Neuer Materialeffekt koppelt Elektrizität und Magnetismus

Prof. Andrei Pimenov im Optik-Labor<br>TU Wien<br>

Ganze Industriezweige wie die moderne Mikroelektronik beruht auf der Wechselwirkung zwischen Materie und Elektromagnetismus. In maßgeschneiderten Materialien werden elektromagnetische Signale verarbeitet und gespeichert.

Bisher hat man in der Materialwissenschaft allerdings die elektrische und die magnetische Welt weitgehend voneinander getrennt. Nun zeigt sich: Es gibt Materialien, sogenannte Multiferroika, in denen beides eng zusammenhängt. An der TU Wien wurde nun im Experiment nachgewiesen, dass sich magnetische Eigenschaften mit elektrischen Feldern beeinflussen lassen können. Für Technologien im Hochfrequenzbereich entstehen so ganz neue Möglichkeiten.

Das Beste aus beiden Welten

Dass Elektrizität und Magnetismus eng zusammengehören, ist schon seit langer Zeit klar: Wellen im freien Raum, wie sichtbares Licht oder Handysignale, haben immer sowohl eine elektrische als auch eine magnetische Komponente. Doch bei Materialeigenschaften hatten die beiden Bereiche bisher wenig miteinander zu tun: Es gibt Materialien mit magnetischer Ordnung, die auf äußere Magnetfelder reagieren, und andere Materialien mit elektrischer Ordnung, die von äußeren elektrische Feldern beeinflusst werden.

Ein gewöhnlicher Magnet hat zwar ein magnetisches Feld, aber kein elektrisches Feld. In einem piezoelektrischen Kristall hingegen kann man elektrische Felder erzeugen, aber keine magnetischen. Beides gleichzeitig schien lange unmöglich. „Die beiden Effekte entstehen normalerweise auf unterschiedliche Art“, erklärt Prof. Andrei Pimenov vom Institut für Festkörperphysik der TU Wien. „Magnetische Ordnung kommt von Elektronen, die ihre magnetischen Momente aneinander ausrichten, elektrische Ordnung kommt davon, dass positive und negative elektrische Ladungen an unterschiedlichen Orten sitzen und sich gegeneinander bewegen.“

Elektromagnonen

2006 entdeckte Andrei Pimenov – damals noch an der Universität Augsburg – Hinweise darauf, dass es in bestimmten Materialien Anregungen gibt, die sowohl auf elektrischer als auch auf magnetischer Ordnung beruhen. „Elektromagnonen“ nannte man diese Anregungen, die seither in der Materialwissenschaft heiß diskutiert werden. Nun gelang es Pimenov und seinem Team an der TU Wien, in einem Material aus Dysprosium, Mangan und Sauerstoff (DyMnO3) diese Anregungen gezielt mit einem äußeren elektrischen Feld umzuschalten.

Viele einzelne Elektronen in diesem Material richten bei niedrigen Temperaturen ihre magnetischen Momente aneinander aus: Jedes Elektron hat eine magnetische Richtung, die gegenüber der vom Nachbarn ein bisschen verdreht ist, so bilden sie gemeinsam eine Magnet-Spirale. Diese Spirale kann rechtsherum oder linksherum geführt werden – und genau das lässt sich überraschenderweise durch ein elektrisches Feld steuern und umschalten.

Schwingende Atome, wackelnde Momente

In einem magneto-elektrischen Material sind die Ladungen und magnetischen Momente der Atome miteinander verknüpft. In Dysprosium- Mangan-Oxyd ist dieser Effekt besonders stark: „Wenn die magnetischen Momente der Atome wackeln, dann bewegen auch deren elektrische Ladungen“, erklärt Andrei Pimenov. Im nun verwendeten Material sind magnetische Momente und elektrische Ladungen gleichzeitig in der Schwingung beteiligt, und so lässt sich beides beeinflussen.

Nachgewiesen wird der Effekt, indem man Terahertz-Strahlung durch das Material schickt: Bei einheitlicher magnetischer Ordnung kann das Material die Schwingungsrichtung des Terahertz-Strahls drehen. Wenn man mit einem statisches elektrisches Feld die Richtung der magnetischen Spirale ein und ausschalten kann, legt man damit also auch fest, ob das Feld der Terahertz-Strahls gedreht wird oder nicht.

Zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten zeichnen sich ab: Überall dort, wo man die Vorteile magnetischer und elektrischer Effekte kombinieren möchte, gelten solche Materialien mit Elektromagnonen-Effekt als Zukunftshoffnung. Einsätze für neuartige Verstärker, Transistoren oder Datenspeicher sind vorstellbar. Auch für Sensoren könnten solche Elektromagnonen verwendet werden.

Bilderdownload: http://www.tuwien.ac.at/dle/pr/aktuelles/downloads/2013/neuermaterialeffekt/

Originalpaper: http://prl.aps.org/abstract/PRL/v111/i22/e227201

Rückfragehinweis:
Prof. Andrei Pimenov
Institut für Festkörperphysik
Technische Universität Wien
Wiedner Hauptstraße 8-10, 1040 Wien
T: +43-1-58801-137 23
andrei.pimenov@tuwien.ac.at
Aussender:
Dr. Florian Aigner
Büro für Öffentlichkeitsarbeit
Technische Universität Wien
Operngasse 11, 1040 Wien
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Weitere Informationen:
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