Kühle Sterne mit starken Winden bedrohen Exoplaneten-Atmosphären
Mit Hilfe modernster numerischer Simulationen hat eine Studie unter Leitung von Forschenden des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP) die erste systematische Charakterisierung der Eigenschaften stellarer Winde in einer Stichprobe von kühlen Sternen vorgenommen. Sie fanden heraus, dass Sterne mit stärkeren Magnetfeldern stärkere Winde erzeugen. Diese Winde können ungünstige Bedingungen für das Überleben von Planetenatmosphären schaffen und damit die mögliche Bewohnbarkeit dieser Systeme beeinträchtigen.
Die Sonne gehört zu den am häufigsten vorkommenden Sternen im Universum, die als „kühle Sterne“ bezeichnet werden. Diese Sterne werden in vier Kategorien unterteilt (Typ F, G, K und M), die sich in Größe, Temperatur und Helligkeit unterscheiden. Die Sonne ist ein ziemlich durchschnittlicher Stern und gehört zur Kategorie G. Sterne, die heller und größer als die Sonne sind, gehören zur Kategorie F, und K-Sterne sind etwas kleiner und kühler als die Sonne. Die kleinsten und schwächsten Sterne sind die M-Sterne, die aufgrund der Farbe, in der sie das meiste Licht aussenden, auch als „rote Zwerge“ bezeichnet werden.
Satelliten-Beobachtungen haben gezeigt, dass die Sonne neben Licht auch einen anhaltenden Strom von Teilchen aussendet, der als Sonnenwind bekannt ist. Diese Winde durchqueren den interplanetaren Raum und interagieren mit den Planeten des Sonnensystems, einschließlich der Erde. Das wunderschöne Schauspiel der Polarlichter in der Nähe der Pole wird durch diese Wechselwirkung erzeugt. Diese Winde können jedoch auch schädlich sein, da sie eine stabile Planetenatmosphäre zerstören können, wie es auf dem Mars der Fall war. Während über den Sonnenwind viel bekannt ist – unter anderem dank Missionen wie Solar Orbiter –, gilt dies nicht für andere kühle Sterne. Das Problem besteht darin, dass wir diese Sternwinde nicht direkt sehen können, so dass wir uns auf die Untersuchung ihres Einflusses auf das dünne Gas beschränken müssen, das den Raum zwischen den Sternen in der Galaxie füllt. Dieser Ansatz hat jedoch mehrere Einschränkungen und ist nur auf einige wenige Sterne anwendbar. Aus diesem Grund werden Computersimulationen und Modelle eingesetzt, um die verschiedenen Eigenschaften der Sternwinde vorherzusagen, ohne dass Astronominnen und Astronomen sie beobachten müssen.
In diesem Zusammenhang haben die Doktorandin Judy Chebly, der Wissenschaftler Dr. Julián D. Alvarado-Gómez und die Abteilungsleiterin Prof. Dr. Katja Poppenhäger aus der Abteilung Sternphysik und Exoplaneten am AIP in Zusammenarbeit mit Cecilia Garraffo vom Center for Astrophysics am Harvard & Smithsonian die erste systematische Studie der Eigenschaften von Sternwinden erstellt, die für F-, G-, K- und M-Sterne erwartet werden. Die numerischen Simulationen wurden mit den Supercomputern des AIP und des Leibniz-Rechenzentrums (LRZ) durchgeführt, wobei eines der anspruchsvollsten derzeit verfügbaren Modelle verwendet wurde.
Das Team untersuchte, wie sich die Eigenschaften der Sterne, wie Schwerkraft, Magnetfeldstärke und Rotationsdauer, auf die Windeigenschaften in Form von Geschwindigkeit oder Dichte auswirken.
Die Ergebnisse umfassen eine vollständige Charakterisierung der Eigenschaften des Sternwinds über alle Sterntypen hinweg, und zeigen, dass frühere Annahmen zu den Sternwindgeschwindigkeiten überdacht werden müssen, wenn die damit verbundenen Massenverluste aus Beobachtungen geschätzt werden. Darüber hinaus ermöglichen die Simulationen die Vorhersage der erwarteten Größe der Alfvén-Oberfläche – der Grenze zwischen der Korona des Sterns und seinem Sternwind. Diese Informationen sind von grundlegender Bedeutung, um festzustellen, ob ein Planetensystem möglicherweise starken magnetischen Stern-Planeten-Wechselwirkungen ausgesetzt ist, die auftreten können, wenn die Planetenbahn in die Alfvén-Oberfläche des Sterns eintritt oder vollständig darin eingebettet ist.
Ihre Ergebnisse zeigen, dass Sterne mit Magnetfeldern, die größer sind als die der Sonne, schnellere Winde haben. In einigen Fällen können die Sternwindgeschwindigkeiten bis zu fünfmal schneller sein als die durchschnittliche Sonnenwindgeschwindigkeit, die typischerweise 450 km/s beträgt. Im Rahmen der Untersuchung wurde ermittelt, wie stark die Winde dieser Sterne in den so genannten „habitablen Zonen“ sind, d. h. in den Entfernungen, in denen felsige Exoplaneten bei einem erdähnlichen atmosphärischen Druck flüssiges Wasser an der Oberfläche haben könnten. In der Nähe von Sternen des F- und G-Typs herrschen mildere Bedingungen, vergleichbar mit denen, die die Erde in der Nähe der G-Typ-Sonne vorfindet, während die Winde bei Sternen des K- und M-Typs zunehmend schroffer werden. Solch kräftige Sternwinde wirken sich stark auf eine mögliche Atmosphäre des Planeten aus.
Dieses Phänomen ist in der Sonnenphysik zwischen Gesteinsplaneten und der Sonne gut dokumentiert, aber nicht im Fall von Exoplaneten-Systemen. Dies erfordert Schätzungen des Sternwindes, um ähnliche Prozesse zu bewerten, wie wir sie zwischen dem Sonnenwind und den Planetenatmosphären beobachten. Informationen über den Sternwind waren bisher für Hauptreihen-Sterne der Klassen F bis M nicht bekannt, was diese Studie im Zusammenhang mit der Habitabilität wichtig macht. Die hier vorgestellte Arbeit wurde für 21 Sterne durchgeführt, aber die Ergebnisse sind allgemein genug, um auf andere kühle Hauptreihensterne angewendet zu werden. Diese Untersuchung ebnet den Weg für künftige Forschungen zur Beobachtung von Sternwinden und deren Einfluss auf die Erosion von Planetenatmosphären.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Judy Chebly, 0331 7499 270, jchebly@aip.de
Dr. Julián Alvarado-Gómez, 0331 7499 533, julian.alvarado-gomez@aip.de
Prof. Dr. Katja Poppenhäger, 0331 7499 521, kpoppenhaeger@aip.de
Dr. Cecilia Garraffo, cgarraffo@cfa.harvard.edu
Originalpublikation:
Judy J Chebly, Julián D Alvarado-Gómez, Katja Poppenhäger, Cecilia Garraffo, Numerical quantification of the wind properties of cool main sequence stars, Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, Volume 524, Issue 4, October 2023, Pages 5060–5079.
DOI: https://doi.org/10.1093/mnras/stad2100
Weitere Informationen:
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie
Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.
Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.
Neueste Beiträge
Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen
An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…
Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean
20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….
Resistente Bakterien in der Ostsee
Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…