Elektrisch verstellbare Mikrolinsen-Objektive
Forschende der Universität Stuttgart entwickeln ein Metaobjektiv, dessen Brennweite auf Knopfdruck verstellbar ist.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Stuttgart präsentieren in der neuesten Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Communications ein elektrisch schaltbares Metaobjektiv. Es besteht aus zwei Metalinsen, die unabhängig voneinander schaltbar sind. Auf diese Weise sind mehrere Kombinationen möglich, die verschiedene Brennweiten ergeben. Objektive dieser Bauart könnten zukünftig in einem flachen Smartphone verwendet werden, ohne weitere mechanische Bauteile oder einen komplizierten, störanfälligen Mechanismus.
Bei herkömmlichen Smartphones ist zoomen meist nur digital möglich, indem man eine Szene mit zwei Fingern aufzieht. Doch das Ergebnis ist oft nicht zufriedenstellend. Das Bild wird nur vergrößert, zu sehen sind grobe Pixel. Um Fotos von höherer Qualität zu erreichen, sind Smartphones der neuesten Generation deshalb oft schon mit mehr als vier Linsensysteme ausgestattet. Die Mehrfachlinsen mit verschiedenen Festbrennweiten sind vergleichbar mit den früheren Wechselobjektiven von Kleinbildkameras, die sowohl Weitwinkel- als auch Teleaufnahmen ermöglichen.
Zoomen wie bei einem optischen Objektiv
Einen ganz neuen Weg sind die Stuttgarter Physiker*innen und Chemiker*innen um Prof. Harald Gießen vom 4. Physikalischen Institut gegangen. Sie haben nach einem System gesucht, mit dem man optisch zoomen kann, wie bei einem großen optischen Objektiv. Dazu müsste jedoch die Brennweite des Objektivs veränderbar und nicht auf einen Wert fixiert sein. Man kennt das vielleicht noch: 28 mm Brennweite an einer Kleinbildkamera gehören zu einem Weitwinkelobjektiv, 50 mm hat ein sogenanntes Normalobjektiv und 135 bis 200 mm stellen ein Teleobjektiv dar. Sportreporter mit ihren großen Teleobjektiven nutzen oft Brennweiten von 500 mm und mehr.
Brennweitenverstellung per Knopfdruck
Das Team entwickelte ein Linsensystem, dessen Brennweite sich per Knopfdruck verstellen lässt. Dazu kombinierten die Forschenden sogenannte Metaoberflächen aus kleinen, weniger als 1 Mikrometer große Nanoantennen. Diese Nanoantennen sind aus einem leitfähigen Polymer hergestellt, das auf Knopfdruck durch Anlegen einer kleinen Spannung im Bereich von ± 1V seine optischen Eigenschaften drastisch verändern kann. Das Schalten, mit dem sich die Brennweite ändern lässt, geschieht in Bruchteilen einer Sekunde. Dabei wird das Polymer von einem metallischen, reflektierenden Zustand in einen dielektrischen, transparenten Zustand umgeschaltet.
Noch fehlen geeignete Materialien fürs Sichtbare
Bisher funktioniert das Objektiv erst im infraroten Wellenlängenbereich, berichtet Dr. Julian Karst, der Erstautor der Studie. Auch ist die Effizienz dieser Metaoberflächen noch nicht mit herkömmlichen Linsen vergleichbar, ein Teil des Lichtes wird noch nicht fokussiert. Für die Zukunft hofft Prof. Dr. Harald Giessen, in dessen Team die Forschungsarbeiten durchgeführt wurden, auf bessere Materialien aus der Chemie und Materialwissenschaft. Insbesondere ist die Elektronendichte zu erhöhen, damit die Linsen auch für sichtbares Licht funktionieren. Auch die Schaltzeiten müssen reduziert werden, damit Frequenzen von über 100 Hz oder sogar kHz erreicht werden können.
Originalpublikation
Julian Karst, Yohan Lee, Moritz Floess, Monika Ubl, Sabine Ludwigs, Mario Hentschel, and Harald Giessen: Electro-active metaobjective from metalenses-on-demand, Nature Communications 13, 7183 (2022). https://doi.org/10.1038/s41467-022-34494-0
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie
Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.
Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.
Neueste Beiträge
Lange angestrebte Messung des exotischen Betazerfalls in Thallium
… hilft bei Zeitskalenbestimmung der Sonnenentstehung. Wie lange hat eigentlich die Bildung unserer Sonne in ihrer stellaren Kinderstube gedauert? Eine internationale Kollaboration von Wissenschaftler*innen ist einer Antwort nun nähergekommen. Ihnen…
Soft Robotics: Keramik mit Feingefühl
Roboter, die Berührungen spüren und Temperaturunterschiede wahrnehmen? Ein unerwartetes Material macht das möglich. Im Empa-Labor für Hochleistungskeramik entwickeln Forschende weiche und intelligente Sensormaterialien auf der Basis von Keramik-Partikeln. Beim Wort…
Klimawandel bedroht wichtige Planktongruppen im Meer
Erwärmung und Versauerung der Ozeane stören die marinen Ökosysteme. Planktische Foraminiferen sind winzige Meeresorganismen und von zentraler Bedeutung für den Kohlenstoffkreislauf der Ozeane. Eine aktuelle Studie des Forschungszentrums CEREGE in…