Mit Rekordkälte in den Hotspot der Festkörperphysik
Elena Hassinger hat die Professur für Tieftemperaturphysik komplexer Elektronensysteme am Exzellenzcluster ct.qmat – Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien übernommen. Die Professur wurde an der TU Dresden neu eingerichtet.
Die Wissenschaftlerin ist Expertin für Festkörperphysik bei sehr tiefen Temperaturen bis 0,01 Kelvin (-273,14 °C). Sie untersucht außergewöhnliche Quantenphänomene, die nur auftreten, wenn im Labor Eiszeit herrscht. Dabei steht aktuell Cer-Rhodium-Arsen (CeRh2As2) im Mittelpunkt – ein vielversprechender unkonventioneller Supraleiter. Als Max Planck Fellow ist Hassinger stark mit dem Netzwerk DRESDEN-concept verbunden.
Unkonventionelle Supraleitung – Top-Thema in der Quantenphysik
Wo Elena Hassinger forscht, ist es kälter als im Weltraum. Der Expertin für Tieftemperaturphysik und ihren Kolleg:innen ist es im vergangenen Jahr gelungen, den unkonventionellen Supraleiter CeRh₂As₂ zu entdecken, ein Quantenmaterial, welches zwei supraleitende Zustände aufweist und über das im Fachmagazin Science berichtet wurde. Üblich ist sonst nur eine supraleitende Phase, die unterhalb einer bestimmten Sprungtemperatur auftritt und in der die Elektronen gänzlich ohne Widerstand im Material transportiert werden. Diese verlustfreie Stromleitung in Supraleitern gehört seit Jahrzehnten zu den Top-Themen in der Festkörperphysik und ist zur großen Hoffnung für die Energietechnik geworden. „Inzwischen sind die unkonventionellen Supraleiter in den Fokus intensiver Forschung gerückt, weil sie die besten Kandidaten für eine Supraleitung bei Raumtemperatur sind“, erläutert Hassinger. „Durch meine Arbeit möchte ich den Mechanismus besser verstehen, der für die Supraleitung in diesen Stoffen verantwortlich ist.“
Potenzial für die medizinische Bildgebung
In CeRh₂As₂ tritt die besondere Supraleitung unterhalb einer sehr tiefen Sprungtemperatur von 0,25 Kelvin (-272,9 °C) auf. Selbst bei Anlegen eines sehr starken Magnetfelds ist sie außerordentlich robust – was neu ist. Das Material hält ein Magnetfeld bis zu 14 Tesla aus, bevor sich der verlustfreie Stromtransport verliert. Zum Vergleich: Das Magnetfeld eines handelsüblichen Hufeisenmagneten beträgt 0,1 Tesla. Künftig könnte diese Eigenschaft zu genaueren Aufnahmen in der medizinischen Bildgebung führen. „Zurzeit werden supraleitende Materialien in der Medizin zum Beispiel in Magnetresonanztomographen verwendet. Unsere Cer-Rhodium-Arsen-Verbindung hält in der supraleitenden Phase ein viel stärkeres Magnetfeld aus als aktuelle Supraleiter. Dadurch könnte eine sehr viel genauere Auflösung erreicht werden“, so Hassinger. Gegenwärtig nutzen MRTs meist drei, in der medizinischen Forschung bis zu sieben Tesla. „Grundlagenforschung wie meine liefert zunächst ‚nur’ neue Erkenntnisse. Doch die Entdeckung neuer Materialien mit unerwarteten Eigenschaften hat den technologischen Fortschritt schon immer vorangetrieben.“
Eiszeit im Labor: Materialforschung unter extremen Bedingungen
Um seine einzigartigen Eigenschaften zu zeigen, muss der unkonventionelle Supraleiter CeRh₂As₂ also stark abgekühlt werden – auf Temperaturen kälter als im All, wo um -270 °C herrschen. „Das kann bis zu 24 Stunden dauern“, sagt Hassinger, die dafür einen Kryostaten nutzt, in dem die Gase Helium-3 und Helium-4 in einem komplexen Kreislauf zirkulieren. Damit kommt die Wissenschaftlerin dem absoluten Nullpunkt (0 Kelvin) nah: „Wir können Materialproben bis 0,01 Kelvin (= -273,14 °C) herunterkühlen. Ich möchte herausfinden, was genau bei dieser ultratiefen Temperatur im Material passiert.“
Dresden – Hotspot der Festkörperphysik
„Elena Hassinger ist eine Expertin für Materialforschung unter extremen Bedingungen, vor allem bei sehr tiefen Temperaturen und in superstarken Magnetfeldern. Wir freuen uns riesig, dass sie das Exzellenzcluster ct.qmat mit ihrer Erfahrung bereichert“, betont der Dresdner Clustersprecher Prof. Matthias Vojta, der zudem die gute Zusammenarbeit mit den vier außeruniversitären Dresdner Forschungsinstituten der Max-Planck-Gesellschaft, der Helmholtz- und Leibniz-Gemeinschaft als Kern für den Erfolg der Dresdner Festkörperphysik unterstreicht. Die regionale Forschungslandschaft hat auch Hassinger absolut überzeugt: „Dresden ist die Welthauptstadt der Festkörperphysik! Die Workshops und Konferenzen ziehen regelmäßig ein hochkarätiges internationales Fachpublikum an“, erklärt sie.
Seit Herbst 2022 besetzt Elena Hassinger die neue Professur des Exzellenzclusters, die am Institut für Festkörper- und Materialphysik der TU Dresden eingerichtet wurde. Zudem ist sie seit Kurzem Max Planck Fellow, was die bestehende partnerschaftliche Verbindung zwischen ct.qmat und dem Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe (MPI CPfS) weiter stärkt. „In diesem Umfeld zu forschen, ist einfach super“, freut sich die Physikerin. Zu den Meilensteinen ihrer wissenschaftlichen Karriere gehören die Leitung der unabhängigen Forschungsgruppe „Physik der unkonventionellen Metalle und Supraleiter“ am MPI CPfS seit 2014 sowie eine Tenure-Track-Professur von 2016 bis 2022 an der Technischen Universität München.
Exzellenzcluster ct.qmat
Das Exzellenzcluster ct.qmat – Complexity and Topology in Quantum Matter (Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien) wird seit 2019 gemeinsam von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und der TU Dresden getragen. Fast 300 Wissenschaftler:innen aus mehr als 30 Ländern und von vier Kontinenten erforschen topologische Quantenmaterialien, die unter extremen Bedingungen wie ultratiefen Temperaturen, hohem Druck oder starken Magnetfeldern überraschende Phänomene offenbaren. Das Exzellenzcluster wird im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert – als einziges bundeslandübergreifendes Cluster in Deutschland.
Kontakt:
Katja Lesser
Referentin für Wissenschaftskommunikation, Exzellenzcluster ct.qmat
Tel.: +49 351 463-33496
Email: katja.lesser@tu-dresden.de
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