max-Planck-Forscher messen erstmals Effekte einzelner optischer Zyklen

Wenn ein Laserpuls so kurz wird, dass er nur wenige Femtosekunden lang aufblitzt, dann treten die einzelnen optischen Zyklen zu Tage, die sonst hinter der flachen Pulsform verborgen bleiben. Effekte dieser einzelnen optischen Zyklen haben Wissenschaftler des Garchinger Max-Planck-Instituts für Quantenoptik um Gerhard G. Paulus gemeinsam mit Mailänder Kollegen erstmals sichtbar gemacht (Nature, 8. November 2001). Den Forschern ist es gelungen, die Auswirkungen der so genannten absoluten Phase zu beobachten und ihren Effekt nachzuweisen. Dies hat weitreichende Bedeutung für viele Anwendungen der Femtosekunden-Lasertechnik.

Die schnellsten atomaren und molekularen Prozesse in Zeitlupe beobachten und dabei sehen, was Moleküle und Atome tatsächlich tun – mit Hilfe der Femtosekunden-Lasertechnik ist dies möglich geworden. Je kürzer die Laserpulse, desto schnellere Vorgänge können scharf abgebildet werden. Und nicht nur das: Auch eine größere (Frequenz-)Bandbreite steht zur Verfügung. Bei etwa fünf Femtosekunden liegt derzeit der Rekord, das sind nur wenige Billiardstel Sekunden, die das Licht aufblitzt. In diesem Bereich gewinnt ein Parameter an Bedeutung, den Wissenschaftler die „absolute Phase“ eines Pulses nennen. Der Parameter beschreibt, wie sich die Phase der Trägerwelle zum Maximum der Einhüllenden des Pulses verhält (Abb. 1).

Abb. 1: Der Zeitverlauf des elektrischen Felds eines Laserpulses, der aus nur sehr wenigen optischen Zyklen besteht, hängt von der Phase der Trägerwelle bezüglich des Maximums der Pulseinhüllenden ab (hellblau). Die absolute Phase beträgt bei den Bildern 0, 1/2 und 1. Das absolute Maximum des Felds ist beim ersten beziehungsweise dritten Bild in positiver beziehungsweise negativer Richtung, während es beim mittleren Bild in beide Richtungen gleich groß ist.
Diagramm: Max-Planck-Institut für Quantenoptik


Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Garching ist es jetzt in Kooperation mit Kollegen der Polytechnischen Universität in Mailand erstmals gelungen, die Auswirkungen der absoluten Phase zu beobachten und ihren Effekt nachzuweisen. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature stellen sie das Experiment vor. Die Forscher haben dazu die Photoionisation mit ultrakurzen Laserpulsen untersucht. Die Vorgänge dabei kann man sich anschaulich etwa so vorstellen: Durch das oszillierende Feld des Lasers werden die Elektronen im Atom in Schwingungen versetzt, bis eines so viel Energie gewinnt, dass es den atomaren Verband verlässt. Bei langen Laserpulsen werden die Elektronen so oft hin und her geschüttelt, dass es gleichgültig ist, ob sie zuerst nach links und dann nach rechts ausgelenkt werden oder umgekehrt. Bei kurzen Zwei-Zyklen-Pulsen spielt es dagegen eine erhebliche Rolle, ob der erste Stoß von rechts oder von links kommt (Abb. 2).


Abb. 2: Eine fast perfekte Analogie zur Photoionisation mit langen und kurzen Pulsen kann man bei Asterix und Obelix finden. Für den Römer, den Obelix etwas ungeduldig nach seinem Helm fragt, ist es völlig belanglos, ob die erste Ohrfeige nun von rechts oder von links kam. Die Situation entspricht einem Laserpuls mit vielen optischen Zyklen. Dagegen bewegt sich der Helm des Kontrahenten von Asterix offensichtlich auf verschiedenen Flugbahnen, abhängig von der „absoluten Phase“ des Kinnhakens.
Comic: ©2001, Editions Albert René / Goscinny-Uderzo

In ihrem Experiment haben die Garchinger Forscher mit Wellenlängen am oberen Rand des sichtbaren Spektrums (etwa 800 Nanometer) gearbeitet. Bei einer Pulsdauer von fünf Femtosekunden bedeutet dies, dass die Lichtwelle weniger als zwei volle Schwingungszyklen durchläuft. Die absolute Phase ändert sich dabei von Laserpuls zu Laserpuls in zufälliger Weise. Deshalb haben die Wissenschaftler das Stereo-Photoionisationsexperiment gewählt. Dabei werden zwei Elektronendetektoren verwendet, die sich gegenüber stehen (Abb. 3). Für jeden Laserpuls wird damit die Anzahl der nach links und rechts emittierten Photoelektronen gleichzeitig registriert. Wenn nun beispielsweise die absolute Phase eines Laserpulses so liegt, dass das Maximum der Feldstärke (genauer des entsprechenden „Vektorpotenzials“) nach rechts zeigt, so werden viele Elektronen am rechten Elektronendetektor und wenige am linken gezählt – und umgekehrt. Das heißt: Bei jedem Laserschuss ist die Anzahl der nach links und rechts wegfliegenden Elektronen antikorreliert. Ein Laserpuls, der viele Elektronen nach links emittiert, sendet wenige nach rechts aus und umgekehrt. Der sehr empfindliche Nachweis dieser Antikorrelation war schließlich die entscheidende Spur, mit der erstmals der Effekt der absoluten Phase belegt werden konnte (Abb. 4).


Abb. 3: Laserpulse mit einer Dauer von etwa fünf Femtosekunden (pink) werden auf Kryptonatome (hellblau) fokussiert. Die Anzahl der nach links und rechts emittierten Photoelektronen hängt von der absoluten Phase des jeweiligen Pulses ab. Sie werden Schuss für Schuss durch zwei Elektronendetektoren (grau) registriert. Zusätzlich kann auch ihre Flugzeit und damit ihre kinetische Energie gemessen werden.
Zeichnung: Max-Planck-Institut für Quantenoptik

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass dieser Nachweis Bedeutung hat für viele Anwendungen der ultrakurzen Laserpuls-Technik. Sei es die Steuerung von kohärenten chemischen Reaktionen oder die Erzeugung von noch kürzeren Pulsen (Attosekunden) und damit zusammenhängend die Erzeugung von laserartigem Licht im Röntgenbereich. Dies alles erfordert, dass die absolute Phase konstant gehalten werden kann. Auch für die Präzisionsmessung optischer Frequenzen und ihren Anwendungen in der Telekommunikation ist es wünschenswert, dass die absolute Phase für alle Pulse, die von einem Laser erzeugt werden, konstant ist. Erst dann ist nämlich eine optimale Zeitmessung möglich. Letztlich sind sämtliche Phänomene, die durch Laserpulse hervorgerufen werden, abhängig vom zeitlichen Verlauf des elektromagnetischen Felds und damit – sehr kurze Pulse vorausgesetzt – auch von der absoluten Phase. Deshalb ist die Stabilisierung der absoluten Phase für intensive Laserpulse die nächste große Herausforderung für die Laserphysiker. Dies setzt jedoch voraus, dass man Messmethoden für die absolute Phase besitzt. Die Arbeit der Garchinger und Mailänder Wissenschaftler zeigt eine Möglichkeit dazu auf.


Abb. 4:Die Signatur der absoluten Phase ist eine Antikorrelation in der Anzahl der nach links und rechts emittierten Photoelektronen. Grafisch kann man sie dadurch darstellen, dass man jeden Laserschuss entsprechend der von ihm erzeugten Anzahl an Photoelektronen in eine Korrelationstafel einträgt. Häufig auftretende Zahlenpaare sind hier in roten, seltenere in blauen Farbtönen verzeichnet. Die Antikorrelation zeigt sich in der vergleichsweise hohen Zahl von Laserschüssen, die zu stark asymmetrischen Elektronenzahlen im rechten und linken Detektor führen, also zu großem Ausschlag nach links bei kleinem Ausschlag nach rechts und umgekehrt. Dies entspricht Punkten, die nahe an der horizontalen oder vertikalen Achse liegen.

Media Contact

Dr. Gerhard G. Paulus Presseinformation

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de/index.html

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