Physiker*innen entwickeln ultrarobusten Zeitkristall
Einem Team der TU Dortmund ist es kürzlich gelungen, einen höchst haltbaren Zeitkristall zu erzeugen, der millionenfach länger lebt, als in vorherigen Experimenten gezeigt werden konnte. Damit liefern sie einen Beweis für ein hochinteressantes Phänomen, das der Nobelpreisträger Frank Wilczek vor rund zehn Jahren theoretisch postuliert hatte und das auch bereits Einzug in Science-Fiction-Filme gehalten hatte. Die Ergebnisse wurden in Nature Physics veröffentlicht.
Kristalle, genauer gesagt räumliche Kristalle, sind periodische Anordnungen von Atomen über große Längenskalen hinweg. Aus dieser Ordnung resultiert das faszinierende Aussehen von Kristallen mit glatten Facetten wie beispielsweise in Schmucksteinen. Da in der Physik Raum und Zeit oft auf ein und demselben Niveau behandelt werden, so etwa in der Speziellen Relativitätstheorie, postulierte der Physik-Nobelpreisträger Frank Wilczek vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) 2012, dass es neben Kristallen im Raum auch Kristalle in der Zeit geben müsste. Dafür müsse eine ihrer physikalischen Eigenschaften spontan zeitlich periodisch zu variieren beginnen, obwohl das System keine entsprechende periodische Störung erfahre.
Dr. Alex Greilich. (c) TU Dortmund
Die Möglichkeit solcher Zeitkristalle wurde wissenschaftlich einige Jahre kontrovers diskutiert, aber schnell im Kino gezeigt: So spielte ein Zeitkristall eine zentrale Rolle in dem Film „Avengers: Endgame“ von MARVEL (2019). Ab 2017 war es in der Tat gelungen, einige wenige Demonstrationen eines möglichen Zeitkristalls zu realisieren. Dabei handelte es sich jedoch um Systeme, die – anders als in der ursprünglichen Idee von Wilczek – einer zeitlichen Anregung mit einer bestimmten Periodizität unterzogen werden, dann aber mit einer anderen, doppelt so langen Periode reagieren. Ein Kristall, der zeitlich periodisches Verhalten zeigt, obwohl die Anregung zeitunabhängig, also konstant ist, konnte erst 2022 demonstriert werden in einem so genannten Bose-Einstein-Kondensat. Der Kristall lebte allerdings nur einige Millisekunden.
Millionenfach längere Lebensdauer
Nun haben die Dortmunder Physiker*innen um Dr. Alex Greilich einen speziellen Kristall aus dem Material Indiumgalliumarsenid entworfen, in dem die Kernspins als Reservoir für den Zeitkristall fungieren. Der Kristall wird kontinuierlich beleuchtet, so dass sich eine Kernspinpolarisation durch Wechselwirkung mit Elektronenspins ausbildet. Und genau diese Kernspinpolarisation bildet dann spontan Oszillationen aus, einem Zeitkristall entsprechend. Zum jetzigen Stand der Experimente beträgt seine Lebensdauer mindestens 40 Minuten, das ist zehn Millionen Mal länger als bisher gezeigt, und könnte potenziell noch sehr viel länger anhalten.
Die Periode des Kristalls kann über weite Bereiche variiert werden, indem die experimentellen Bedingungen gezielt geändert werden. Es ist aber auch möglich, in Bereiche vorzustoßen, in denen der Kristall „schmilzt“, das heißt seine Periodizität verliert. Diese sind ebenfalls interessant, da sich dann chaotisches Verhalten, das über lange Zeiten aufrechterhalten werden kann, zeigt. Damit konnten erstmalig für solche Systeme theoretische Werkzeuge angewendet werden, um deren chaotisches Verhalten zu analysieren.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Alex Greilich
Fakultät Physik
alex.greilich@tu-dortmund.de
Originalpublikation:
Media Contact
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