Donuts und Laserstrahlen
In der Materialforschung erzielt man große Erfolge, indem man Erkenntnisse aus der Topologie nutzt. Ähnliche Werkzeuge lassen sich nun auch auf Laser anwenden.
Ein Donut ist keine Semmel. Aus mathematischer Sicht sind das zwei grundverschiedene Objekte: Der Donut hat ein Loch, die Semmel nicht. Einen Kreis, der im Donut rund um das Loch in seiner Mitte herumführt, kann man nicht zu einem Punkt zusammenziehen. Einen beliebigen Kreis innerhalb der Semmel hingegen schon.
Die mathematische Disziplin, die sich mit solchen Kategorisierungen von Flächen und Körpern befasst, ist die Topologie. Sie hat in den letzten Jahren auch in der Physik eine wachsende Rolle gespielt: 2016 wurde der Nobelpreis für die Anwendung topologischer Konzepte auf die Festkörperphysik vergeben. Nun zeigt sich: Topologie kann auch für die Erzeugung von Laserlicht eine entscheidende Rolle spielen. Durch eine Kooperation der TU Wien mit Forschungsteams aus den USA wurde ein spezieller Laser entwickelt, der Lichtstrahlen mit charakteristischen topologischen Eigenschaften emittiert. Publiziert wurde dieser Erfolg nun im Fachjournal „Science“.
Stabil gegen Störungen
Topologische Eigenschaften sind unter anderem deshalb so interessant, weil sie relativ stabil gegenüber Störungen sind: Lassen sich gewisse physikalische Eigenschaften nur von der Tatsache ableiten, dass ein Donut eben genau ein Loch besitzt, dann spielen Details wie der äußere Umfang plötzlich keine Rolle mehr. Auch ein etwas gequetschter Donut sieht nun einmal nicht aus wie eine Semmel.
In der Physik geht es freilich nicht nur um die geometrische Form eines Objekts, sondern um seine inneren Eigenschaften – auch dabei kann man, wenn auch auf etwas abstraktere Weise, auf topologisch interessante Phänomene stoßen: „Die erlaubten Energiewerte eines Systems können zumeist nur auf ganz bestimmten Flächen liegen. Die topologische Struktur dieser Flächen bestimmt dann mitunter die Eigenschaften des ganzen Objektes“, erklärt Prof. Stefan Rotter vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien. „Das sind keine Flächen im dreidimensionalen Raum, wie wir ihn kennen, sondern im Raum der Energiewerte – aber das Prinzip bleibt dasselbe“, erklärt Alexander Schumer, der Erstautor der soeben publizierten Studie. Auch diese Flächen in abstrakten, mathematisch definierten Parameterräumen werden durch kleine Störungen bloß verformt, bewahren aber ihre topologischen Eigenschaften.
Theorie und Experiment in Zusammenarbeit
Alexander Schumer und Stefan Rotter forschen in Wien schon seit längerer Zeit mit Hilfe von Computersimulationen an den topologischen Eigenschaften von Lichtwellen. Wie man die daraus gewonnenen Erkenntnisse in der Laserphysik einsetzen kann, war Gegenstand von Alexander Schumers Doktorarbeit. Über ein von der EU gefördertes Projekt verbrachte er mehrere Monate in Kalifornien und Florida, wo die Forschungsergebnisse gemeinsam mit den dortigen Forschungsgruppen auch im Experiment umgesetzt wurden.
Der nun realisierte Laser besteht aus zwei dicht beieinanderliegenden Licht-Bahnen. Entlang dieser Bahnen kann sich das Licht ausbreiten, an ihren Enden wird es reflektiert. Während des Hin- und Herlaufens kann das Licht von einer Licht-Bahn auf die andere wechseln, es kann durch Energiezufuhr von außen verstärkt oder auch abgeschwächt werden.
„So gelang es, einen Laser zu bauen, dessen Energien einer topologisch nicht trivialen Schleife folgen“, sagt Alexander Schumer. Im gewöhnlichen dreidimensionalen Raum betrachtet geht das Licht einfach vor und zurück. Stellt man hingegen den Weg, den das Licht im Laser zurücklegt, im Raum der möglichen Energiewerte dar, dann zeigt sich: Die Energie beschreibt eine Schleife rund um einen sogenannten „Ausnahmepunkt“ – dieser Punkt erfüllt sozusagen die Funktion des Donutlochs, aber im Energieraum.
„Diese topologische Schleife im Energieraum mag abstrakt und belanglos wirken, hat jedoch für das Licht im Laser eine entscheidende Auswirkung: die Energie des Lichts kehrt bei der Umrundung des Ausnahmepunkts nicht zu ihrem Ausgangspunkt zurück, sondern zu einem anderen Punkt – ähnlich wie eine Bahn auf einem Möbius-Band“, erklärt Alexander Schumer.
Wenn man nun beide Seiten des Lasers leuchten lässt, werden genau diese beiden unterschiedlichen Endpunkte der Bahn um den Ausnahmepunkt sichtbar: die zwei Lichtstrahlen, die vom Laser in die entgegengesetzte Richtung emittiert werden, weisen den charakteristischen Unterschied auf, dass sie sich auf einer Seite im Zentrum verstärken, auf der anderen Seite hingegen auslöschen. „Das ist eine direkte Konsequenz der topologischen Eigenschaften“, betont Alexander Schumer.
„Damit haben wir gezeigt, wie man diese topologischen Konzepte auch in der Laserphysik zugänglich machen kann, ohne auf photonische Gitter oder Kristallstrukturen zurückgreifen zu müssen“, sagt Stefan Rotter. „Das könnte, ähnlich wie in der Festkörperphysik, zu wichtigen neuen Anwendungsmöglichkeiten führen. Man könnte damit möglicherweise besonders robuste, starke Laser bauen, in denen man über einen langen Pfad hinweg das Licht verstärken kann.“
Dieses Projekt wurde in Zusammenarbeit mit den Forschungsgruppen von Prof. Mercedeh Khajavikhan (University of Southern California; Ming Hsieh Department of Electrical Engineering; Los Angeles), Prof. Patrick LiKamWa und Prof. Demetrios Christodoulides (beide: University of Central Florida; College of Optics and Photonics; Orlando) durchgeführt.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Stefan Rotter
Institut für Theoretische Physik
Technische Universität Wien
+43 1 58801 13618
stefan.rotter@tuwien.ac.at
Dipl.-Ing. Alexander Schumer
Institut für Theoretische Physik
Technische Universität Wien
+43 1 58801 13606
alexander.schumer@tuwien.ac.at
Originalpublikation:
A. Schumer et al., Topological Modes in a Laser Cavity via Exceptional State Transfer, Science (2021), DOI: 10.1126/science.abl6571
https://www.tuwien.at/tu-wien/aktuelles/news/news/donuts-und-laserstrahlen
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