Mit Röntgenstrahlung vom Festkörper zum Plasma
Mit einem Äquatordurchmesser von mehr als 140.000 Kilometer ist der Jupiter der größte Planet unseres Sonnensystems. Nach Sonne, Mond und Venus ist er das vierthellste Objekt am Nachthimmel, so dass ihn bereits die Menschen der Antike beobachtet haben. Doch was sich im Inneren der Gasplaneten abspielt, ist bisher weitgehend unbekannt. Einen großen Schritt zu neuen Erkenntnissen über den Gasriesen lieferte jetzt ein wenige Mikrometer großes Aluminiumstück.
Wie das Wissenschaftsmagazin „Nature“ in der aktuellen Ausgabe berichtet (www.nature.com), ist es einer internationalen Forschergruppe zum ersten Mal gelungen, mit einem intensiven Röntgenpuls einen Festkörper anzuregen, d. h. ihn vom festen direkt in den plasmaförmigen Aggregatzustand zu befördern. Auch der Physiker Dr. Ulf Zastrau von der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat an diesem Projekt mitgearbeitet. Für ihre Untersuchungen nutzten die Wissenschaftler den derzeit weltgrößten Röntgen-Freie-Elektronen-Laser „Linac Coherent Light Source“ (LCLS) im amerikanischen Stanford.
„Bei der Umwandlung der Aluminiumprobe entstand sogenannte heiße dichte Materie – der Stoff aus dem Gasplaneten zu einem großen Teil bestehen“, erklärt der Jenaer Physiker aus der Arbeitsgruppe Röntgenoptik unter der Leitung von Prof. Dr. Eckhart Förster. „Er kommt auf der Erde selbst nicht vor und lässt sich auch nur sehr schwer künstlich herstellen.“ Auch bei dem Experiment mit der LCLS bestand die heiße dichte Materie nur für wenige Augenblicke, bevor sie verdampfte. Genug Zeit blieb allerdings für die Forscher aus den USA, Großbritannien, Deutschland, Österreich und Tschechien, um Untersuchungen anzustellen, deren Auswertungen sie noch über Jahre beschäftigen werden.
Ein Ergebnis konnte jedoch bereits in der Nature-Veröffentlichung mitgeteilt werden. Es betrifft in erster Linie den Entstehungsprozess der heißen dichten Materie aus dem Aluminiumfestkörper. Trifft Röntgenstrahlung auf Atome, wird sie absorbiert und ein Elektron freigesetzt. „Bei gasförmigen Proben sind die Atome sehr weit voneinander entfernt“, erläutert Zastrau. „Aus früheren Experimenten haben wir gelernt, dass die Elektronen bei ihren Atomen bleiben und sich nach einer gewissen Zeit wieder an diese anlagern.“ Bei einem Festkörper gestalte sich das anders. Die Elektronen stoßen, ähnlich wie in einem Billardspiel, aufgrund der höheren Dichte mit benachbarten Atomen zusammen und setzen dadurch viele zusätzliche Elektronen frei. „Diese Kollisionen sind der entscheidende Prozess dafür, wie sich das resultierende Plasma – und damit die heiße dichte Materie – entwickelt“, fasst der Physiker der Universität Jena das Ergebnis zusammen.
In erster Linie sind diese Untersuchungen Grundlagenforschung für die Plasma- und Astrophysik. Denn was bei den Experimenten nur für einen Bruchteil von Sekunden stabil ist, existiert im Inneren von großen Planeten und Sternen seit Jahrmillionen. Mit den neuen Erkenntnissen können sich die Forscher nun ein präziseres Bild davon machen, aus welchen Schichten sie aufgebaut sind, welche Temperaturen und Drücke in ihrem Inneren vorherrschen und wie ihr Magnetfeld entsteht. Die Ergebnisse könnten aber auch wichtige Informationen liefern, wie es in Zukunft gelingt, mittels Teilchenfusion effektiv Energie zu gewinnen – denn das machen uns die Sterne am besten vor.
Originalpublikation:
Sam M Vinko, O Ciricosta, B I Cho, K Engelhorn, H-K Chung, C RD Brown, T Burian, J Chalupsky, R W Falcone, C Graves, V Hajkova, A Higginbotham, H J Lee, M Messerschmidt, C D Murphy, Y Ping, A Scherz, W Schlotter, S Toleikis, J J Turner, L Vysin, T Wang, B Wu, U Zastrau, D Zhu, R W Lee, P A Heimann, B Nagler, J S Wark (2012): Creation and diagnosis of a solid-density plasma with an X-ray free-electron laser. DOI: 10.1038/nature10746
Kontakt:
Dr. Ulf Zastrau
Institut für Optik und Quantenelektronik der Universität Jena
Max-Wien-Platz 1, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 947610
E-Mail: ulf.zastrau[at]uni-jena.de
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