Elektronen in Alkohol

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– konzertierte Bewegungen von Molekülen und Elektronen bei Terahertz-Frequenzen.

Forscher am Max-Born-Institut haben jetzt die ultraschnelle Antwort von solvatisierten Elektronen in Alkoholen bei Frequenzen im Terahertzbereich (1 THz = 1012 Hz) untersucht. Hierzu wurden Alkoholmoleküle durch einen Femtosekunden-Lichtimpuls ionisiert und die Dynamik der erzeugten Elektronen mittels eines durch die Flüssigkeit laufenden THz-Impuls verfolgt. Wie in der neuesten Ausgabe der Fachzeitschrift PNAS Nexus beschrieben, haben die Wissenschaftler einen neuen Typ von Elementaranregungen des Elektrons und seiner Abschirmwolke beobachtet, ein sogenanntes Polaron.

Lichtinduzierte Ionisation erzeugt freie Elektronen in polaren Flüssigkeiten, etwa Alkoholen. Nach seiner Erzeugung geht das Elektron auf einer ultraschnellen Zeitskala in einen lokalisierten Zustand über. Dieses sogenannte solvatisierte Elektron ist von einer Wolke von mehreren tausend Alkoholmolekülen umgeben. Bei der Lokalisierung werden gekoppelte Schwingungen des Elektrons und seiner Umgebung ausgelöst, welche bis zu 30 Pikosekunden anhalten, Terahertzwellen ausstrahlen und die elektrischen Eigenschaften der Flüssigkeit deutlich verändern.

Die Ionisation von Molekülen in einer Flüssigkeit mittels Licht ist ein fundamentaler physikalischer Prozess, der zu einem negativ geladenen Elektron und einem positiv geladenen Molekül-Ion führt. Nach seiner Freisetzung verliert das Elektron innerhalb einer Pikosekunde (1 ps = 10-12 s) fast seine gesamte Überschussenergie und lokalisiert an einem neuen Ort in der Flüssigkeit, umgeben von einer Wolke von neutralen Flüssigkeitsmolekülen. In einer polaren Flüssigkeit haben die Moleküle ein elektrisches Dipolmoment aufgrund von Partialladungen innerhalb der Molekülstruktur. In der Molekülwolke um das Elektron herum sind die Wasserstoffatome der OH-Gruppen des Alkohols auf das Elektron gerichtet und schirmen damit dessen elektrisches Feld ab. Die Abschirmwolke besteht aus mehreren tausend Alkolholmolekülen und hat einen Durchmesser von etwa 10 Nanometern (1 nm = 10 9 m). Zusammen mit seiner Abschirmwolke stellt das Elektron ein Quantensystem mit diskreten Energieniveaus dar, welches eine breite optische Absorptionsbande zeigt.

Forscher am Max-Born-Institut haben jetzt die ultraschnelle Antwort von solvatisierten Elektronen in Alkoholen bei Frequenzen im Terahertzbereich (1 THz = 1012 Hz) untersucht. Hierzu wurden Alkoholmoleküle durch einen Femtosekunden-Lichtimpuls ionisiert und die Dynamik der erzeugten Elektronen mittels eines durch die Flüssigkeit laufenden THz-Impuls verfolgt. Wie in der neuesten Ausgabe der Fachzeitschrift PNAS Nexus (https://doi.org/10.1093/pnasnexus/pgac078) beschrieben, haben die Wissenschaftler einen neuen Typ von Elementaranregungen des Elektrons und seiner Abschirmwolke beobachtet, ein sogenanntes Polaron. Kollektive Schwingungen des Elektrons und seiner Abschirmwolke bei THz-Frequenzen werden durch die ultraschnelle Lokalisierung des Elektrons hervorgerufen und dauern für eine Zeitspanne von ca. 30 Pikosekunden fort. Die Schwingungsfrequenz zwischen 0,2 und 1,5 THz wird einerseits durch die Elektronenkonzentration und andererseits durch die dielektrischen Eigenschaften des Alkohols bei THz-Frequenzen bestimmt.

Die konzertierte Bewegung des Elektrons und seiner Abschirmwolke aus polarisierten Alkoholmolekülen entspricht einer komplizierten Überlagerung von Quantenzuständen des Polarons, einem sogenannten Wellenpaket, welches die elektrischen Eigenschaften der Flüssigkeit periodisch moduliert. Aufgrund des elektrischen Dipolmoments strahlt das Quantensystem eine THz-Welle ab, welche in den Experimenten gemessen wird. Solche Polaron-Schwingungen sind in Abbildung 1 illustriert. Im Wesentlichen bestehen sie aus einer radialen Bewegung der kugelförmigen elektrischen Ladung um das Elektron herum, wie in den Teilbildern (+), (0) und (-) skizziert. Der beigefügte Film (Movie) gibt einen qualitativen Eindruck vom Geschehen in der Abschirmwolke um ein Elektron herum wieder. Auf der linken Seite werden Alkoholmoleküle mit OH-Gruppen in Rot gezeigt, deren Positionen um das solvatisierte Elektron (grüne Kugel) fluktuieren. Die räumlichen Korrelationen zwischen den schwingenden Molekülen werden nach einer räumlichen Mittelung der elektrischen Ladungsdichte sichtbar, die auf der rechten Seite gezeigt wird. Die kollektiven kugelförmigen Ladungsdichte-Schwingungen erfahren nahezu keine Dämpfung aufgrund der extrem kleinen Kopplung an andere Elementaranregungen in der Flüssigkeit.

Die von den Forschern entdeckte Polaron-Anregung ist charakteristisch für eine größere Klasse von polaren Flüssigkeiten, einschließlich Wasser. Die Frequenz der Polaron-Schwingungen kann mittels der Elektronenkonzentration in einem weiten Bereich verändert werden und ihre überraschend schwache Dämpfung erlaubt eine direkte Manipulation der zugrundeliegenden Quantendynamik, z.B. mittels einer maßgeschneiderten Folge von ultrakurzen Lichtimpulsen. Auf diese Weise werden die THz-Eigenschaften polarer Flüssigkeiten einer externen Steuerung zugänglich.

Bildunterschrift:

Chemische Strukturen von Ethylenglykol (EG), Isopropanol (IPA) und Wasser (links), zusammen mit einem Cartoon eines in Wasser solvatisierten Elektrons (rechts).
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Abb. 1. (a) Chemische Strukturen von Ethylenglykol (EG), Isopropanol (IPA) und Wasser (links), zusammen mit einem Cartoon eines in Wasser solvatisierten Elektrons (rechts). Das Elektron (blaue Wolke) zieht die Wasserstoffatome der Wassermoleküle an, was zu einer polarisierten Umgebung führt, die wiederum eine selbstkonsistente Potentialmulde für das Elektron darstellt. Zusammen mit seiner Abschirmwolke bildet das Elektron ein elementares Quantensystem.
(b) Die konzertierte Bewegung des Elektrons mit seiner Abschirmwolke von polarisierten Alkohol- oder Wassermolekülen stellt eine elementare Quantenanregung dar, das sogenannte Polaron. Im Wesentlichen ist das Polaron eine Schwingungsbewegung der kugelförmigen elektrischen Ladungsdichte um das Elektron herum, wie in den Teilbildern (+), (0) und (-) skizziert ist.
(c) Links: Typische Spektren des einfallenden THz-Impulses (rote Linie) und des durch die angeregte Flüssigkeit transmittierten THz-Impulses (blaue Linie). Die Polaron-Schwingungen führen zu einer periodischen Verschiebung der Zentralfrequenz des THz-Impulses, was im rechten Teilbild zu sehen ist. In der gezeigten Messung wurden nur 2 Elektronen pro einer Million Alkoholmolekülen in Ethylenglykol erzeugt.

Film:
Film: Links: Cartoon von fluktuierenden Alkoholmolekülen um ein solvatisiertes Elektron (grüne Kugel) herum. Das Gesamtsystem aus Abschirmwolke und Elektron verrichtet eine konzertierte Polaron-Schwingungsbewegung, d.h. eine Oszillationsbewegung der elektrischen Ladunsgdichte (Wasserstoffatome: rote Kugeln, der negative Rest des Alkohols: blaue Kugeln). Rechts: Nach einer räumlichen Mittelung der mikroskopischen Ladungsdichte kann man mühelos die kollektive kugelförmige Ladungsdichte-Schwingung erkennen. Die erfährt nahezu keine Dämpfung während der ersten 30 Pikosekunden.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie im Forschungsverbund Berlin e.V.
www.mbi-berlin.de

Prof. Dr. Thomas Elsaesser
Max Born Institute for Nonlinear Optics and Short Pulse Spectroscopy (MBI)
Email elsaesser@mbi-berlin.de
Phone +49 30 6392 1400

Dr. Michael Woerner
Max Born Institute for Nonlinear Optics and Short Pulse Spectroscopy (MBI)Email
Email woerner@mbi-berlin.de
Phone +49 6392 1470

Originalpublikation:

Original Publication:
Coherent polaron dynamics of electrons solvated in polar liquids
Poonam Singh, Jia Zhang, Ahmed Ghalgaoui, Klaus Reimann, Benjamin P. Fingerhut, Michael Woerner, Thomas Elsaesser
PNAS Nexus, Volume 1, Issue 3, July 2022,
https://doi.org/10.1093/pnasnexus/pgac078
https://academic.oup.com/pnasnexus/article/1/3/pgac078/6603821?login=true

https://mbi-berlin.de/research/highlights/details/electrons-in-alcohol-concerted…

Media Contact

Alexandra Wettstein Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie im Forschungsverbund Berlin e.V.

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