Ein langsam rotierender Neutronenstern

Künstlerische Darstellung des neuentdeckten Neutronensterns PSR J0901-4046 mit 76 Sekunden Pulsperiode (magentafarben dargestellt) im Vergleich zu schneller rotierenden Pulsaren.
Daniëlle Futselaar (artsource.nl)

Ein internationales Team von Wissenschaftlern, darunter auch Astronomen des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn, hat einen ungewöhnlichen Neutronenstern entdeckt, der Radiostrahlung aussendet und sich alle 76 Sekunden um die eigene Achse dreht. Das Team, das von Mitgliedern der MeerTRAP-Gruppe („More Transients and Pulsars“) an der Universität Manchester geleitet wird, spricht von einer einzigartigen Entdeckung, da sich dieser Stern auf dem sogenannten Friedhof der Neutronensterne befindet, wo man überhaupt keine Pulsaraktivität erwartet. Die Entdeckung wurde mit dem MeerKAT-Radioteleskop in Südafrika gemacht.

Die Quelle wurde zunächst vom ERC-finanzierten MeerTRAP-Team entdeckt, bei gemeinsamen Beobachtungen einer Himmelsregion, die von einem anderen Team, ThunderKAT, geleitet wurden. Beide Forscherteams, MeerTRAP und ThunderKAT, arbeiteten daraufhin eng zusammen, um den Ursprung der Quelle zu enträtseln. Es war ihnen möglich, die Pulsationen mit Hilfe von 8-Sekunden-Bilder des Himmels zu bestätigen und die genaue Position der Quelle zu bestimmen, woraufhin detaillierte und empfindlichere Folgebeobachtungen durchgeführt werden konnten.

Neutronensterne sind extrem dichte Überreste von einer Supernova-Explosion eines massereichen Sterns. Derzeit sind den Wissenschaftlern etwa 3000 dieser Sterne in unserer Milchstraße bekannt. Der neu entdeckte Stern ist jedoch anders als die bisher gefundenen Neutronensterne. Das Team geht davon aus, dass er zu der bisher nur theoretisch postulierten Klasse von ultralanglebigen Magnetaren mit extrem starken Magnetfeldern gehören könnte.

Dr. Manisha Caleb, vormals Universität Manchester und jetzt an der Universität von Sydney, die das Forschungsprojekt leitete, sagt: „Es ist erstaunlich, dass wir von dieser Quelle nur während 0,5 % ihrer Rotationsperiode Radioemission feststellen können. Das bedeutet, dass es ein großer Zufall ist, dass sich der Radiostrahl mit der Erde kreuzt. Es ist daher wahrscheinlich, dass es in der Galaxis noch viel mehr solcher sehr langsam rotierenden Quellen gibt. Das hat wichtige Auswirkungen auf die Entstehung und das Altern von Neutronensternen.“

„Die meisten Pulsardurchmusterungen suchen nicht nach so langen Perioden, so dass wir keine Ahnung haben, wie viele dieser Quellen es insgesamt geben könnte. In diesem Fall war die Quelle hell genug, dass wir die einzelnen Pulse mit dem MeerTRAP-Instrument am MeerKAT nachweisen konnten“, ergänzt sie.

Der neu entdeckte Neutronenstern erhielt den Namen PSR J0901-4046 und weist Merkmale von Pulsaren, von (ultralangperiodischen) Magnetaren und sogar von schnellen Radiobursts auf. Während die ausgestrahlte Radioenergie auf einen Pulsar hinweist, erinnern die Pulse mit chaotischen Subpuls-Komponenten und die Polarisation der Pulse an Magnetare.

Obwohl die Spinperiode von PSR J0901-4046 mit einem Weißen Zwerg übereinstimmen könnte, sehen die Wissenschaftler keine Unterstützung für diese Annahme bei unterschiedlichen Wellenlängen. Es ist derzeit unklar, wie lange diese Quelle bereits im Radio emittiert. Sie wurde zwar in einem gut untersuchten Teil der Milchstraße entdeckt, doch wird bei Radiodurchmusterungen normalerweise nicht nach so langen Perioden oder Impulsen gesucht, die länger als ein paar Dutzend Millisekunden dauern.

„Die Radioemission dieses Neutronensterns ist anders als alles, was wir bisher gesehen haben“, erklärt Professor Ben Stappers von der Universität Manchester, der Leiter des MeerTRAP-Projekts. „Wir können ihn etwa 300 Millisekunden lang beobachten, was viel länger ist als bei den meisten anderen Neutronensternen, die Radiostrahlung aussenden. Es scheint mindestens sieben verschiedene Pulsarten zu geben, von denen einige eine stark periodische Struktur aufweisen, die als seismische Schwingungen des Neutronensterns gedeutet werden könnten. Diese Pulse könnten uns wichtige Einblicke in die Art des Emissionsmechanismus dieser Quellen geben.“

„Die Empfindlichkeit des MeerKAT-Teleskops kombiniert mit der ausgefeilten Suche im Rahmen des MeerTRAP-Projekts und der Fähigkeit, simultane Bilder des Himmels aufzunehmen, hat diese Entdeckung möglich gemacht. Selbst dann brauchte man noch die Augen eines Adlers, um zu erkennen, dass es sich um eine echte Quelle handelte, weil sie so ungewöhnlich aussah“, sagt Dr. Ian Heywood vom ThunderKAT-Team und der Universität Oxford, der an dieser Untersuchung beteiligt war.

Die Entdeckung ähnlicher Quellen ist eine große Herausforderung für die Beobachtung, was bedeutet, dass es möglicherweise eine größere unentdeckte Population von Radioquellen gibt, die darauf wartet, entdeckt zu werden. Diese neue Entdeckung erweitert die Möglichkeit der Existenz einer neuen Klasse von Radiotransienten, den ultralangperiodischen Neutronensternen, und deutet auf einen möglichen Zusammenhang mit der Entwicklung von hochmagnetisierten Neutronensternen, ultralangperiodischen Magnetaren und schnellen Radiostrahlungsausbrüchen (FRBs) hin.

Diese Entdeckung wurde in Zusammenarbeit mit Kollegen am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn gemacht. Das MPIfR hat eine hochentwickelte Rechenanlage entworfen, konstruiert und installiert, die es ermöglicht, den synthetisierten Strahl des MeerKAT-Arrays in viele hundert verschiedene Pixel zu unterteilen, die parallel analysiert werden. Dr. Ewan Barr, der diese Entwicklung leitete, erklärt: „Interferometer sind großartig, um Bilder zu machen. Mit ihnen nach Pulsaren oder schnellen Transienten zu suchen, ist nicht trivial. Unsere Hard- und Software hat MeerKAT in eine effektive Maschine zur Suche nach Pulsaren und Transienten verwandelt“. Weiwei Chen, Mitautor der Studie, stimmt dem zu: „Es ist großartig zu sehen, wie unsere Arbeit sich mit MeerTRAP ergänzt und wie unsere Kollegen es optimal nutzen.“

Prof. Michael Kramer, Direktor am MPIfR und Leiter der Forschungsabteilung „Radioastronomische Fundamentalphysik“, fasst zusammen: „Wir sind glücklich, Teil dieser sehr spannenden Entdeckung zu sein. Sie sagt uns viel über die Beziehung zwischen Pulsaren und Magnetaren, und sie war möglich, weil MeerTRAP in hervorragender Weise Synergien zwischen Bildgebung und Pulsarsuche mit dem MeerKAT-Teleskop schafft. Ich frage mich, wie viele außergewöhnliche Pulsare es noch gibt, die auf ihre Entdeckung warten!“

Zusätzliche Informationen

Das Projekt MeerTRAP wird vom Europäischen Forschungsrat (ERC) im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizont 2020 der Europäischen Union (Forschungsgrant Nr. 694745) finanziert. Es arbeitet eng mit dem Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) zusammen und nutzt die vom MPIfR und der Max-Planck-Gesellschaft finanzierte und am MeerKAT-Teleskop installierte Strahlformungs- und Verarbeitungsinfrastruktur.

Das MeerKAT-Teleskop wird vom South African Radio Astronomy Observatory (SARAO) betrieben, einer Einrichtung der National Research Foundation, einer Agentur des Department of Science and Innovation (DSI).

ThunderKAT wird gemeinsam von den Universitäten Kapstadt und Oxford geleitet.

Drei der Autoren, Ewan Barr, Weiwei Chen und Michael Kramer, sind Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Michael Kramer
Direktor und Leiter der Forschungsabteilung “Radioastronomische Fundamentalphysik“
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn.
Fon: +49 228 525-278
E-mail: mkramer@mpifr-bonn.mpg.de

Dr. Ewan Barr
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn
Fon: +49 228 525-535
E-mail: ebarr@mpifr-bonn.mpg.de

Dr. Weiwei Chen
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn
Fon: +49 228 525-152
E-mail: wchen@mpifr-bonn.mpg.de

Originalpublikation:

M. Caleb et al: Discovery of a radio-emitting neutron star with an ultra-long spin period of 76 s, 2022, Nature Astronomy, 30. Mai 2022 (DOI: 10.1038/s41550-022-01688-x).

https://www.nature.com/articles/s41550-022-01688-x

Weitere Informationen:

https://www.mpifr-bonn.mpg.de/pressemeldungen/2022/9

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Norbert Junkes Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Radioastronomie

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