Ein neuer Blick auf Unordnung in Supraleitern

Im Cuprat-Supraleiter La1.83Sr0.17CuO4 übernimmt das Interlayer-Tunnelling die räumliche Unordnung, die mithilfe des isolierten Josephson-Echos in der winkelaufgelösten zweidimensionalen Terahertz-Spektroskopie gemessen werden kann.
(c) Jörg Harms, MPSD

Ein Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie (MPSD) in Deutschland und des Brookhaven National Laboratory in den USA hat eine neue Methode zur Untersuchung von Unordnung in Supraleitern mithilfe von Terahertz-Lichtimpulsen demonstriert. Durch die Anpassung von Methoden aus der Kernspinresonanz an die Terahertz-Spektroskopie war das Team in der Lage, erstmals die Entwicklung der Unordnung in den Transporteigenschaften bis zur Supraleitungsübergangstemperatur zu verfolgen. Die Arbeit der Cavalleri-Gruppe wurde in Nature Physics veröffentlicht.

Die Bedeutung von Unordnung in der Physik wird nur durch die Schwierigkeit, sie zu messen, übertroffen. Zum Beispiel werden die bemerkenswerten Eigenschaften von Hochtemperatursupraleitern stark von Variationen in der chemischen Zusammensetzung des Festkörpers beeinflusst. Techniken, die Messungen solcher Unordnung und ihrer Auswirkungen auf die elektronischen Eigenschaften ermöglichen, wie z. B. die Rastertunnelmikroskopie, funktionieren nur bei sehr niedrigen Temperaturen und sind für diese Physik in der Nähe der Übergangstemperatur blind.

Supraleitung, ein Quantenphänomen, das es ermöglicht, dass elektrischer Strom ohne Widerstand fließt, gehört zu den bedeutendsten Phänomenen in der Festkörperphysik aufgrund seiner bahnbrechenden technologischen Auswirkungen. Viele Materialien, die bei sogenannten ‚hohen Temperaturen‘ (etwa -170 °C) supraleitend werden, wie die bekannten Kuprat-Supraleiter, erlangen ihre bemerkenswerten Eigenschaften durch chemische Dotierung, die gleichzeitig Unordnung hervorruft. Der genaue Einfluss dieser chemischen Variationen auf ihre supraleitenden Eigenschaften ist bisher jedoch nicht bekannt.

In Supraleitern und Festkörpersystemen im Allgemeinen wird Unordnung typischerweise mit Experimenten untersucht, die eine präzise räumliche Auflösung erfordern, beispielsweise durch den Einsatz extrem scharfer Metallspitzen. Die Empfindlichkeit dieser Experimente beschränkt ihre Anwendung jedoch auf flüssige Heliumtemperaturen, weit unterhalb des Supraleitungsübergangs, was die Untersuchung vieler grundlegender Fragen im Zusammenhang mit dem Wechselspiel der Unordnung und der Supraleitung am Phasenübergang verhindert.

Ausgehend von Multidimensional-Spektroskopie-Verfahren, die ursprünglich für die Kernspinresonanz konzipiert und später in der Chemie zur Untersuchung molekularer und biologischer Systeme auf sichtbare und ultraviolette Frequenzen angewendet wurden, passten die MPSD-Forschenden die Verfahren an den Terahertz-Frequenzbereich an, um so die kollektiven Moden von Festkörpern zu untersuchen. Diese Techniken basieren auf der Anregung eines Materials mit aufeinanderfolgenden, intensiven Terahertz-Impulsen, typischerweise in einer kollinearen Geometrie, bei der die Lichtpulse in die gleiche Richtung laufen. Um den Kuprat-Supraleiter, La₁.₈₃Sr₀.₁₇CuO₄ — ein undurchsichtiges Material, das nur wenig Licht durchlässt — zu untersuchen, erweiterte das Team das konventionelle Schema, indem es die zweidimensionale Terahertz-Spektroskoopie (2DTS) erstmalig in einer nicht-kollinearen Geometrie anwendete. Dies ermöglichte es den Forschenden, spezifische Terahertz-Nichtlinearitäten anhand ihrer Emissionsrichtung zu isolieren.

Mit dieser winkelaufgelösten 2DTS-Technik beobachteten die Wissenschafter*innen, dass der supraleitende Transport im Kuprat nach der Anregung durch die Terahertz-Impulse wiederhergestellt wurde, ein Phänomen, das sie „Josephson-Echos“ nannten. Überraschenderweise zeigten diese Josephson-Echos, dass die Unordnung im supraleitenden Transport deutlich geringer war als die entsprechende Unordnung, die durch räumlich aufgelöste Techniken, wie z. B. Rastermikroskopie-Experimente, gemessen wurde. Darüber hinaus ermöglichte die Vielseitigkeit der winkelaufgelösten 2DTS-Technik die erste Messung der Unordnung in der Nähe der Supraleitungsübergangstemperatur. Das Team stellte fest, dass diese bis zu 70 % der Übergangstemperatur stabil blieb.

Laut den Forschenden vertiefen die Experimente nicht nur das Verständnis der rätselhaften Eigenschaften von Kuprat-Supraleitern, sondern eröffnen auch viele spannende zukünftige Richtungen. Neben der Anwendung der winkelaufgelösten 2DTS auf andere Supraleiter und Quantenmaterialien im weiteren Sinne macht die ultraschnelle Natur der 2DTS sie auch auf transiente Materiezustände anwendbar, die für konventionelle Unordnungsuntersuchungen zu kurzlebig sind.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Albert Liu, Erstautor: albert.liu@mpsd.mpg.de

Originalpublikation:

https://www.nature.com/articles/s41567-024-02643-5

Weitere Informationen:

https://www.mpsd.mpg.de/907765/2024-09-2Dspectroscopy-liu

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