Quantentechnologie-Flaggschiff startet mit dreifacher Basler Beteiligung
Die Quantenphysik beschreibt das Verhalten von Materie auf mikroskopischer Skala und bildet damit die Grundlage für die grossen technologischen Revolutionen der letzten Jahrzehnte: die Computer- und Kommunikationstechnologie, der Laser und die Bildgebungsverfahren der modernen Medizin wären ohne ein Verständnis der Quantenphysik nie entwickelt worden.
Jedoch nutzen diese Technologien die Quantenphysik bisher nicht vollständig aus – diese ermöglicht nämlich radikal neue Phänomene: so können sich Teilchen in einer Überlagerung von mehreren Zuständen gleichzeitig befinden, oder zwei weit voneinander entfernte, «verschränkte» Teilchen können eine so starke Einheit bilden, dass ihre Eigenschaften nicht mehr unabhängig voneinander sind.
Auf dem Weg zur zweiten Quantenrevolution
In den letzten Jahren konnten Physiker zeigen, wie sich diese verblüffenden Phänomene nicht nur beobachten, sondern gezielt kontrollieren und für ganz neuartige Technologien nutzen lassen. Diese Quantentechnologien der zweiten Generation versprechen extrem leistungsfähige Computer, abhörsichere Kommunikation, Quantensimulatoren für die Grundlagenforschung und Pharmazie sowie äusserst präzise Sensoren für die Materialwissenschaften, Navigation und Medizintechnik.
Im Bereich der universitären Forschung zur Quantentechnologie sind die Schweiz und andere europäische Länder führend. Um auch beim Technologietransfer in die Industrie ganz vorne mitzuspielen, hat die Europäische Union das Quantentechnologie-Flaggschiff gestartet: ein Förderprogramm mit einem Gesamtvolumen von einer Milliarde Euro für zehn Jahre, das der europäischen Quantentechnologie den entscheidenden Schub hin zur Marktführerschaft geben soll. Für die erste Förderperiode von drei Jahren hatten sich insgesamt 140 internationale Konsortien aus universitären Forschungsgruppen und Industriepartnern beworben, nur 20 von ihnen haben den Zuschlag erhalten.
Erfolg für die Basler Quantenphysik
An drei Konsortien aus dem Bereich der Quantenoptik und –sensorik sind Forschende der Universität Basel massgeblich beteiligt:
Im Projekt MACQSIMAL, das von Prof. Philipp Treutlein mitbegründet wurde, werden Quantensensoren basierend auf miniaturisierten atomaren Dampfzellen entwickelt. Damit können kompakte Atomuhren und Rotationsmessgeräte, Magnetfeldsensoren, Abbildungsmethoden für Mikrowellen- und Terahertz-Felder sowie Gasdetektoren realisiert werden.
Anwendungspotenzial besitzt die Technologie unter anderem im Bereich der autonomen Navigation, der nicht-invasiven medizinischen Diagnostik oder dem Medikamentennachweis. Das Projekt ist stark in der Nordwestschweiz verankert: koordiniert wird es vom Forschungs- und Technologiezentrum CSEM, das mit seinen Standorten Neuenburg und Muttenz beteiligt ist und eng mit der Universität Basel zusammenarbeitet.
Um Sensoren geht es auch im Konsortium ASTERIQS, das die Basler Forschungsgruppe von Prof. Patrick Maletinsky mitinitiiert hat. Der Forschungsverbund befasst sich mit den Quanteneigenschaften von hochreinen Diamanten, welche als präzise Messsysteme für die Quantensensorik eingesetzt werden. Damit können hochaufgelöste Messungen von magnetischen und elektrischen Feldern sowie Temperaturen realisiert werden, welche die Basler Forscher mit einem Fokus auf Anwendungen auf der Nanometerskala verfolgen.
Die angestrebten Technologien werden Anwendungen in einem breiten Gebiet von Halbleiterelektronik über Grundlagenforschung bis zur medizinischen Diagnostik finden. Am Konsortium ist auch das Basler Spin-off Qnami als assoziierter Partner beteiligt, das sich auf die kommerzielle Verwertung der entwickelten Resultate konzentriert.
Das Projekt «Quantum Internet Alliance» (QIA) zielt auf die Entwicklung eines Quanteninternets ab, das für die Vernetzung von Quantencomputern zu leistungsfähigen Clustern ebenso wie für die abhörsichere Kommunikation über grosse Distanzen genutzt werden kann. Hier ist der theoretische Physiker Prof. Nicolas Sangouard beteiligt, der bereits zahlreiche Konzepte für die Realisierung von Quantennetzwerken vorgeschlagen hat, in denen einzelnen Lichtteilchen Information zwischen den Netzwerkknoten übertragen.
Ergebnis einer langfristigen Strategie
Der Erfolg der Physiker ist das Ergebnis einer langfristigen Strategie: «Die Universität Basel hat bereits seit Jahren einen Forschungsschwerpunkt im Bereich der Quantentechnologien aufgebaut, der international sehr hohes Ansehen geniesst», erklärt Prof. Philipp Treutlein, der auch Forschungsdekan der naturwissenschaftlichen Fakultät ist.
«Dies zeigt sich dann auch bei der erfolgreichen Einwerbung von prestigeträchtigen Drittmittelprojekten wie dem Quantentechnologie-Flaggschiff.» Die beteiligten Forscher, die dem Departement Physik und dem Swiss Nanoscience Institute (SNI) angehören, sind nun hochmotiviert ihre Forschungsergebnisse in die Praxis umzusetzen.
Prof. Dr. Philipp Treutlein, Universität Basel, Departement Physik, Tel. +41 61 207 37 66, E-Mail: philipp.treutlein@unibas.ch
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