Blick in die Nanowelt
Neues Mikroskop enthüllt feinste Zellprozesse.
Wie sieht das Innere einer Zelle wirklich aus? Bisherige Mikroskope stoßen bei dieser Frage oft an ihre Grenzen. Nun ist es Forschenden der Universitäten Göttingen und Oxford in Zusammenarbeit mit der Universitätsmedizin Göttingen gelungen, ein Mikroskop mit Auflösungen von besser als fünf Nanometern (fünf Milliardstel Meter) zu entwickeln. Das entspricht in etwa der Breite eines Haares, das in 10.000 Teile gespalten ist.
Forscherteam mit Göttinger Beteiligung entwickelt hochauflösendes Fluoreszenzmikroskop
Viele Strukturen in Zellen sind so klein, dass gewöhnliche Mikroskope sie nur lückenhaft abbilden können. So enthalten zum Beispiel unsere Zellen eine Art Gerüst mit feinen Röhrchen, die nur etwa sieben Nanometer breit sind. Auch der synaptische Spalt, also der Abstand zwischen zwei Nervenzellen oder zwischen einer Nerven- und einer Muskelzelle, ist mit etwa 10 bis 50 Nanometern zu klein für herkömmliche Mikroskope. Ihre Auflösung beginnt gerade einmal bei etwa 200 Nanometern. Bessere Einblicke verspricht das neue Mikroskop, das Forscherinnen und Forscher der Universität Göttingen mit entwickelt haben: Dank einer Auflösung von besser als fünf Nanometern erfasst es selbst kleinste Zellstrukturen. Zum Vergleich: Ein Nanometer verhält sich zu einem Meter wie der Durchmesser einer Haselnuss zu dem der Erde.
Bei dem Mikroskop handelt es sich um ein sogenanntes Fluoreszenzmikroskop. Grundlage dieser Technik ist die sogenannte Einzel-Molekül-Lokalisierungs-Mikroskopie, bei der einzelne aufleuchtende Moleküle in einer Probe ein- und ausgeschaltet und dann deren Positionen einzeln sehr präzise bestimmt werden. Aus diesen Molekülpositionen kann dann die gesamte Struktur der Probe nachgebildet werden. Das Verfahren ermöglicht inzwischen Auflösungen von rund 10 bis 20 Nanometern. Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Jörg Enderlein vom III. Physikalischen Institut der Universität Göttingen konnte diese Auflösung jetzt nochmals verdoppeln – mithilfe eines hoch empfindlichen Detektors und einer speziellen Datenanalyse. Damit bringt es selbst winzige Details der Proteinorganisation im Verbindungsbereich zwischen zwei Nervenzellen sehr genau ans Licht.
„Diese neu entwickelte Technik ist ein Meilenstein im Feld der hochauflösenden Mikroskopie. Sie bietet nicht nur Auflösungen im einstelligen Nanometerbereich, sondern ist im Vergleich zu anderen Methoden besonders kostengünstig und einfach zu handhaben“, so Enderlein. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickelten im Zuge der Veröffentlichung außerdem ein Open-Source-Softwarepaket zur Datenverarbeitung. Damit steht diese Art der Mikroskopie in Zukunft breiten Fachkreisen zur Verfügung.
Originalveröffentlichung: Jörg Enderlein et al. Doubling the resolution of fluorescence-lifetime single-molecule localization microscopy with image scanning microscopy. Nature Photonics 2024.
https://www.nature.com/articles/s41566-024-01481-4
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Jörg Enderlein
Georg-August-Universität Göttingen
III. Physikalisches Institut – Biophysik / Komplexe Systeme
Friedrich-Hund-Platz 1
37077 Göttingen
Telefon: 0551 39 26908
E-Mail: joerg.enderlein@phys.uni-goettingen.de
Originalpublikation:
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie
Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.
Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.
Neueste Beiträge
Globale Studie identifiziert Gene für Depressionen in verschiedenen Ethnien
Neue genetische Risikofaktoren für Depression wurden erstmals in allen großen Weltbevölkerungen identifiziert und ermöglichen es Wissenschaftler*innen, das Risiko für Depression unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit vorherzusagen. Die bislang größte und…
Zurück zu den Grundlagen: Gesunder Lebensstil reduziert chronische Rückenschmerzen
Rückenschmerzen im unteren Rückenbereich sind weltweit eine der Hauptursachen für Behinderungen, wobei viele Behandlungen wie Medikamente oft keine dauerhafte Linderung bieten. Forscher des Centre for Rural Health der Universität Sydney…
Retinoblastom: Aufschlussreiche Untersuchung von Tumorzellen der Netzhaut
Ein Forschungsteam der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und des Universitätsklinikums Essen hat ein neues Zellkulturmodell entwickelt, mit dem die Wechselwirkungen zwischen Tumorzellen und ihrer Umgebung beim Retinoblastom besser untersucht…