Kühlung einzelner Ionen über gekoppelte Schwingkreise
Mitglieder der Gruppe um Sven Sturm in der Abteilung von Klaus Blaum am MPIK präsentieren eine neuartige Technik, mit der man beliebige Ionen durch Kopplung an ein direkt lasergekühltes Ion in einer separaten Penningfalle effizient kühlen kann. Die Ergebnisse zeigen, wie ein gemeinsamer Schwingkreis die Kopplung drastisch verbessern kann und eröffnen die Perspektive, beliebige Ionen in Penningfallen auf einige Millikelvin zu kühlen.
In Penningfallen können Ionen mittels magnetischer und elektrischer Felder im freien Raum prinzipiell unendlich lang gespeichert werden. Dies ist eine ideale Umgebung für Präzisionsmessungen fundamentaler Eigenschaften wie der Massen von Protonen und Elektronen oder ihrer magnetischen Momente. Sogar ein einzelnes gefangenes Ion kann entweder durch Wechselwirkung mit einem Laserstrahl „gesehen“ oder durch Aufzeichen der winzigen Ströme, die seine Bewegung in den Fallenelektroden induziert, ähnlich einem Mikrofon „gehört“ werden.
Obwohl das Ion im Inneren einer Falle gut von äußeren Störeinflüssen isoliert ist, begrenzt die thermische Bewegung des Ions die Genauigkeit der Messungen. Daher ist es für weitere Fortschritte in der Präzision unerlässlich, das Ion so weit wie möglich abzukühlen. Eine leistungsfähige Methode dafür ist Laserkühlung, die jedoch auf nur wenige Ionenspezies beschränkt ist, die geeignete elektronische Übergänge aufweisen, die vom Laserlicht angesprochen werden können. Aber dieses Problem lässt sich umgehen: man kann ein beliebiges Ion durch Wechselwirkung mit einem anderen Ion, das für Laserkühlung geeignet ist, sympathetisch kühlen. Die sympathetische Kühlung beruht auf der natürlichen Coulombkraft. Leider beeinträchtigt das die Präzision, da die starke elektrostatische Abstoßung zwischen den Ionen deren Bewegung verändert.
Schon vor Jahrzehnten schlugen die Wissenschaftler Heinzen und Wineland vor, alternativ die Ionen über die winzigen Ströme zu koppeln, die sie in den Fallenelektroden induzieren. Gruppenleiter Sven Sturm nennt ein anschauliches Beispiel: „Es ist so, wie wenn zwei Kinderschaukeln durch eine Feder lose gekoppelt sind; die Energie pendelt in diesem Aufbau langsam zwischen den Ionen. Wird die eine Schaukel verlangsamt, wird nach einiger Zeit auch die andere langsamer und kommt schließlich zum Stillstand“. Während die Abkühlung eines Ions auch die Temperatur seines Partners verringert, können die präzisionseinschränkenden Nebenwirkungen einer starken Abstoßung vermieden werden. Allerdings sorgen die von den Ionen induzierten winzigen Spannungen für eine sehr schwache Kopplung und damit für eine sehr langsame sympathische Kühlung.
Über Schwungmasse gekoppelte Schaukeln
Die von dem MPIK-Team vorgeschlagene neue Methode basiert auf der Idee, die Kopplungsstärke über einen zusätzlichen Schwingkreis resonant zu verstärken. Sven Sturm erklärt den Effekt anhand des obigen Bildes: „Es ist so, als würde man in der Mitte der Feder, die die beiden Kinderschaukeln verbindet, ein schwingendes Gewicht anbringen. Wenn die Schwingungsfrequenzen der Ionen (Kinder) ähnlich wie die des Resonators sind, beginnt der Resonator (die Schwungmasse) ebenfalls zu schwingen und verstärkt so die Kopplung drastisch. Sobald die Ionen jedoch kälter werden als der Resonator, beginnt dieser zu heizen und begrenzt die erreichbare Temperatur.“
Die Physikerinnen und Physiker wählten eine optimierte Verstimmung der Frequenz der Ionen gegenüber dem Resonator, um das Heizen zu kontrollieren und gleichzeitig eine starke Kopplung zu erhalten. Sie koppelten zwei hochgeladene Ionen über einen gemeinsamen Resonator und maßen ihre Kopplungsstärke. Im Vergleich zu einer gewöhnlichen Penningfalle gewannen sie durch den Einsatz des zusätzlichen gekoppelten Resonators einen Faktor 760 an Kopplungsstärke. „Genauso wie man eine der gekoppelten Schaukeln nicht durch plötzliches Anhalten der anderen mit festem Griff abbremsen kann, sondern durch kontinuierliches Abbremsen, sollte man den stark kühlenden Laser nur alle paar Millisekunden kurzzeitig einschalten“, folgert Erstautor Bingsheng Tu. „So lässt sich effiziente sympathische Kühlung für fast jedes beliebige Ion erreichen.“
In Zukunft könnte diese neue Technik den Weg zu neuen und faszinierenden Messungen ebnen, die es den Wissenschaftlern erlauben, das Bild von neuen Phänomenen in der Physik zu schärfen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Sven Sturm
Tel.: +49 6221 516-447
E-Mail: sven.sturm@mpi-hd.mpg.de
Dr. Bingsheng Tu
Tel.: +49 6221 516-289
E-Mail: bingsheng.tu@mpi-hd.mpg.de
Originalpublikation:
Tank-Circuit Assisted Coupling Method for Sympathetic Laser Cooling
Bingsheng Tu, Felix Hahne, Ioanna Arapoglou, Alexander Egl, Fabian Heiße, Martin Höcker, Charlotte König, Jonathan Morgner, Tim Sailer, Andreas Weigel, Robert Wolf, and Sven Sturm
Adv. Quantum Technol. 2021, 2100029, DOI: 10.1002/qute.202100029
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie
Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.
Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.
Neueste Beiträge
Spitzenforschung in der Bioprozesstechnik
Das IMC Krems University of Applied Sciences (IMC Krems) hat sich im Bereich Bioprocess Engineering (Bioprozess- oder Prozesstechnik) als Institution mit herausragender Expertise im Bereich Fermentationstechnologie etabliert. Unter der Leitung…
Datensammler am Meeresgrund
Neuer Messknoten vor Boknis Eck wurde heute installiert. In der Eckernförder Bucht, knapp zwei Kilometer vor der Küste, befindet sich eine der ältesten marinen Zeitserienstationen weltweit: Boknis Eck. Seit 1957…
Rotorblätter für Mega-Windkraftanlagen optimiert
Ein internationales Forschungsteam an der Fachhochschule (FH) Kiel hat die aerodynamischen Profile von Rotorblättern von Mega-Windkraftanlagen optimiert. Hierfür analysierte das Team den Übergangsbereich von Rotorblättern direkt an der Rotornabe, der…