Hunderte freischwebende Planeten in unserer Galaxie entdeckt

Künstlerische Darstellung eines Jupiter-ähnlichen Einzelgängerplaneten in einer Sternentstehungsregion. (© J.-C. Cuillandre, COSMIC-DANCe / CFHT / Gaia DPAC)

Vagabundierende Himmelskörper lassen in die Entstehung von Sternen und Planeten blicken.

Bei Beobachtungen in einer der sonnennächsten Sternentstehungsregionen entdeckte ein Team internationaler Astronom*innen die bisher größte Ansammlung freischwebender Planeten. Diese Himmelskörper kreisen um keinen Stern und sind wegen ihrer geringen Helligkeit enorm schwer zu finden. Die große Zahl der nun aufgespürten Planeten gibt Aufschluss über den Entstehungsprozess von Sternen und Planeten und stellt einen wichtigen Anhaltspunkt für künftige Forschungen dar. An der erstaunlichen Entdeckung war Núria Miret Roig vom Institut für Astrophysik der Universität Wien beteiligt. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Nature Astronomy veröffentlicht.

Einzelgänger-Planeten, kurz FFPs vom englischen free floating planets, geben der Wissenschaft seit langem Rätsel um ihre Entstehung auf. Hierbei kommen zwei Möglichkeiten in Frage: Sie entstehen entweder wie Sterne durch den Gravitationskollaps kleiner Gaswolken, oder sie bilden sich wie Planeten um Sterne, die dann jedoch von ihrem Sternsystem abgestreift werden. Bislang war es schwierig festzustellen, welcher Entstehungsmechanismus wahrscheinlicher ist, da eine große homogene Probe von FFPs fehlte. Um dieses Problem zu lösen, haben Núria Miret Roig und ihre Kolleg*innen die junge Upper Scorpius Assoziation ins Visier genommen, wo sie nach schwer fassbaren Planeten suchten. Bei Sternassoziationen handelt es sich um offene Sternhaufen, in denen die Sterne nicht mehr durch Gravitation aneinander gebunden sind.

„Es ist eine große Herausforderung, FFPs innerhalb eines Sternhaufens aufzuspüren, ähnlich der Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, erklärt Miret Roig. „Man braucht Augen, die empfindlich genug sind, um die ‚Nadeln‘ zu erkennen. Sterne sind relativ hell und leicht zu erkennen, während Planeten mehrere tausend Mal schwächer strahlen und nur mit Teleskopen mit großer Blende und empfindlichen Detektoren entdeckt werden können. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, die Planeten von der überwältigenden Anzahl von Feldsternen und Hintergrundgalaxien zu unterscheiden.“

Das Team kombinierte eine riesige Menge an Bildern aus öffentlichen, astronomischen Archiven mit neuen Weitfeldbeobachtungen, die mit den besten optischen Teleskopen der Welt aufgenommen wurden. Auf diese Weise konnten winzige Bewegungen, Farben und Helligkeiten von mehreren zehn Millionen Quellen gemessen werden. Um Sternassoziationen zu identifizieren, analysierte das Team zuerst Bewegungsmuster, da Objekte aus einer Assoziation aus der gleichen Gaswolke stammen und daher ähnliche Eigenbewegungen zeigen. Objekte, die nicht zu der Assoziation gehören, weisen hingegen zufällige Bewegungen auf. Nach der Identifikation anhand der Bewegungsmuster verfeinerte das Team die Auswahl anhand von Helligkeit und Farbe: zwei Merkmalen, die Planeten von Sternen und Galaxien unterscheiden.

Ein wichtiger Teil der für die Studie verwendeten Bilder stammt aus dem VISTA Star Formation Atlas (VISIONS), einem Projekt unter der Leitung von João Alves vom Institut für Astrophysik der Universität Wien. Darin sind im nahen Infrarotbereich alle nahen Sternentstehungskomplexe abgebildet, die von der südlichen Hemisphäre aus erkennbar sind.

Insgesamt untersuchte das Team mehr als 80.000 Weitwinkelaufnahmen, die über einen Zeitraum von zwanzig Jahren entstanden sind. Gesamt sind das etwa 100 Terabyte an Information. Das Ergebnis: 170 bislang unbekannte FFPs, die alle zur Upper Scorpius Assoziation gehören. Dies ist die größte Stichprobe von FFPs in einer einzigen Sternassoziation, zudem verdoppelten die Funde die Gesamtzahl der bisher bekannten FFPs.

„Die große Anzahl der entdeckten FFPs deutet darauf hin, dass der dynamische Auswurf von Planetensystemen ein wichtiger Mechanismus für ihre Entstehung ist, da der Kollaps von Gaswolken nicht zu so vielen FFPs führen würde. Dieses Ergebnis lässt auf relativ kurze Entstehungszeiträume von Riesenplanetensystemen im Rahmen von etwa drei bis zehn Millionen Jahren schließen“, erklärt Miret Roig.

Hervé Bouy, Leiter des europäischen Projekts COSMIC-DANCE, in das die Studie eingebettet ist, betont, dass „die identifizierten FFPs hervorragende Ziele für Folgestudien sind, insbesondere für die Untersuchung von Planetenatmosphären ohne blendenden Wirtssterns. Darüber hinaus können wir das Vorhandensein von Gas und Staub um FFPs untersuchen, um ihren Entstehungsprozess zu beleuchten.“

Wenn der Anteil der FFPs im Upper Scorpius ähnlich hoch ist wie in anderen Sternentstehungsgebieten, könnte es mehrere Milliarden Einzelgänger-Planeten in der Größe des Jupiters geben, die in der Milchstraße ohne Wirtsstern unterwegs sind. Bei erdgroßen Planeten könnte die Zahl sogar noch größer sein, da diese häufiger vorkommen als massereiche Planeten.

Diese Forschung ist Teil des ERC Consolidator-Programms COSMIC-DANCE unter der Leitung von H. Bouy (Universität Bordeaux) und ist das wichtigste Ergebnis der Doktorarbeit von N. Miret Roig.

Diese Studie war dank der umfangreichen Nutzung von Daten von ESO, NOAJ, NOAO, ING, VISIONS und der ESA-Mission Gaia möglich.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Núria Miret Roig, MSc
Institut für Astrophysik
Türkenschanzstrasse 17, 1180 Wien
nuria.miret.roig@univie.ac.at
www.univie.ac.at

Originalpublikation:

Núria Miret Roig, Hervé Bouy, Sean N. Raymond, Javier Olivares, Phillip Galli, Motohide Tamura, Emmanuel Bertin, David Barrado and Nuria Huélamo, Jean-Charles Cuillandre, Luis Manuel Sarro, Angel Berihuete: A rich population of free-floating planets in the Upper Scorpius young stellar association. In: Nature Astronomy, 2021.

DOI: 10.1038/s41550-021-01513-x

https://www.nature.com/articles/s41550-021-01513-x

https://medienportal.univie.ac.at/presse/aktuelle-pressemeldungen/detailansicht/artikel/vagabundierende-himmelskoerper-lassen-in-die-entstehung-von-sternen-und-planeten-blicken/

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Alexandra Frey Öffentlichkeitsarbeit
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