Die Quantenwelt in Reichweite
Seit der Formulierung der Quantenmechanik möchten Wissenschaftler Quantenphänomene an makroskopischen mechanischen Schwingungssystemen beobachten.
Sie könnten daraus lernen, wie sich Systeme an der Grenze zwischen klassischer und quantenmechanischer Welt verhalten, sowie die „Theorie der Quantenmessung“ experimentell überprüfen. Allen Anstrengungen zum Trotz ließen sich die winzigen quantenphysikalisch bedingten Auslenkungen, und die thermische Bewegung eines Oszillators noch nicht direkt beobachten.
Wie ein Team um Prof. Tobias Kippenberg, Leiter der Nachwuchsgruppe „Laboratory of Photonics and Quantum Measurements“ am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) in Garching, und Tenure Track Assistant Professor an der ETH-Lausanne, in der Zeitschrift Nature Physics (Advanced Online Publication, 7. Juni 2009, DOI 10. 1038/NPHYS1304) berichtet, scheint der ultimative Quantengrundzustand eines mesoskopischen Objekts nun in Reichweite zu sein. Durch Kombination von Heliumkühlung und aufgelöster Seitenband-Laserkühlung konnten die Wissenschaftler einen Mirkoresonator so stark abkühlen, dass seine Temperatur nur noch dem 60-fachen der Quantengrundzustandsenergie entspricht. Gleichzeitig erreichten sie bei der Messung der Schwingungsamplituden eine Genauigkeit, die nur noch das etwa 100-fache der fundamentalen Heisenberggrenze beträgt.
Ein mechanisches Schwingungssystem ist für den Physiker der Inbegriff eines vielfach verwendeten Systems, des harmonischen Oszillators. Gleichzeitig aber ist es, wie z.B. eine Sprungfeder oder ein einfaches Pendel, überall im Alltag anzutreffen. Obwohl es sich im Allgemeinen klassisch verhält, sagt die Theorie der Quantenmechanik überraschende Effekte sowohl für den mechanischen Oszillator als auch für die an ihm vorgenommenen Messungen vorher. Ein solcher Oszillator – so die Theorie – ist praktisch niemals in Ruhe, sondern vollführt kleine zufällige Bewegungen um seine Gleichgewichtslage. Bei höheren Temperaturen sind diese möglicherweise auf Stöße mit Molekülen in der Umgebung, oder auf die thermische Bewegung der in ihm enthaltenen Moleküle zurückzuführen. Aber nach der Quantenmechanik kommen diese Bewegungen auch am absoluten Temperaturnullpunkt nicht zum Stillstand. Messungen der Position des Oszillators und seiner Auslenkungen stören das System und verstärken diese Fluktuationen noch. Durch diese quantenmechanische „Rückwirkung“ ist die Messgenauigkeit fundamental auf die „Heisenbergsche Unschärfegrenze“ beschränkt.
Bis heute sind diese Effekte noch nicht experimentell beobachtet worden. Ihr Nachweis ist aber der Schlüssel, um die Grenze zwischen der klassisch regulierten Welt und quantenmechanischen Systemen zu verstehen, und die Vorhersagen der Theorie der Quantenmessungen quantitativ zu bestätigen. Dabei gibt es jedoch zwei Hürden zu überwinden: zum einen muss das thermische Rauschen unterdrückt werden, zum anderen müssen die extrem kleinen Schwingungsamplituden messtechnisch erfassbar werden. Bislang experimentierten die Forscher vor allem mit Schwingungssystemen von Nanometergröße. Doch trotz deren kleiner Masse (mit der größere Quantenfluktuationen verknüpft sind) blieb die Messempfindlichkeit weit oberhalb des „Heisenberglimits“.
Tobias Kippenberg und sein Team entwickelten stattdessen optomechanische Systeme aus kleinen Glasringen mit einem Durchmesser von 0,1 Millimeter, die – bei Schwingungsfrequenzen zwischen 65 und 122 MHZ – eine extrem geringe Dämpfung aufweisen. Durch Kontakt mit Helium-Gas bei niedrigem Druck kühlten sie das System auf 1,65 Kelvin ab. Unter Verwendung der aufgelösten Seitenband-Laserkühlung1 konnten sie die Temperatur auf 200 Millikelvin erniedrigen. Dies entspricht einer Bewegungsenergie des Oszillators von 60 Schwingungsquanten und ist der bislang mit Abstand niedrigste erreichte Wert für Oszillatoren dieser Größenordnung.
Die bei dieser Temperatur extrem geringen Auslenkungen bestimmten die Wissenschaftler mit optischer Interferometrie. Indem sie sicher stellten, dass nur noch die Fluktuationen im Strom der nachgewiesenen Lichtquanten ein Hintergrundrauschen bildeten, erreichten sie – gemittelt über eine Sekunde Messzeit – eine Genauigkeit von einigen Attometern (1am=0.000000000000000001m). „Wenn wir uns die Größe der Fluktuationen anschauen, können wir auf die Störung schließen, die unsere Messung verursacht, d.h., wir können die quantenmechanische 'Rückwirkung' quantifizieren“, erklärt Albert Schließer, Doktorand am Experiment.
Mit ihren optischen Messtechniken hat die Gruppe eine Genauigkeit erzielt, die nur 100fach über dem Heisenbergschen Unschärfelimit liegt. So nah ist bisher noch kein Experiment gekommen. Auch bei der nächsten Generation von MPQ-Experimenten wird es sich darum drehen, mechanische Schwingungssysteme auf extrem tiefe Temperaturen abzukühlen und Messungen nahe am Heisenbergschen Limit durchzuführen. Damit sollen Effekte wie Quantengrundzustand und Quantenrückwirkung noch deutlicher demonstriert werden. [OM/AS]
Originalveröffentlichung:
Resolved Sideband Cooling and Position Measurement of a Micromechanical Oscillator close to the Heisenberg Uncertainty Limit.
A. Schliesser, O. Arcizet, R. Rivière, G. Anetsberger and T.J. Kippenberg
Nature Physics, DOI 10.1038/nphys1304 (2009)
Kontakt:
Prof. Dr. Tobias Kippenberg
Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Hans-Kopfermann-Straße 1
85748 Garching
Tel.: +49 – 89 / 32905 727
Fax: +49 – 89 / 32905 200
E-Mail: tobias.kippenberg@mpq.mpg.de
Albert Schließer
Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Tel.: +49 – 89 / 32905 264
Fax: +49 – 89 / 32905 200
E-Mail: albert.schliesser@mpq.mpg.de
Dr. Olivia Meyer-Streng
Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: +49 – 89 / 32905 213
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E-Mail: olivia.meyer-streng@mpq.mpg.de
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