Hohe harmonische Schwingungen beleuchten atomare und elektronische Bewegungen in hBN
Laserlicht kann die Eigenschaften fester Materialien radikal verändern und sie sehr schnell supraleitend oder magnetisch machen oder in andere Zustände versetzen. Das intensive Licht bewirkt diese Veränderungen innerhalb von Millionstel Milliardstel Sekunden, indem es die Atomgitterstruktur des Materials „schüttelt“ und die Elektronen in Bewegung versetzt. Aber was genau geschieht auf dieser elementaren Ebene? Wie bewegen sich die Atome und Elektronen tatsächlich?
Jetzt hat ein Team von Theoretikern am Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie in Hamburg einen neuen Weg gefunden, um diese atomaren Bewegungen zu beleuchten. In der Fachzeitschrift PNAS beschreiben die Forscher, wie ein Laserpuls eine Lichtemission mit höheren Frequenzen aus dem Material erzeugt, die so genannten höheren Harmonischen. Dieses hochenergetische Licht bleibt jedoch nicht gleich, sondern ändert sich mit jeder Bewegung des Gitters. Durch ihre wechselnde Intensität liefern die hohen Harmonischen so „Schnappschüsse“ der Bewegungen der Atome und Elektronen zu jedem genauen Zeitpunkt.
Das Team untersuchte eine Monoschicht aus hexagonalem Bornitrid (hBN) mit einer Dicke von nur einem Atom, deren Gitter in einigen zehn Femtosekunden zu Schwingungen angeregt werden kann. Nachdem ein erster „Pump“-Laserpuls kollektive Bewegung der Atome im Material ausgelöst hat, verstärkt ein zweiter Infrarot-Laserpuls die Bewegung der Elektronen, so dass sie Licht mit neuen Frequenzen – den hohen Harmonischen – aussenden. Diese enthalten Informationen über die Gitterschwingungen (auch Phononen genannt) und geben Wissenschaftler*innen dadurch detaillierte neue Einblicke in diese atomaren Bewegungen.
Die Ergebnisse stellen einen großen Fortschritt im Verständnis der grundlegenden Veränderungen in einem festen Material dar, das von einem intensiven Laser bestrahlt wird. Der Ansatz trumpft zudem mit seiner Effizienz, denn bislang konnten diese elementaren Bewegungen nur mit weitaus fortschrittlicheren Lichtquellen beobachtet werden.
Darüber hinaus zeigten die Wissenschaftler, dass auch die Phasen des ersten Lasers die Wechselwirkung zwischen dem Licht und der hBN-Schicht beeinflussen, sobald ihre Atome zu schwingen beginnen. So können Forscher*innen bestimmen, welche Bewegung im Gitter durch welche Phase im optischen Zyklus des Lasers ausgelöst wurde – als ob sie zu bestimmten Zeitpunkten eine Stoppuhr starten würden. Das Team hat somit eine leistungsstarke spektroskopische Technik mit extremer zeitlicher Auflösung entwickelt. Mit diesem Ansatz können Gitterbewegungen bis auf eine Femtosekunde genau aufgezeichnet werden – und zwar ohne technisch weitaus aufwändigere hochenergetische Röntgenstrahlen oder Attosekundenpulse.
„Das wichtigste Ergebnis dieser Arbeit besteht darin, dass sie eine Grundlage liefert, um zu verstehen, welche Rolle Phononen in nichtlinearen Licht-Materie-Wechselwirkungen spielen“, sagt Hauptautor Ofer Neufeld aus der Theorieabteilung des MPSD. „Mit diesem Ansatz können wir die Femtosekunden-Strukturdynamik in Festkörpern untersuchen, einschließlich der Phasenübergänge, gemischten Licht-Materie-Zustände und auch der Kopplung zwischen Elektronen und Phononen.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Ofer Neufeld, Erstautor: ofer.neufeld@mpsd.mpg.de
Originalpublikation:
https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2204219119
Weitere Informationen:
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