Raumsonden – keimfreier Start ins All

Die Wissenschaftler präparieren in ihren Reinraumlaboren regelmäßig Instrumente für Weltraum-Missionen. © Rainer Bez, Fraunhofer IPA

Weltraum-Missionen sind mit enormen Kosten und großen Risiken verbunden. Davon zeugen viele, aktuell gescheiterte Projekte. Da sich eine unbemannte Raumsonde, einmal gestartet, nicht mehr reparieren lässt, darf kein Bauteil, kein Aggregat versagen. Sonst wären alle Anstrengungen umsonst und die Wissenschaftler müssten viele Jahre auf eine Ersatzmission warten.

Verschmutzungen spielen eine wichtige Rolle. Denn Schmutz kann die Mechanik blockieren, einen Kurzschluss verursachen oder die Elektronik stören. Besonders heikel wird es, wenn eine Sonde Spuren von Leben auf einem fremden Planeten suchen soll. Genau darum geht es bei der europäischen Mars-Mission »ExoMars«, deren Start für 2018 geplant ist.

Eine Landefähre wird dann auf dem Nachbarplaneten aufsetzen und ein Gefährt von der Größe eines Smart losschicken. Damit seine Sensoren, die nach Leben suchen, zuverlässig arbeiten können, darf es kein organisches Material von der Erde einschleppen.

Reinraum für die ESA konzipiert

Dass alle Bauteile absolut keimfrei sind und selbst Verschmutzungen im Nanometerbereich entfernt werden, dafür sorgen Forscher des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA im Auftrag der Europäischen Raumfahrtagentur ESA. Bei ihrer Konzeption konnten die Wissenschaftler auf ihre umfassende Expertise zurückgreifen – eines der weltweit am besten ausgestatteten Reinräume steht am Fraunhofer IPA in Stuttgart.

Um den Mars-Rover zuverlässig sterilisieren zu können, haben die Experten für die ESA einen Reinraum konzipiert und im niederländischen Noordwijk, dem Sitz des Europäischen Weltraumforschungs- und Technologiezentrums (ESTEC), eingerichtet.

Der etwa 70 Quadratmeter große reinheitstechnisch kontrollierte Bereich genügt höchsten Reinheitsanforderungen, unter anderem der ISO-Klasse 1. Das bedeutet, dass ein Kubikmeter Luft nicht mehr als 10 Partikel von 0,1 Mikrometer Größe enthalten darf. Der ultrareine Bereich ist etwa eine Milliarde mal sauberer als Umgebungsluft.

Die Konzeption der IPA-Forscher umfasste die Planung ebenso wie das Layout, die Qualitätssicherung, Realisierung, Abnahmemessung und Inbetriebnahme. »Wir haben ein Rundumsorglos-Paket geschnürt, den Raum dimensioniert, die Auswahl der Reinheits- und Reinigungstechnik, der Anlagen- und Lüftungstechnik, der Bodenbeschichtungen, der Filtrationssysteme und des Sterilisationsequipments getroffen, und Empfehlungen für Industriepartner gegeben, die den Raum bauen«, sagt Dr. Udo Gommel, Leiter des Geschäftsfeldes »Elektronik und Mikrosystemtechnik« am IPA.

»Beispielsweise ist es wichtig, dass der Boden in Bezug auf das Ausgasungsverhalten zu den Wänden passt. Kunststoff sondert ausgasende, schädliche Produkte ab, die sich etwa auf optischen Linsen sammeln könnten. Die Kontaminationen würden Abbildungsfehler verursachen«, führt der Ingenieur und Physiker weiter aus.

Für das Sterilisieren des Mars-Rovers hat sich ein Verfahren bewährt, das am IPA entwickelt und zum Patent angemeldet wurde. Ursprünglich kommt die Methode aus den USA, um den Lack von Flugzeugrümpfen zu entfernen. Ein harter Strahl aus reiskorngroßen Kristallen von gefrorenem Kohlendioxid (CO2) sprengt dabei die Farbe regelrecht vom Metall ab. Die Forscher haben das grobe Instrument stark verfeinert.

Anstatt CO2-Pellets verwenden sie Kohlendioxid-Schnee, um damit jedes Bauteil einzeln zu bearbeiten, vom hochkomplexen Aluminiumwerkstück bis zum Unterlegscheibchen. Der Clou: Der Strahl, der aus der Düse kommt, wird mit einem umhüllenden CDA-Strahl (Clean Dry Air) zusätzlich beschleunigt. So dringt er in alle Ritzen und entfernt noch die kleinsten Verschmutzungen.

Sobald die winzigen Schneeflocken auf die relativ warme Oberfläche treffen, werden sie gasförmig, wobei sich ihr Volumen explosionsartig um das 800-fache ausdehnt. Der Detonationsdruck fegt jeden Schmutz restlos weg, sogar Fingerabdrücke, die das kalte Gas zuvor spröde gemacht hat.

»Es handelt sich dabei um ein trockenes Verfahren, das Oberflächen nicht aufquillt. Diese lassen sich beim Reinigen mit CO2 schonend behandeln. Der Einsatz von Wärme oder Chemikalien ist nicht nötig«, erläutert Gommel den Vorteil dieser Methode.

Der Reinraum ist bereits in Betrieb, die Forscher vom IPA rüsten ihn laufend mit Reinheits- und Reinigungstechnik auf und optimieren den Materialfluss. Neben der ESA nutzen weitere nationale Einrichtungen wie Thales Alenia Space Italy, ein italienisches Raumfahrtunternehmen, den Raum für ihre Weltraum-Missionen. Auch andere Weltraumbehörden wie die NASA lassen sich von Gommel und seinem Team beraten.

http://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2015/August/raumsonden-ke…

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