Die Zukunft gestalten: DNA-Nanoroboter, die synthetische Zellen modifizieren können
Rekonfigurierbare DNA-Nanoroboter, die auf der Oberfläche synthetischer Zellen arbeiten. Bildnachweis: 2. Physikalisches Institut, Universität Stuttgart
Wissenschaftler der Universität Stuttgart haben es geschafft, die Struktur und Funktion biologischer Membranen mithilfe von „DNA-Origami“ zu kontrollieren. Das von ihnen entwickelte System könnte den Transport großer therapeutischer Lasten in Zellen erleichtern. Dies eröffnet neue Wege für die gezielte Verabreichung von Medikamenten und andere therapeutische Interventionen. Damit kann ein äußerst wertvolles Instrument zur Werkzeugkiste der synthetischen Biologie hinzugefügt werden. Prof. Laura Na Liu und ihr Team veröffentlichten ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift Nature Materials.
Die Form und Morphologie einer Zelle spielen eine Schlüsselrolle für ihre biologische Funktion. Dies entspricht dem Prinzip „Form folgt Funktion“, das in modernen Design- und Architekturbereichen üblich ist. Die Übertragung dieses Prinzips auf künstliche Zellen stellt eine Herausforderung in der synthetischen Biologie dar. Fortschritte in der DNA-Nanotechnologie bieten nun vielversprechende Lösungen. Sie ermöglichen die Schaffung neuer Transportkanäle, die groß genug sind, um therapeutische Proteine durch Zellmembranen zu transportieren. In diesem aufstrebenden Feld haben Wissenschaftler wie Prof. Laura Na Liu, Direktorin des 2. Physikalischen Instituts der Universität Stuttgart und Fellow am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung (MPI-FKF), ein innovatives Werkzeug zur Kontrolle der Form und Permeabilität von Lipidmembranen in synthetischen Zellen entwickelt. Diese Membranen bestehen aus Lipiddoppelschichten, die ein wässriges Kompartiment umschließen und als vereinfachte Modelle biologischer Membranen dienen. Sie sind nützlich für das Studium von Membrandynamik, Proteininteraktionen und Lipidverhalten.
Ein Meilenstein in der Anwendung der DNA-Nanotechnologie
Dieses neue Werkzeug könnte den Weg für die Entwicklung funktioneller synthetischer Zellen ebnen. Die wissenschaftliche Arbeit von Laura Na Liu zielt darauf ab, die Forschung und Entwicklung neuer Therapien maßgeblich zu beeinflussen. Liu und ihr Team gelang es, signalabhängige DNA-Nanoroboter einzusetzen, um programmierbare Interaktionen mit synthetischen Zellen zu ermöglichen. „Diese Arbeit ist ein Meilenstein in der Anwendung der DNA-Nanotechnologie zur Regulation des Zellverhaltens“, sagt Liu. Das Team arbeitet mit riesigen unilamellaren Vesikeln (GUVs), einfachen, zellgroßen Strukturen, die lebende Zellen nachahmen. Mithilfe von DNA-Nanorobotern konnten die Forscher die Form und Funktionalität dieser synthetischen Zellen beeinflussen.
Neue Transportkanäle für Proteine und Enzyme
DNA-Nanotechnologie ist eines der Hauptforschungsgebiete von Laura Na Liu. Sie ist Expertin für DNA-Origami-Strukturen — DNA-Stränge, die mithilfe speziell entworfener kürzerer DNA-Sequenzen, sogenannter „Staples“, gefaltet werden. Das Team von Liu verwendete DNA-Origami-Strukturen als rekonfigurierbare Nanoroboter, die ihre Form reversibel ändern und dadurch ihre unmittelbare Umgebung im Mikrometerbereich beeinflussen können. Die Forscher stellten fest, dass die Transformation dieser DNA-Nanoroboter mit der Deformation der GUVs und der Bildung synthetischer Kanäle in den Modell-GUV-Membranen gekoppelt werden kann. Diese Kanäle ermöglichten es großen Molekülen, die Membran zu passieren, und können bei Bedarf wieder verschlossen werden.
Vollständig künstliche DNA-Strukturen für biologische Umgebungen
„Das bedeutet, dass wir DNA-Nanoroboter verwenden können, um die Form und Konfiguration von GUVs zu gestalten und die Bildung von Transportkanälen in der Membran zu ermöglichen“, sagt Prof. Stephan Nussberger, Mitautor dieser Arbeit. „Es ist äußerst spannend, dass der funktionelle Mechanismus der DNA-Nanoroboter auf GUVs kein direktes biologisches Pendant in lebenden Zellen hat“, fügt Nussberger hinzu.
Die neue Arbeit wirft Fragen auf: Könnten synthetische Plattformen wie DNA-Nanoroboter mit geringerer Komplexität als ihre biologischen Gegenstücke entworfen werden, die dennoch in einer biologischen Umgebung funktionieren?
Erkrankungsmechanismen verstehen und Therapien verbessern
Die neue Studie ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Das System von Membrankanälen, das durch DNA-Nanoroboter geschaffen wurde, ermöglicht einen effizienten Durchtritt bestimmter Moleküle und Substanzen in die Zellen. Besonders wichtig ist, dass diese Kanäle groß sind und bei Bedarf programmiert werden können, sich zu schließen. Bei Anwendung auf lebende Zellen könnte dieses System den Transport therapeutischer Proteine oder Enzyme zu ihren Zielen in der Zelle erleichtern und neue Möglichkeiten für die Verabreichung von Medikamenten und anderen therapeutischen Interventionen eröffnen. „Unser Ansatz eröffnet neue Möglichkeiten, das Verhalten lebender Zellen zu imitieren. Dieser Fortschritt könnte entscheidend für zukünftige therapeutische Strategien sein“, sagt Prof. Hao Yan, einer der Mitautoren dieser Arbeit.
Über Prof. Laura Na Liu und das Forschungsteam
Laura Na Liu ist Direktorin des 2. Physikalischen Instituts der Universität Stuttgart, Fellow am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung (MPI-FKF) und eine der Hauptautoren der Studie. Das interdisziplinäre Forschungsteam umfasst Mitglieder mehrerer Institute der Universität Stuttgart: des 2. Physikalischen Instituts, der Abteilung Biophysik am Institut für Biomaterialien und Biomolekulare Systeme sowie des Instituts für Theoretische Physik IV. Ebenfalls an der Studie beteiligt ist Prof. Hao Yan, Alexander-von-Humboldt-Preisträger, der in Lius Gruppe forscht und am Biodesign Center for Molecular Design and Biomimetics der Arizona State University tätig ist.
Expertkontakt
Prof. Laura Na Liu
Universität Stuttgart
2. Physikalisches Institut Telefonnummer: +49 711 685-65218 E-Mail: na.liu@pi2.uni-stuttgart.de
Originalpublikation
Sisi Fan, Shuo Wang, Longjiang Ding, Thomas Speck, Hao Yan, Stephan Nussberger & Na Liu Zeitschrift: Nature Materials Artikeltitel: Morphology remodelling and membrane channel formation in synthetic cells via reconfigurable DNA nanorafts Veröffentlichungsdatum des Artikels: 13. Januar 2025 DOI:https://doi.org/10.1038/s41563-024-02075-9
Ein Forschungsteam der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und des Universitätsklinikums Essen hat ein neues Zellkulturmodell entwickelt, mit dem die Wechselwirkungen zwischen Tumorzellen und ihrer Umgebung beim Retinoblastom besser untersucht…
Grundwasser und multilaterale Zusammenarbeit in den Wiederaufbaubemühungen milderten die Wasserkrise nach der Überschwemmung. Katastrophen in Chancen umwandeln Die Gesellschaft ist oft anfällig für Katastrophen, aber wie Menschen während und nach…
Ein neues Papier in Nicotine & Tobacco Research, veröffentlicht von Oxford University Press, stellt fest, dass Rauchen negative Auswirkungen auf das Einkommen junger Arbeitnehmer hat. Dies gilt insbesondere für weniger…