Rasende Teilchen aus dem All – erste Belege für Neutrinos aus kosmischen Beschleunigern
Das IceCube-Experiment, ein riesiges Neutrino-Observatorium in der Antarktis, an dem die Technische Universität München (TUM) beteiligt ist, hat 28 Neutrinos beobachtet, die mit hoher Wahrscheinlichkeit von kosmischen Objekten wie Supernovae, Schwarzen Löchern, Pulsaren oder anderen extremen galaktischen Phänomenen stammen.
Aus dem Universum prasseln ständig unterschiedlichste Arten von Teilchen auf die Erdatmosphäre. Die meisten davon, wie etwa Protonen, Elektronen oder Heliumkerne haben eine gewisse Masse und sind elektrisch geladen. Wenn sie mit anderen Teilchen zusammenstoßen oder in Magnetfeldern des Kosmos, der Sonne oder der Erde abgelenkt werden, ändern sie ihre Richtung und Energie.
Anders dagegen die ladungslosen und extrem leichten Neutrinos: Sie rauschen beinahe ungestört durch alle Materie hindurch. In jeder Sekunde passieren Milliarden von Neutrinos jeden Quadratzentimeter der Erde. Die überwiegende Mehrheit dieser Elementarteilchen entstand in Zerfalls- oder Umwandlungsprozessen in der Sonne oder der Erdatmosphäre.
Weit seltener sind Neutrinos, die aus Quellen außerhalb unseres Sonnensystems stammen, vom äußeren Rand unserer Galaxie oder aus noch größerer Ferne. Solche astrophysikalischen Neutrinos sind für Physiker hochinteressant. Sie geben Einblick in die mächtigen kosmischen Objekte, von denen sie herrühren: Supernovae, schwarze Löcher, Pulsare, aktive galaktischen Kerne und andere extreme extragalaktischen Phänomene.
Nun berichten die Wissenschaftler des IceCube-Experiments, an dem auch Forscher des Exzellenzclusters Universe der TUM beteiligt sind, dass sie erstmals hochenergetische Neutrinos beobachtet haben. Die 28 Ereignisse wurden zwischen Mai 2010 und Mai 2012 gemessen. Jedes dieser Neutrinos hatte eine Energie von mehr als 50 Teraelektronenvolt (TeV). Das ist tausendmal mehr als jemals ein Neutrino in einem irdischen Beschleunigerexperiment erreicht hat.
„Dies sind die ersten Nachweise von Neutrinos von außerhalb unseres Sonnensystems“, sagt TUM-Physikerin Professor Dr. Elisa Resconi, die auch Mitglied der IceCube-Kollaboration ist. „Diese Ereignisse können weder durch andere Ursachen erklärt werden, etwa durch atmosphärische Neutrinos, noch durch andere hochenergetische Ereignisse, wie etwa Myonen, die durch Wechselwirkungen mit der kosmischen Strahlung in der Erdatmosphäre entstehen.“
Nach Hunderttausenden atmosphärischer Neutrinos sind die Forscher nun sicher endlich auch Neutrinos nachgewiesen zu haben, die ihre Erwartungen an astrophysikalische Neutrinos erfüllen und damit höchstwahrscheinlich von kosmischen Beschleunigern stammen. „Nun müssen wir klären, woher diese Neutrinos stammen und wie sie entstanden sind. Wir stehen damit erst am Anfang einer neuen Astronomie mit Neutrinos“, sagt Elisa Resconi.
IceCube ist ein ins ewige Eis des Südpols eingeschmolzenes Neutrino-Observatorium, dessen Installation im Jahr 2010 nach sieben Jahren Bauzeit abgeschlossen wurde. Mit einer Größe von einem Kubikkilometer stellt es den weltweit größten Neutrino-Detektor dar. In einer Tiefe von 1450 bis 2450 Metern sind 86 vertikale Drahtseile mit insgesamt 5160 optischen Sensoren versenkt.
IceCube beobachtet die Neutrinos mittels winziger blauer Lichtblitze, dem Cherenkov-Licht, das entsteht, wenn Neutrinos mit Eis interagieren und dabei Teilchenschauer geladener Teilchen erzeugen. Betrieben wird das Observatorium von einem internationalen Konsortium unter Leitung der University of Wisconsin, Madison (USA), an der rund 250 Wissenschaftler und Ingenieure aus USA, Deutschland, Schweden, Schweiz, Japan sowie weiteren Ländern beteiligt sind.
Publikation:
Evidence for High-Energy Extraterrestrial Neutrinos at the IceCube Detector, IceCube Collaboration, Science, 22. Nov. 2013
Kontakt:
Prof. Dr. Elisa Resconi
Technische Universität München
Fachgebiet Experimentalphysik kosmischer Partikel
Exzellenzcluster Universe
Boltzmannstr. 2, 85748 Garching, Germany
Tel.: +49 89 35831 7120 – E-Mail: elisa.resconi@tum.de
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