‚Moiré-Metrologie‘ bildet die Interaktionen zwischen atomar dünnen Schichten ab
Wenn zwei atomar dünne Schichten eines Materials aufeinandergestapelt und leicht verdreht werden, können sie radikal unterschiedliche Eigenschaften entwickeln. Manche werden supraleitend, andere nehmen sogar magnetische oder elektronische Eigenschaften durch die Wechselwirkung der beiden Schichten an. Wissenschaftler wollen herausfinden, was genau in diesen ultradünnen Doppelschichten geschieht – und wie sich diese Veränderungen induzieren und einstellen lassen. Ein Forschungsteam aus den USA und Deutschland hat nun eine bahnbrechende Methode entwickelt, um diese Wechselwirkung abzubilden. Die Arbeit zu ihrem neuen Konzept, der „Moiré-Metrologie“, ist in Nature Communications erschienen.
Die zwei Schichten eines gestapelten und verdrehten Materials bilden eine großflächige periodische Struktur, eine sogenannte Moiré-Interferenz. Die Forscher*innen der Columbia und Harvard Universities in den USA sowie dem MPSD und der RWTH Aachen in Deutschland untersuchten die atomare Landschaft und die subtilen Eigenschaften solcher Moiré-Interferenzen, um so das Verständnis dieser Systeme zu vertiefen.
Die Moiré-Metrologie kombiniert experimentelle und theoretische Ansätze zur Erforschung solcher atomar dünnen Strukturen. Das Team wendete die Methode auf drei repräsentative verdrehte Systeme an: Zweischichtiges Graphen, doppeltes zweischichtiges Graphen und H-gestapeltes MoSe2/WSe2. Mithilfe von diversen bildgebenden Verfahren und detaillierten Modellierungen entschlüsselten die Forscher die im Moiré-Interferenz eingeprägte Materialinformation und gewannen Informationen über die Wechselwirkung zwischen den Schichten, die mit anderen Mitteln bislang nicht zu erreichen waren. Die Moiré-Metrologie ist jedoch nicht auf ein bestimmtes Materialsystem beschränkt, sondern kann im gesamten Bereich der verdrehten Doppelschichtstrukturen eingesetzt werden.
Das Herzstück der Moiré-Metrologie ist der Begriff der Relaxation. Wenn zwei atomare Schichten übereinandergelegt werden, bleiben sie nicht starr liegen. Vielmehr verhalten sie sich wie verformbare Membranen. Sie dehnen und stauchen sich auf der Suche nach stabilen Konfigurationen, basierend auf der Wechselwirkung zwischen den Schichten. Die Autoren dieser Studie demonstrieren, dass die Information über die Wechselwirkung in den feinen räumlichen Mustern eingeprägt ist, die nach der atomaren Relaxation entstehen. Sie zeigen, wie diese Information für die untersuchten Fälle extrahiert werden kann und beschreiben die Einschränkungen, die die zukünftige Modellierung dieser Systeme beeinflussen werden.
Die Moiré-Metrologie eröffnet den Zugang zu einer bisher unerreichten Präzision, um die geometrischen Interferenzmusters der Gitter der beiden Schichten verstehen. Diese Idee ähnelt der Interferenz von Licht, bei der winzige Veränderungen zwischen zwei Pfaden durch die Untersuchung des Interferenzmusters aufgelöst werden (wie es zum Beispiel beim LIGO-Experiment in bemerkenswerter Weise gelang). Bei der Moiré-Metrologie werden subatomare Verschiebungen der atomaren Position auf ein messbares, großräumiges Muster projiziert.
Zusätzlich zu den theoretischen Implikationen entwickelte das Team auch Relaxationssimulationswerkzeuge als Grundlage für die Modellierung und das Design von ungleichmäßigen Dehnungsfeldern in realistischen Systemen. Sie zeigen eine bemerkenswerte Übereinstimmung mit den experimentellen Ergebnissen.
Die experimentellen Messungen und die theoretische Modellierung wurden von Wissenschaftler*innen der Columbia University mit theoretischer Unterstützung des MPSD Hamburg, der RWTH Aachen und Harvard entwickelt und durchgeführt.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dorri Halbertal, Erstautor: dh2917@columbia.edu
Originalpublikation:
https://www.nature.com/articles/s41467-020-20428-1
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