Das Konzept von Wendelstein 7-X bewährt sich
Teil der Optimierungsstrategie experimentell bestätigt / Energieverluste des Plasmas gesenkt.
Eines der wichtigsten Optimierungsziele, die der Fusionsanlage Wendelstein 7-X im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Greifswald zugrunde liegen, wurde jetzt bestätigt. Eine Analyse von Wissenschaftlern des IPP in der Fachzeitschrift „Nature“ zeigt: In dem optimierten Magnetfeldkäfig sind die Energieverluste des Plasmas in gewünschter Weise reduziert. Wendelstein 7-X soll beweisen, dass die Nachteile früherer Stellaratoren überwindbar und Anlagen vom Typ Stellarator kraftwerkstauglich sind.
Der optimierte Stellarator Wendelstein 7-X, der vor fünf Jahren in Betrieb ging, soll zeigen, dass Fusionsanlagen vom Typ Stellarator kraftwerkstauglich sind. Das Magnetfeld, welches das heiße Plasma einschließt und von den Gefäßwänden fernhält, wurde dazu mit großem Theorie- und Rechenaufwand so geplant, dass die Nachteile früherer Stellaratoren vermieden werden. Dabei war es eines der wichtigsten Ziele, die Energieverluste des Plasmas zu senken, die durch die Welligkeit des Magnetfeldes zustande kommen. Sie ist dafür verantwortlich, dass Plasmateilchen trotz ihrer Bindung an die magnetischen Feldlinien nach außen driften und verloren gehen.
Anders als bei den konkurrierenden Anlagen vom Typ Tokamak, für die dieser sogenannte „neoklassische“ Energie- und Teilchenverlust kein großes Problem ist, ist er bei konventionellen Stellaratoren ein ernster Schwachpunkt. Er lässt die Verluste mit steigender Plasmatemperatur so stark anwachsen, dass ein auf dieser Basis geplantes Kraftwerk sehr groß und damit sehr teuer wäre.
In Tokamaks dagegen sind – dank ihrer symmetrischen Gestalt – die Verluste durch die Welligkeit des Magnetfeldes nur gering. Hier werden die Energieverluste im Wesentlichen durch kleine Wirbelbewegungen im Plasma bestimmt, durch Turbulenz – die als Verlustkanal auch bei Stellaratoren hinzukommt. Um an die guten Einschlusseigenschaften der Tokamaks aufzuschließen, ist daher die Absenkung der neoklassischen Verluste eine wichtige Aufgabe für die Stellarator- Optimierung. Entsprechend wurde das Magnetfeld von Wendelstein 7-X für ausreichend geringe Verluste konzipiert.
Ob dies den gewünschten Erfolg bringt, untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Dr. Craig Beidler vom IPP-Bereich Stellarator-Theorie jetzt in einer genauen Analyse der bisherigen experimentellen Ergebnisse (siehe Fachmagazin Nature, DOI 10.1038/s41586-021-03687-w). Mit den bislang zur Verfügung stehenden Heizapparaturen konnte Wendelstein 7-X bereits Hochtemperatur-Plasmen erzeugen und den Stellarator-Weltrekord für das „Fusionsprodukt“ bei hoher Temperatur aufstellen. Dieses Produkt aus Temperatur, Plasmadichte und Energieeinschlusszeit gibt an, wie nahe man den Werten für ein brennendes Plasma kommt.
Ein solches Rekord-Plasma wurde nun genauer analysiert. Bei hohen Plasmatemperaturen und niedrigen turbulenten Verlusten ließen sich hier die neoklassischen Verluste in der Energiebilanz gut aufspüren: Sie machten 30 Prozent der Heizleistung aus, ein beträchtlicher Teil der Energiebilanz.
Die Wirkung der neoklassischen Optimierung von Wendelstein 7-X zeigt nun ein Gedankenexperiment: Angenommen wurde, dass die gleichen Plasmawerte und -profile, die bei Wendelstein 7-X zu dem Rekordergebnis führten, auch in Anlagen mit weniger optimiertem magnetischen Feld erreicht wurden. Dann wurden die dort zu erwartenden neoklassischen Verluste berechnet – mit eindeutigem Ergebnis: Sie wären größer als die Heizleistung, was eine physikalische Unmöglichkeit ist. „Dies zeigt“, sagt Professor Per Helander, der den Bereich Stellarator-Theorie leitet, „dass die in Wendelstein 7-X beobachteten Plasmaprofile nur in Magnetfeldern mit geringen neoklassischen Verlusten denkbar sind. Umgekehrt ist damit bewiesen, dass die Optimierung des Wendelstein-Magnetfeldes die neoklassischen Verluste erfolgreich absenkt“.
Allerdings waren die Plasmaentladungen bislang nur kurz. Um die Leistungsfähigkeit des Wendelstein-Konzeptes im Dauerbetrieb zu testen, wird zurzeit eine wassergekühlte Wandverkleidung eingebaut. So ausgerüstet, wird man sich schrittweise an 30 Minuten lange Plasmen heranarbeiten. Dann lässt sich überprüfen, ob Wendelstein 7-X seine Optimierungsziele auch im Dauerbetrieb – dem wesentlichen Plus der Stellaratoren – erfüllen kann.
Hintergrund
Ziel der Fusionsforschung ist es, ein klima- und umweltfreundliches Kraftwerk zu entwickeln. Ähnlich wie die Sonne soll es aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie gewinnen. Weil das Fusionsfeuer erst bei Temperaturen über 100 Millionen Grad zündet, darf der Brennstoff – ein dünnes Wasserstoffplasma – nicht in Kontakt mit kalten Gefäßwänden kommen. Von Magnetfeldern gehalten, schwebt er nahezu berührungsfrei im Inneren einer Vakuumkammer.
Den magnetischen Käfig von Wendelstein 7-X erzeugt ein Ring aus 50 supraleitenden Magnetspulen. Ihre speziellen Formen sind das Ergebnis ausgefeilter Optimierungsrechnungen. Mit ihrer Hilfe soll die Qualität des Plasmaeinschlusses in einem Stellarator das Niveau der konkurrierenden Anlagen vom Typ Tokamak erreichen.
Originalpublikation:
C.D. Beidler et al.: Demonstration of reduced neoclassical energy transport in Wendelstein 7-X. In: Nature, 2021, DOI 10.1038/s41586-021-03687-w, https://www.nature.com/articles/s41586-021-03687-w
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