Quantenpräzision: Eine neue Art von Widerstand
Physikforschende der Universität Würzburg haben eine Methode entwickelt, die die Leistung von Quantenwiderstands-Normalen verbessern kann. Sie basiert auf einem Quantenphänomen namens anomaler Quanten-Hall-Effekt.
In der industriellen Produktion oder in der Elektronik ist die präzise Messung des elektrischen Widerstands unerlässlich – zum Beispiel bei der Herstellung von Hightech-Sensoren, Mikrochips und Flugsteuerungen. „Hier kommt es auf exakte Daten an, denn schon kleinste Abweichungen können diese komplexen Systeme erheblich beeinträchtigen“, erklärt Professor Charles Gould, Physiker am Institut für Topologische Isolatoren der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). „Mit unserer neuen Messmethode können wir die Robustheit von Widerstandsmessungen ohne äußeres Magnetfeld mithilfe des Quantenanomalen Hall-Effekts (QAHE) deutlich verbessern.“
Wie die neue Methode funktioniert
Der klassische Hall-Effekt dürfte vielen noch aus dem Physikunterricht bekannt sein: Wenn ein Strom durch einen Leiter fließt und dieser einem Magnetfeld ausgesetzt ist, entsteht eine Spannung – die sogenannte Hall-Spannung. Der Hall-Widerstand, den man erhält, wenn man diese Spannung durch den Strom dividiert, steigt mit zunehmender Magnetfeldstärke. In dünnen Schichten und bei ausreichend großen Magnetfeldern beginnt dieser Widerstand, diskrete Stufen mit Werten von genau h/ne2 zu entwickeln, wobei h die Planck’sche Konstante, e die Elementarladung und n eine ganze Zahl ist. Dies wird als Quanten-Hall-Effekt bezeichnet, da der Widerstand nur von den fundamentalen Naturkonstanten (h und e) abhängt, was ihn zu einem idealen Standardwiderstand macht.
Die Besonderheit des QAHE besteht darin, dass er den Quanten-Hall-Effekt bei einem Magnetfeld von Null ermöglicht. „Der Betrieb in Abwesenheit eines äußeren Magnetfeldes vereinfacht nicht nur das Experiment, sondern bietet auch einen Vorteil bei der Bestimmung einer anderen physikalischen Größe: des Kilogramms. Um das zu bestimmen, muss man gleichzeitig den elektrischen Widerstand und die Spannung messen“, sagt Gould, „aber die Messung der Spannung funktioniert nur ohne Magnetfeld, und dafür ist der QAHE ideal.“
Bislang wurde der QAHE nur bei Strömen gemessen, die für den praktischen messtechnischen Einsatz viel zu gering sind. Der Grund dafür ist ein elektrisches Feld, das den QAHE bei höheren Strömen stört. Die Würzburger Physikforschenden haben nun eine Lösung für dieses Problem entwickelt. „Wir neutralisieren das elektrische Feld mit zwei getrennten Strömen in einer Geometrie, die wir Multi-Terminal-Corbino-Device nennen“, erklärt Gould. „Mit diesem neuen Trick bleibt der Widerstand bis zu größeren Strömen auf h/e2 quantisiert, was den auf QAHE basierenden Widerstandsstandard robuster macht.“
Auf dem Weg zur praxistauglichen Anwendung
In ihrer Machbarkeitsstudie konnten die Forschenden nachweisen, dass die neue Messmethode mit der gleichen Präzision funktioniert wie die grundlegenden Gleichstromtechniken. Ihr nächstes Ziel ist es, die Praxistauglichkeit dieser Methode mit präziseren messtechnischen Mitteln zu testen. Zu diesem Zweck arbeitet die Würzburger Gruppe eng mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zusammen, die sich auf diese Art von ultrapräziser Messtechnik spezialisiert hat. Gould: „Diese Methode ist nicht auf den QAHE beschränkt. Da der herkömmliche Quanten-Hall-Effekt bei ausreichend großen Strömen ähnlichen Beschränkungen unterliegt, kann diese Methode auch bestehende messtechnische Standards für Anwendungen verbessern, bei denen noch größere Ströme von Nutzen sind.“
Gefördert wurde die Forschung wurde vom Freistaat Bayern, der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG, dem Exzellenzcluster ct.qmat (Complexity and Topology in Quantum Matter) und der Europäischen Kommission.
Zur Studie
K.M. Fijalkowski, N. Liu, M. Klement, S. Schreyeck, K. Brunner, C. Gould and L.W. Molenkamp. „A balanced quantum Hall resistor“. Nature Electronics. DOI: 10.1038/s41928-024-01156-6 [Link: https://www.nature.com/articles/s41928-024-01156-6]
Diese experimentelle Methode ist durch ein europäisches Patent mit der Nummer EP23162996.5 geschützt.: K.M. Fijalkowski and C. Gould „Quantization breakdown protection for semiconductors and in particular topological insulators.“
Exzellenzcluster ct.qmat
Das Forschungsteam ist beteiligt am Exzellenzcluster ct.qmat – Complexity and Topology in Quantum Matter (Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien). Dieses wird seit 2019 gemeinsam von der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg und der Technischen Universität (TU) Dresden getragen. Mehr als 300 Forschende aus mehr als 30 Ländern und von vier Kontinenten erforschen topologische Quantenmaterialien, die unter extremen Bedingungen überraschende Phänomene offenbaren – etwa bei ultratiefen Temperaturen, unter hohem Druck oder in starken Magnetfeldern. Das Exzellenzcluster wird im Rahmen des Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert, als einziges bundesländerübergreifendes Cluster in Deutschland.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Charles Gould, Lehrstuhl für Experimentelle Physik III, Tel. +49 931 31-85899, gould@physik.uni-wuerzburg.de
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