Laserpulse: Dirigenten für Protonen

Laserphysiker dirigieren mit Licht Atome in Molekülen: Ein Laserpuls trifft auf ein Kohlenstoffmolekül, löst von dessen einem Ende ein Wasserstoffatom, das dann am anderen Ende wieder andockt. Bild: Alexander Gelin

Im Mikrokosmos kann Licht das Spiel der Atome und Moleküle dirigieren. Der Mensch schafft es, in dieses Spiel einzugreifen. Forscher des Labors für Attosekundenphysik (LAP) des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik (MPQ) und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und des Departments für Chemie der LMU haben mit Licht Kohlenwasserstoffe umgebaut.

Dazu lösten sie mit ultrakurzen Laserpulsen eines der äußeren Wasserstoffatome an einem Kohlenwasserstoffmolekül und dirigierten es anschließend auf die gegenüberliegende Seite. Dort dockte das Proton wieder an. Die Methode hat das Potential, in Zukunft neue Stoffe mit Hilfe von Licht zu synthetisieren.

Alles passiert unvorstellbar schnell – innerhalb von wenigen Millionsteln einer Milliardstel Sekunde. Ein ultrakurzer Laserpuls trifft ein Acetylen-Molekül. Das symmetrisch, langgestreckte Kohlenstoffmolekül mit jeweils einem Wasserstoffatom an seinen äußeren Flanken, kommt ins Taumeln, und wird ionisiert, wodurch sich das Molekül im Laserfeld ausrichtet. Anschließend löst sich blitzschnell auf der einen Seite des Kohlenstoffs ein Wasserstoffatom, wandert auf die andere Seite des Moleküls und dockt dort an.

Die Richtung dieser Reaktion haben Forscher des Labors für Attosekundenphysik des MPQ und der LMU und des Departments für Chemie der LMU gesteuert. Die experimentellen Beobachtungen und ihr grundlegender Mechanismus wurden mittels quantenmechanischer Simulationen aus der Gruppe von Prof. de Vivie-Riedle erklärt.

Mit einem, nur wenige Femtosekunden langen, Laserpuls beeinflussten die Physiker die Schwingungen eines Acetylen Moleküls so, dass sie noch mit dem gleichen Lichtpuls das Ablösen eines bestimmten, d.h. des linken oder des rechten, Wasserstoffatoms erzwingen konnten.

Die Wanderung des Wasserstoffatoms auf die andere Seite fand dann im ionischen Zustand des Moleküls von alleine statt. Es bildet sich Vinyliden. Neben Acetylen haben die Forscher auch Allene, das ebenfalls zur Gruppe der Kohlenwasserstoffe gehört, auf diese Weise umgebaut. Sie konnten damit zeigen, dass ihre Methode auch für längerkettige Kohlenwasserstoffe funktioniert.

Bewegungen von Elektronen und Atomen sind elementare Vorgänge bei chemischen Prozessen in der Natur. Mit Lasertechnologie ist der Mensch heute schon bedingt in der Lage, auf diese Bewegungen Einfluss zu nehmen.

„Unsere Experimente haben gezeigt, dass wir nicht nur Elektronen im Mikrokosmos dirigieren können, sondern auch die rund 2000 Mal schwereren Wasserstoffatome“, erklärt Prof. Matthias Kling, der Leiter der Arbeitsgruppe Ultraschnelle Nanophotonik im LAP-Team. „Für den zugrunde liegenden Mechanismus ist in beiden Fällen die Wellennatur der kontrollierten Teilchen verantwortlich“ erläutert Prof. Regina de Vivie-Riedle.

Die Forscher haben es mit ihrem Versuch geschafft, mit Licht Materie neu zu definieren. „Wir hoffen, mit unserer Methode künftig die verschiedensten Arten von Stoffen zerlegen und neu zusammensetzen zu können“, sagt Kling. Eine solche, lichtgesteuerte Synthese von Materie könnte es künftig ermöglichen, ganz neue Stoffe zu erschaffen. Gerade in der Medizin und dem damit verbundenen Design neuer Medikamente ist diese Perspektive besonders reizvoll. Thorsten Naeser

Originalveröffentlichung:
M. Kübel, R. Siemering, C. Burger, Nora G. Kling, H. Li, A. S. Alnaser, B. Bergues, S. Zherebtsov, A. M. Azzeer, I. Ben-Itzhak, R. Moshammer, R. de Vivie-Riedle, and M. F. Kling
Steering Proton Migration in Hydrocarbons Using Intense Few-Cycle Laser Fields
Physical Review Letters 12. Mai 2016; doi: 10.1103/PhysRevLett.116.193001

Kontakt:

Prof. Dr. Matthias Kling
Ultraschnelle Nanophotonik
Labor für Attosekundenphysik
Department für Physik
Ludwig-Maximilians-Universität München
Am Coulombwall 1
Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Hans-Kopfermann-Str. 1
85748 Garching b. München
Telefon: +49 (0)89 / 32 905 -234
E-Mail: matthias.kling@mpq.mpg.de

Prof. Dr. Regina de Vivie-Riedle
Department Chemie und Biochemie
Ludwig-Maximilians-Universität München
Telefon: +49 (0)89 / 2180 -77533
Telefax: +49 (0)89 / 2180 -77133
E-Mail: regina.de_vivie@cup.uni-muenchen.de

Dr. Olivia Meyer-Streng
Presse-und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Garching b. München
Telefon: +49 (0)89 32 905 -213
E-Mail: olivia.meyer-streng@mpq.mpg.de

Media Contact

Dr. Olivia Meyer-Streng Max-Planck-Institut für Quantenoptik

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie

Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen

An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…

Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean

20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….

Resistente Bakterien in der Ostsee

Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…