Bilder mit der höchsten Winkelauflösung in der Astronomie
Ein internationales Forscherteam mit Wissenschaftlern vom Bonner MPIfR hat die aktive Galaxie OJ 287 mit einer Rekordwinkelauflösung von 12 µas im Radiobereich kartiert. Das wurde durch die VLBI-Technik ermöglicht, bei der Signale von mehreren Radioteleskopen miteinander kombiniert werden. Durch die Verbindung von zwölf über die ganze Erde verteilten Radioobservatorien und der 10-Meter-Antenne an Bord des russischen Satelliten Spektr-R im Weltraum haben die Forscher ein virtuelles Radioteleskop mit einem Durchmesser von 193.000 km realisiert. Damit erfolgte ein Blick in das Herz der Galaxie OJ 287, in dem ein Paar von supermassereichen schwarzen Löchern vermutet wird.
VLBI-Beobachtungen der Galaxie OJ 287 wurden bei vier verschiedenen Wellenlängen durchgeführt (vgl. Abb. 1). Die Beobachtungen mit dem Weltraum-Radioteleskop Spektr-R zusammen mit weiteren erdgebundenen Teleskopen im Rahmen des RadioAstron-Projekts wurden bei einer Wellenlänge von 1,3 cm durchgeführt, während zusätzliche VLBI-Beobachtungen bei Wellenlängen von 2, 0,7 und 0,3 cm nur mit erdgebundenen Teleskopen durchgeführt wurden. Die resultierenden Bilder bei 1,3 cm Wellenlänge erreichen eine rekordverdächtige Auflösung von etwa 12 Mikrobogensekunden; das entspricht der Größe einer 20-Cent-Münze auf der Oberfläche des Mondes.
Die Galaxie OJ 287 befindet sich in einer Entfernung von 5 Milliarden Lichtjahren von der Erde in Richtung des Sternbilds Krebs. Sie gehört zur Klasse der Blazar-Galaxien, gekennzeichnet durch eine starke und variable Emission aus der unmittelbaren Nähe des supermassereichen schwarzen Lochs im Zentrum der Galaxie.
Die interferometrischen Aufnahmen bei allen vier Wellenlängen zeigen durchweg mehrere Emissionsknoten in einem stark gekrümmten Plasmastrahl (Jet). Die Krümmung des Jets nimmt mit zunehmender Winkelauflösung und in Richtung des Jet-Ursprungs immer weiter zu. Das stützt die Hypothese eines präzedierenden Jets, der durch die beiden supermassereichen Schwarzen Löcher im Zentrum der Galaxie beeinflusst wird. Die Analyse der Polarisationseigenschaften der Radiostrahlung zeigt eine überwiegend toroidale Struktur des Magnetfelds. Das wiederum lässt darauf schließen, dass die innerste radiostrahlende Region von einem schraubenförmigen (helikalen) Magnetfeld durchzogen ist, in Übereinstimmung mit Modellen zur Entstehung des Jets. Die Untersuchung der spektralen Eigenschaften der Radiostrahlung zeigt, dass das Jetplasma aus Elektronen und Positronen besteht, deren kinetische Energie in etwa mit der Energie des Magnetfelds im Gleichgewicht steht. Wiederholte Injektionen von energiereicheren Teilchen in das Jet-Plasma stören dieses Gleichgewicht und lassen einige Teile des inneren Jets aufflackern.
OJ 287 ist einer der besten Kandidaten für zwei umeinander rotierende supermassereiche Schwarze Löcher in unserer kosmischen Nachbarschaft. Man nimmt an, dass sich das sekundäre Schwarze Loch in diesem System auf einer engen, elliptischen Umlaufbahn befindet, die die Akkretionsscheibe des primären Schwarzen Lochs zweimal alle zwölf Jahre durchquert, dabei starke Flares erzeugt und zur Präzession der Rotationsachse des primären Schwarzen Lochs führt.
„Eine der wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit der Entwicklung supermassereicher Schwarzer Löcher ist zur Zeit, wie das Paar Schwarzer Löcher am Ende verschmelzen kann – das so genannte „Final Parsec Problem“. Die Theorie besagt, dass der Abstand zwischen den beiden Schwarzen Löchern aufhört zu schrumpfen, nachdem sie Sterne und Gas in der Umgebung komplett verdrängt haben. An diesem Punkt kommt die Gravitationsstrahlung ins Spiel und bewirkt, dass sich die beiden schwarzen Löcher immer weiter annähern, bis sie schließlich miteinander verschmelzen“, sagt Andrei Lobanov vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR), einer der Hauptautoren der Arbeit. Das erwartete binäre System supermassereicher schwarzer Löcher in OJ287 ist so nahe, dass es Gravitationswellen aussenden sollte, die in naher Zukunft mit Pulsar Timing Arrays nachgewiesen werden könnten.
Ein erheblicher Teil der Energie, die über die von den Schwarzen Löchern akkretierte Materie freigesetzt wird, gelangt in die bipolaren und hoch-relativistischen Plasmajets. Sie können mit VLBI-Beobachtungen im Detail untersucht werden. „Die beobachtete Feinstruktur der inneren Jet-Region eignet sich sowohl zum Test der Gültigkeit des Modells eines binären Schwarzen Lochs als auch zur Prüfung der Frage, ob die beobachtete Jet-Krümmung auch durch andere Effekte verursacht werden kann, wie z.B. spiralförmige Magnetfelder, oder die rotierende Raumzeit in der Nähe des Schwarzen Lochs“, ergänzt Thomas Krichbaum, ebenfalls vom MPIfR.
„Die Resultate haben uns geholfen, unser Wissen über die Morphologie der relativistischen Jets in der Nähe der zentralen Antriebsmaschine zu erweitern, die Rolle der Magnetfelder am Fußpunkt der Jets zu bestätigen und weitere Merkmale für die Existenz eines binären Schwarzen Lochs tief im Herzen von OJ 287 zu erkennen und zu untersuchen“, sagt Thalia Traianou, die nach ihrer Promotion am MPIfR zum Instituto de Astrofísica de Andalucía (IAA-CSIC) gewechselt ist.
„Dem Ziel, die höchsten Auflösungen in der Astronomie zu erreichen, sind wir mit der RadioAstron-Mission und mit unseren Entwicklungen von VLBI im Millimeterwellenbereich, wie dem „Global mm-VLBI Array“, einen großen Schritt näher gekommen. Unsere Pionierarbeit der letzten Jahrzehnte trägt nun Früchte, wie man bei diesen aufregenden Ergebnissen für OJ 287 sehen kann“, schließt J. Anton Zensus, Direktor am MPIfR, Mitglied des Internationalen Wissenschaftsrats von RadioAstron und ebenfalls Autor der Veröffentlichung.
Weitere Informationen
Das Weltraum-Radiointerferometer RadioAstron setzt sich zusammen aus einem 10-Meter-Radioteleskop in einer Umlaufbahn um die Erde (Spektr-R, siehe Abb. 2) und einer Anzahl von etwa zwei Dutzend der weltweit größten bodengestützten Radioteleskope. Wenn die Signale der einzelnen Teleskope unter Verwendung der Interferenz von Radiowellen kombiniert werden, ergibt eine solche Anordnung von Teleskopen eine Winkelauflösung, die einem Radioteleskop mit einem Durchmesser von bis zu 350.000 km entspricht – das entspricht ungefähr der Entfernung zwischen Erde und Mond. Damit liefert RadioAstron die bisher höchste Winkelauflösung in der Geschichte der Astronomie. Das Projekt RadioAstron, das im Zeitraum von Juli 2011 bis Mai 2019 aktiv war, wurde vom Astro Space Center des Physikalischen Instituts Lebedew der Russischen Akademie der Wissenschaften und der Lavochkin Scientific and Production Association im Rahmen eines Vertrags mit der staatlichen Raumfahrtkorporation ROSCOSMOS in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen in Russland und anderen Ländern geleitet.
Das „Global mm-VLBI Array“ (GMVA) ist ein internationales Netzwerk von Radio-Observatorien zur Durchführung von astronomischen VLBI-Beobachtungen bei Millimeter-Wellenlängen, die für die wissenschaftliche Gemeinschaft frei zugänglich sind. Das GMVA führt regelmäßig und koordiniert zweimal pro Jahr globale VLBI-Beobachtungen im 3 mm/7 mm-Band durch. Durch die Einbeziehung der größten Teleskope, die in diesen Bändern arbeiten, wird die Empfindlichkeit und Bildqualität optimiert. Das GMVA wurde durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont 2020 der Europäischen Union unter der Fördernummer 730562 unterstützt.
Die bereits sehr hohe Winkelauflösung erdgebundener VLBI-Beobachtungen im cm-Bereich kann auf zwei Arten noch weiter erhöht werden: entweder durch die Verwendung längerer Basislinien oder durch Beobachtung bei kürzeren Wellenlängen. Der erste Ansatz führt zu „Weltraum-VLBI“ (VLBI mit einer oder mehreren Radioantennen auf einer Umlaufbahn um die Erde), der zweite Ansatz zu „Millimeter-VLBI“ (mm-VLBI). In der ferneren Zukunft könnten beide Techniken miteinander kombiniert werden. Dies wird zu Weltraum-VLBI bei Millimeter-Wellenlängen („mm-Weltraum-VLBI“) führen. Sowohl die RadioAstron- als auch die GMVA-Daten wurden am VLBI-Korrelatorzentrum des MPIfR in Bonn verarbeitet.
Folgende Mitarbeiter der hier vorgestellten Veröffentlichung sind mit dem MPIfR affiliiert (in der Reihenfolge ihres Auftretens in der Autorenliste): Efthalia (Thalia) Traianou, Thomas P. Krichbaum, Andrei P. Lobanov, Yuri Y. Kovalev, Mikhail M. Lisakov, Rocco Lico, Uwe Bach, Carolina Casadio, Eduardo Ros, Tuomas Savolainen, und J. Anton Zensus.
Yuri Y. Kovalev ist Träger des Friedrich-Wilhelm-Bessel-Forschungspreises der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, in dessen Rahmen Teile der Arbeit am MPIfR durchgeführt wurden.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Andrei Lobanov,
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn.
Fon: +49 228 525-191
E-mail: alobanov@mpifr-bonn.mpg.de
Dr. Efthalia Traianou
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn
& Instituto de Astrofísica de Andalucía, Granada, Spain
Fon: +34 958 121311
E-mail: traianou@iaa.es
Prof. Dr. Eduardo Ros,
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn.
Fon: +49 228 525-125
E-mail: ros@mpifr-bonn.mpg.de
Originalpublikation:
José L. Gómez, Efthalia Traianou, Thomas P. Krichbaum, et al.: Probing the Innermost Regions of AGN Jes and Their Magnetic Fields with RadioAstron. V. Space and Ground Millimeter-VLBI Imaging of OJ 287, The Astrophysical Journal, Vol. 924, 122 (19 January 2022). DOI: 10.3847/1538-4357/ac3bcc
https://iopscience.iop.org/article/10.3847/1538-4357/ac3bcc
Weitere Informationen:
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie
Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.
Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.
Neueste Beiträge
Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen
An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…
Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean
20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….
Resistente Bakterien in der Ostsee
Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…