Blick ins Innere von Molekülen
Selbst einfachste molekulare Verbindungen sind bis heute nicht zur Gänze verstanden. Wissenschaftler um Roland Wester vom Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik haben nun im Detail untersucht, wie negative Ionen sich an Wasserstoffmoleküle – die einfachsten Moleküle, die es gibt – binden und gemeinsam mit internationalen Partnern eine präzise quantenmechanische Beschreibung dafür vorgelegt.
Das Team um Physiker Roland Wester wollte schon lange die Bindung von Wasserstoffanionen an Wasserstoffmoleküle untersuchen. Dies erwies sich bisher allerdings als experimentell sehr schwierig. Deshalb haben die Wissenschaftler ein ähnliches Modell für die Bindung negativer Ionen ausgewählt: Chlor-Ionen, die eine vergleichbare Verbindung mit Wasserstoffmolekülen eingehen. „Diese Komplexe sind nur schwach gebunden“, sagt Roland Wester. „Es handelt sich eher um physikalische als um chemische Bindungen.“ Nun ist es den Innsbrucker Physikern gemeinsam mit Kollegen in Paris, Bordeaux, Köln und Nijmegen gelungen, die quantenphysikalischen Details dieser Bindung zu verstehen und ihre theoretischen Berechnungen experimentell zu untermauern. Der Molekülkomplex aus Chlor und Wasserstoff kommt in zwei unterschiedlichen Konfigurationen vor, abhängig von der Magnetisierung der Wasserstoffatome. Ein quantenmechanischer Tunneleffekt führt dazu, dass die Spektrallinien dieser beiden Konfigurationen weit auseinanderliegen.
Entscheidend für die Untersuchungen war der Einsatz eines freien Elektronenlasers, dessen Infrarotphotonen ausreichen, um die schwache Bindung der Molekülkomplexe zu lösen. „Mit konventionellen Lasern wären Untersuchungen in diesem Bereich nicht möglich“, sagt Wester, dessen Team die Ionenfalle von Kölner Kollegen am FELIX Laboratory im niederländischen Nijmegen für die Untersuchungen nutzen konnte. Dort gelang es Doktorandin Franziska Dahlmann die entscheidenden Messungen durchzuführen und dabei die Spektrallinien zu entdecken, die zuvor von Theorie-Kollegen in Paris und Bordeaux vorhergesagt wurden. Diese hatten nach früheren Messungen präzise quantenmechanische Berechnungen für den Molekülkomplex durchgeführt und darauf basierend auf weitere, bisher noch nicht entdeckte Spektrallinien für die zweite Konfiguration hingewiesen. Für deren Nachweis war es notwendig, diese schwächer gebundene Konfiguration stark anzureichern und die Ionenfalle dafür bei leicht erhöhten Temperaturen zu betreiben. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler schließlich diese neuen Spektrallinien in ihren Messdaten nachweisen.
Die Ergebnisse wurden im Journal of Chemical Physics veröffentlicht und zieren die Titelseite der aktuellen Ausgabe. Finanziell unterstützt wurden die Forschungen unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und der Europäischen Union. Franziska Dahlmann ist Mitglied des FWF-Doktoratskollegs Atome, Licht und Moleküle (DK-ALM).
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Roland Wester
Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik
Universität Innsbruck
Tel.: +43 512 507- 52620
E-Mail: roland.wester@uibk.ac.at
Web: https://www.uibk.ac.at/ionen-angewandte-physik
Originalpublikation:
Strong ortho/para effects in the vibrational spectrum of Cl-(H2). Franziska Dahlmann, et.al., Journal of Chemical Physics 2021
https://doi.org/10.1063/5.0073749
Weitere Informationen:
https://www.uibk.ac.at/ionen-angewandte-physik/molsyst/ – Molecular Systems (Wester Group)
https://www.ru.nl/felix/ – FELIX Laboratory, Nijmegen
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie
Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.
Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.
Neueste Beiträge
Magnetischer Speicher mit energieeffizientem MRAM freigeschaltet
Forscher der Universität Osaka stellen innovative Technologie zur Senkung des Energieverbrauchs moderner Speichervorrichtungen vor. Fortschritt in der Speichertechnologie: Überwindung der Grenzen traditioneller RAM Osaka, Japan – In den letzten Jahren…
Next-Level System-Sicherheit: Intelligenterer Zugriffsschutz für Organisationen
Fortschrittliches Framework zur Verbesserung der System-Sicherheit Forschende der University of Electro-Communications haben ein bahnbrechendes Framework zur Verbesserung der System-Sicherheit durch die Analyse von Geschäftsprozessprotokollen entwickelt. Dieses Framework konzentriert sich darauf,…
Wie mikrobielles Leben die Kalkbildung im tiefen Ozean beeinflusst
Mikroorganismen sind überall und beeinflussen die Umwelt der Erde seit über 3,5 Milliarden Jahren. Forschende aus Deutschland, Österreich und Taiwan haben nun erstmals die Rolle entschlüsselt, die Mikroorganismen bei der…