Die Datenspeicher von morgen: Mit neuer Technik molekulare Magnete wie in Zeitlupe erforschen
Ob Festplatten, Speicherchips oder Sensoren – Magnete machen das Speichern von Daten erst möglich. Grundlage dabei bildet der Spin von Elektronen, der auch Eigendrehimpuls genannt wird. Das Team um Professor Dr. Volker Schünemann und seiner Doktorandin Lena Scherthan aus dem Lehrgebiet Biophysik und Medizinische Physik an der Technischen Universität Kaiserslautern (TUK) arbeitet an einer neuen Form von Magneten, den molekularen Magneten. Mit ihnen könnte es künftig möglich sein, wesentlich mehr Informationen zu speichern.
„Diese molekularen Magnete bestehen aus einem Metallzentrum, das mit sogenannten organischen Liganden verbunden ist und so ein Molekül bildet“, sagt Scherthan, die Erstautorin der aktuellen Studie ist. „Für diese Molekülsorte kommen nur bestimmte Metalle in Frage. Dazu zählen zum Beispiel Eisen, aber auch weniger bekannte chemische Elemente aus der Gruppe der Lanthanoide, wie das Dysprosium, mit dem wir arbeiten.“ Bekannt sind sie auch als seltene Erden.
Das Besondere an ihnen: Ihre Elektronen können ein für ein Molekül relativ starkes magnetisches Moment erzeugen. Wie es um die Speicherfähigkeit bestellt ist und wie sie sich verbessern lässt, untersucht das Kaiserslauterer Forscherteam gemeinsam mit der Arbeitsgruppe um die Chemikerin Professorin Annie K. Powell vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
Dazu kommen spezielle Techniken zum Einsatz: Bei der sogenannten Mössbauer-Spektroskopie handelt es sich um ein Analyseverfahren, bei dem mit Hilfe von hochenergetischer Röntgenstrahlung die Absorption von Atomkernen untersucht wird. Auf dem Campus der TUK findet diese Methode Verwendung, um Eisen-haltige Substanzen und sogar Proteine zu untersuchen. Für die Analyse anderer Elemente mit dieser Methode gibt es weltweit nur wenige Labore: Das Team um Schünemann und Scherthan hat für ihre Versuche unter anderem eine Strahlungsquelle (Advanced Photon Source) am US-amerikanischen Argonne National Laboratory in der Nähe von Chicago genutzt.
Erstmals ist es nun gelungen, mit diesem Verfahren einen molekularen Magneten mit Dysprosium als Metallzentrum zu untersuchen. „Die Experimente wurden bei extrem niedrigen Temperaturen von -269 Grad Celsius in flüssigem Helium durchgeführt“, so die Physikerin weiter. Solche tiefen Temperaturen sind notwendig, da viele der molekularen Magnete bisher nur bei diesen Bedingungen ihre charakteristischen Eigenschaften aufweisen.
Hinzu kommt, dass die Spektroskopie-Technik einen detaillierteren Blick in den atomaren Kosmos liefert. So erlaubt es diese Methode den Forschern, Rückschlüsse auf die Wechselwirkungen zwischen Metallkern und Liganden zu ziehen. „Wir betrachten die Eigenschaften des Metallzentrums ähnlich wie bei einer Zeitlupe“, vergleicht die Wissenschaftlerin das Verfahren, das sie mit ihren Forscherkollegen in ihrer aktuellen Studie vorstellt. „Wir sehen dadurch mehr als mit unseren herkömmlichen Methoden. Zum Beispiel erkennen wir, wie schnell das System wieder in seinen Ursprungszustand zurückkehrt und wie lange so die Speicherzeit des Moleküls ist.“
Ziel der Kaiserslauterer und Karlsruher Arbeitsgruppen ist es, die charakteristischen Eigenschaften molekularer Magnete noch besser zu verstehen, um so strategisch weitere Systeme zu entwickeln. Neben Systemen, die nur ein einzelnes Metallzentrum besitzen, untersucht das Team der TUK zusammen mit der Gruppe um Professorin Powell auch die Eigenschaften von molekularen Magneten, die zwei oder mehr Metallzentren besitzen. Hierbei stehen die Wechselwirkungen zwischen den Metallen im Vordergrund. „Damit könnte ein besseres Speicherverhalten möglich sein“, sagt Scherthan.
Die Arbeiten fanden im Rahmen des Transregio-Sonderforschungsbereiches „Kooperative Effekte in homo- und heterometallischen Komplexen“ (SFB/TRR 883 MET) statt. Hierbei beschäftigen sich Forscherteams aus Chemie und Physik interdisziplinär mit molekularen Systemen, die zwei bis vier Metallzentren besitzen. Ziel ist es unter anderem, auf molekularer Ebene neue Eigenschaften und Funktionen zu entwickeln, um zum Beispiel effizientere Materialien für Magnetspeicher oder effektivere Katalysatoren für chemische Reaktionen zu erhalten.
Die Studie wurde in der renommierten Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ veröffentlicht. Die Redaktion der Zeitschrift stuft die Arbeit zudem als herausragend ein, sodass sie es auf die Rücktitelseite der aktuellen Druckausgabe gebracht hat: 161Dy Time-Domain Synchrotron Mössbauer Spectroscopy for Investigating Single-Molecule Magnets Incorporating Dy Ions
DOI: 10.1002/anie.201810505
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/ange.201810505
Link zur Rücktitelseite: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/ange.201900407?af=R
Lena Scherthan
Lehrgebiet Biophysik und Medizinische Physik
E-Mail: schertha[at]rhrk.uni-kl.de
Tel.: 0631 205-2143
Prof. Dr. Volker Schünemann
Lehrgebiet Biophysik und Medizinische Physik
E-Mail: schuene[at]physik.uni-kl.de
Tel.: 0631 205-4920
161Dy Time-Domain Synchrotron Mössbauer Spectroscopy for Investigating Single-Molecule Magnets Incorporating Dy Ions
DOI: 10.1002/anie.201810505
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/ange.201810505
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.uni-kl.deAlle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie
Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.
Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.
Neueste Beiträge
Ist der Abrieb von Offshore-Windfarmen schädlich für Miesmuscheln?
Rotorblätter von Offshore-Windparkanlagen unterliegen nach mehrjährigem Betrieb unter rauen Wetterbedingungen einer Degradation und Oberflächenerosion, was zu erheblichen Partikelemissionen in die Umwelt führt. Ein Forschungsteam unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts hat jetzt…
Per Tierwohl-Tracker auf der Spur von Krankheiten und Katastrophen
DBU-Förderung für Münchner Startup Talos… Aus dem Verhalten der Tiere können Menschen vieles lernen – um diese Daten optimal auslesen zu können, hat das Münchner Startup Talos GmbH wenige Zentimeter…
Mit Wearables die Gesundheit immer im Blick
Wearables wie Smartwatches oder Sensorringe sind bereits fester Bestandteil unseres Alltags und beliebte Geschenke zu Weihnachten. Sie tracken unseren Puls, unsere Schrittzahl oder auch unseren Schlafrhythmus. Auf welche Weise können…