Kernfusion: Europäisches Experiment erzielt Energierekord
Am Joint European Torus (JET) in Großbritannien gelang es einem europäischen Forschungsteam, 69 Megajoule Energie aus 0,2 Milligramm Brennstoff zu erzeugen. Es handelt sich um die größte Energiemenge, die je in einem Fusionsexperiment erreicht wurde.
Fusionskraftwerke sollen nach dem Vorbild der Sonne leichte Atomkerne verschmelzen, um damit aus sehr geringen Brennstoffmengen gewaltige Energiemengen für die Menschheit nutzbar zu machen. Das europäische Forschungskonsortium EUROfusion verfolgt dabei das Konzept Magnetfusion, das unter Experten als das am weitesten fortgeschrittene gilt. Mit den Großexperimenten ASDEX Upgrade und Wendelstein 7-X treibt das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) die Forschung dafür in Deutschland voran.
Für Experimente mit dem Brennstoff späterer Kraftwerke (Deuterium und Tritium) betrieben Europas Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gemeinsam mit der britischen Atomenergiebehörde UKAEA die Forschungsanlage JET bei Oxford. Dort gelang am 3. Oktober 2023 ein neuer Weltrekord: 69 Megajoule Fusionsenergie wurden während einer 5,2 Sekunden andauernden Plasmaentladung in Form schneller Neutronen freigesetzt. 0,2 Milligramm Brennstoff waren dafür erforderlich. Für die gleiche Energiemenge hätte es etwa 2 Kilogramm Braunkohle gebraucht – also rund zehn Millionen Mal soviel. Damit steigerte JET seinen eigenen Rekord aus dem Jahr 2021 (59 Megajoule in 5 Sekunden) noch einmal.
„Dieser Weltrekord ist eigentlich ein Nebenprodukt. Er war nicht aktiv geplant, aber wir haben darauf gehofft“, erklärt IPP-Wissenschaftlerin Dr. Athina Kappatou, die bei JET als eine von neun Task Force Leaders arbeitete. „In dieser experimentellen Kampagne ging es hauptsächlich darum, die verschiedenen Bedingungen zu erreichen, die für ein späteres Kraftwerk notwendig sind, und so realistische Szenarien zu testen. Ein positiver Aspekt war aber, dass auch die Experimente von vor zwei Jahren erfolgreich reproduziert und sogar übertroffen werden konnten.“ Letzteres war bei dem Rekordexperiment der Fall. Die gesamte Kampagne ist essentiell für den späteren Betrieb der internationalen Fusionsanlage ITER, die derzeit in Südfrankreich gebaut wird sowie für das geplante europäische Demonstrationskraftwerk DEMO. Über 300 Wissenschaftler und Ingenieure von EUROfusion haben zu diesen bahnbrechenden Experimenten beigetragen.
Bei dem JET-Rekord wurde keine positive Energiebilanz erreicht – es musste also mehr Heizenergie ins Plasma investiert werden als an Fusionsenergie erzeugt werden. Tatsächlich ist ein „Energiegewinn“ physikalisch mit JET und allen anderen derzeitigen Magnetfusionsexperimenten weltweit nicht möglich. Denn für eine positive Energiebilanz müssen diese Fusionsanlagen eine bestimmte Größe überschreiten, was bei ITER der Fall sein wird.
Das Rekordexperiment (JET-Plasmaentladung Nummer 104.522) vom Herbst war eines der letzten bei JET überhaupt. Nach vier Jahrzehnten wurde der Betrieb Ende 2023 beendet.
Über das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik
Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Garching bei München und Greifswald erforscht die physikalischen Grundlagen für ein Fusionskraftwerk, das Energie aus der Verschmelzung von leichten Atomkernen gewinnen soll. Die Arbeiten des IPP sind eingebettet in das Europäische Fusionskonsortium EUROfusion. Mit rund 1100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist das IPP eines der größten Zentren für Fusionsforschung in Europa
Kontakt:
Max-Planck-Institut für Plasmaphysik
Frank Fleschner
Pressesprecher
Boltzmannstraße 2
85748 Garching b. München
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