Der MeerKAT-Absorptionslinienatlas
Mit MeerKAT-Daten hat ein internationales Team unter Beteilignug von MPIfR-Forschern den bisher größten Katalog von Radioquellen aus einer Himmelsdurchmusterung zusammengestellt. Dadurch konnten sie den kosmischen Radiodipol messen, einen kosmologischen Effekt, der durch die Bewegung der Erde durch das Universum entsteht und einen wichtigen Test für Theorien der Kosmologie auf den größten Skalen darstellt. Die Messung unterstreicht den Wert der MeerKAT-Daten und zeigt, dass solche empfindlichen Daten äußerst wertvolle Einblicke in den Ursprung des kosmischen Dipoleffekts liefern können.
Ein Teil der Antennen MeerKAT-Radioteleskopnetzwerks in der Karoo-Region in Südafrika. (c) SARAO, Südafrika
Betrachtet man den Himmel bei Radiowellenlängen, sieht man statt der gewohnten Sterne vor allem Galaxien in extrem großer Entfernung. Der Anblick des Radiohimmels bietet einen ungehinderten Einblick in die Entwicklung von Galaxien, Schwarzen Löchern und Gas im Universum und zeigt auch, wie das Universum auf den größten Skalen aussieht. Der „MeerKAT Absorption Line Survey“ (MALS), der auf der herausragenden Empfindlichkeit und Abbildungsgenauigkeit des MeerKAT-Radioteleskopnetzwerks in Südafrika beruht, hat extrem empfindliche Bilder erzeugt, die fast eine Million Radioquellen aus 391 Belichtungen mit dem Teleskop erfassen. Es ist der größte Katalog, der bisher von einer MeerKAT-Durchmusterung erstellt wurde, und einer der wenigen Radiokataloge mit einer Million oder mehr Quellen. Da der Schwerpunkt eher auf der Tiefe der Belichtung als auf der Himmelsabdeckung liegt, konnten viele Quellen zum ersten Mal entdeckt werden.
„Die Empfindlichkeit und der Umfang dieses Kontinuumskatalogs sind einzigartig unter den modernen Radiokontinuumsdurchmusterungen. Die Veröffentlichung wird es der Forschergemeinschaft ermöglichen, eine Vielzahl von Fragen zur Entwicklung von Galaxien und des Universums zu beantworten“, sagt Neeraj Gupta, Astronom am „Inter-University Centre for Astronomy and Astrophysics“ (IUCAA) in Indien, der Leiter des MALS-Projekts.
Um aus den großen Mengen an Rohdaten, die von MeerKAT erzeugt werden, diese empfindlichen Bilder zu erhalten, wird beim IUCAA in Indien eine hochentwickelte Verarbeitungspipeline und Datenspeichereinrichtung unterhalten. Die Bilder und Kataloge wurden am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Deutschland von Jonah Wagenveld, dem Hauptautor der hier vorgestellten Arbeit, weiter analysiert und für die Veröffentlichung vorbereitet. Der umfangreiche Katalog hat es dem MALS-Team ermöglicht, eine Messung des kosmischen Dipols durchzuführen – ein subtiler Effekt, der durch die Bewegung des Sonnensystems durch das Universum verursacht wird. Dieser Effekt führt dazu, dass die Quellen in Richtung dieser Bewegung zahlreicher und in der entgegengesetzten Richtung weniger zahlreich erscheinen, wie in Abb. 1 dargestellt.
Die Richtung und das Ausmaß der Bewegung der Erde durch das Universum wurden bis jetzt durch Messungen des kosmischen Mikrowellenhintergrunds ermittelt. Die Größe des kosmischen Dipoleffekts, der in direktem Zusammenhang mit der Geschwindigkeit dieser Bewegung stehen sollte, erschien jedoch bei vielen Messungen viel größer als im Vergleich zur Vorhersage. Dies deutet darauf hin, dass der kosmische Dipol nicht nur durch die Geschwindigkeit der Bewegung verursacht wird, sondern durch einen echten Unterschied in der Dichte der Quellen in verschiedenen Richtungen am Himmel, was nach den kosmologischen Modellen nicht der Fall sein sollte. Überraschenderweise stimmt die neue MALS-Messung nun mit den Vorhersagen überein. Es ist zwar noch nicht bekannt, warum dies der Fall ist, aber es könnte mit dem Aufbau der Durchmusterung zusammenhängen, die kleine Himmelsbereiche bis zur sehr großen Empfindlichkeiten abdeckt, im Gegensatz zu den größeren, aber weniger empfindlichen Himmelsabdeckungen anderer Radiodurchmusterungen. Aus diesem Grund sind viele schwache „normale Galaxien“ in dem empfindlichen Katalog enthalten, was zweifellos die Messung des kosmischen Dipols beeinflusst.
„Die Messung des Dipols ist ein äußerst wichtiger Test für die Kosmologie und kann uns sagen, ob unsere grundlegenden Annahmen über die Struktur des Universums korrekt sind“, erklärt Jonah Wagenveld, Astronom am MPIfR und Hauptautor der Studie.
Das Rätsel ist jedoch noch lange nicht gelöst, und künftige größere Kataloge, entweder von MALS unter Ausnutzung des niederfrequenteres UHF-Bands von MeerKAT, oder von künftigen Observatorien, werden diese Ergebnisse analysieren und das Problem ggf. auflösen können.
„Die konsistente und automatisierte Verarbeitung war unerlässlich, um subtile Effekte in den Daten in den Griff zu bekommen, die die Genauigkeit unserer Messungen beeinträchtigen würden. Diese neue Durchmusterung ist ein Sprungbrett für zukünftige groß angelegte Radiodurchmusterungen mit dem Square Kilometre Array und dem Deep Synoptic Array“, sagt Hans-Rainer Klöckner, Forscher am MPIfR, der die Verwendung von MALS für die Dipolmessung initiiert hat.
Weitere Informationen
Der neue Katalog und die begleitenden wissenschaftlichen Ergebnisse dieser Studie sind in Wagenveld et al. (2024) beschrieben, angenommen zur Veröffentlichung in der Fachzeitschrift „Astronomy & Astrophysics“. Dies ist die zweite von mehreren Veröffentlichungen von Radiokontinuums- und Spektralliniendaten aus dem „MeerKAT Absorption Line Survey“ (MALS), basierend auf einer Teamleistung zur Veröffentlichung dieser Daten. Die MALS-Kataloge und -Bilder sind öffentlich zugänglich unter https://mals.iucaa.in. Das MALS-Team ist ein internationaler Zusammenschluss von Forschern aus der ganzen Welt, geleitet von Neeray Gupta (IUCAA, Indien).
Das MeerKAT-Teleskop ist eine Einrichtung der „National Research Foundation“ (NRF) in Südafrika und wird vom „South African Radio Astronomy Observatory“ (SARAO) betrieben. Die riesige Menge an Rohdaten (1,6 Petabyte), die von SARAO empfangen werden, ist beim IUCAA gespeichert und wird mit Hilfe einer automatisierten Pipeline verarbeitet, die vom IUCAA in Zusammenarbeit mit „Thoughtworks Technologies India Pvt Ltd.“ Betriebenwird. Sie nutzt in großem Umfang Werkzeuge und Aufgaben der Software „Common Astronomy Software Applications“ (CASA), die vom „National Radio Astronomy Observatory“ (NRAO) in den USA entwickelt wurde.
Das SKA-Observatorium (SKAO) ist eine zwischenstaatliche Organisation, die Nationen aus der ganzen Welt zusammenbringt. Aufbabe des SKAO ist der Bau und Betrieb hochmoderner Radioteleskope, die das Verständnis des Universums verändern und zum Nutzen der Gesellschaft durch globale Zusammenarbeit und Innovation beitragen soll. Das Observatorium ist weltweit tätig und besteht aus dem SKAO-Hauptquartier im Vereinigten Königreich, den beiden SKAO-Teleskopen an radioruhigen Standorten in Südafrika und Australien sowie den dazugehörigen Einrichtungen zur Unterstützung des Betriebs der Teleskope. Sobald das SKAO in Betrieb ist, wird es eine umfassende globale Sternwarte darstellen, die im Auftrag der Mitgliedstaaten und Partner zwei Teleskope auf drei Kontinenten betreibt.
Autoren der Veröffentlichung sind: J. D. Wagenveld, H-R. Klöckner, N. Gupta, S. Sekhar, P. Jagannathan, P. P. Deka, J. Jose, S. A. Balashev, D. Borgaonkar, A. Chatterjee, F. Combes, K. L. Emig, A. N. Gaunekar, M. Hilton, G. I. G. Józsa, D. Y. Klutse, K. Knowles, J.-K. Krogager, E. Momjian, S. Muller, and S. P. Sikhosana. Die ersten beiden Autoren, Jonah Wagenveld und Hans-Rainer Klöckner, sowie Gyula Józsa sind Mitarbeiter des MPIfR.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Jonah Wagenveld
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn
Fon: +49 228 525-530
E-mail: wagenveld@mpifr-bonn.mpg.de
Dr. Hans-Rainer Klöckner
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn
Fon: +49 228 525-338
E-mail: hkloeckner@mpifr-bonn.mpg.de
Originalpublikation:
J.D. Wagenveld et al.: The MeerKAT Absorption Line Survey 2: Wideband continuum catalogues and a measurement of the cosmic radio dipole, 2024, Astronomy & Astrophysics (zur Veröffentlichung angenommen)
https://arxiv.org/abs/2408.16619 (arXiv-Preprint)
Weitere Informationen:
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