Steuerbare magnetische Monopole bei Raumtemperatur
Dreidimensionale (3D) Nanonetzwerke versprechen eine neue Ära in der modernen Festkörperphysik mit zahlreichen Anwendungen in der Photonik, Biomedizin und Spintronik. Die Realisierung von magnetischen 3D-Nanoarchitekturen könnte ultraschnelle und energiesparende Datenspeicher ermöglichen. Aufgrund der konkurrierenden magnetischen Wechselwirkungen in diesen Systemen können magnetische Ladungen oder magnetische Monopole entstehen, die als mobile, binäre Informationsträger genutzt werden können. Forschende der Universität Wien haben nun das erste künstliche 3D Spin-Eis Gitter entworfen, das ungebundene magnetische Ladungen enthält.
Die magnetischen Monopole sind in dem neuen Gitter bei Raumtemperatur stabil und können bei Bedarf durch externe Magnetfelder gesteuert werden. Die Ergebnisse erscheinen in der Fachzeitschrift npj Computational Materials.
Magnetische Monopole werden in einer Klasse von magnetischen Materialien beobachtet, die Spin-Eis genannt werden. Allerdings erschweren die atomaren Skalen und die für die Stabilität der magnetischen Monopole notwendigen niedrigen Temperaturen deren Steuerbarkeit. Dies führte zur Entwicklung von künstlichem 2D Spin-Eis, bei dem die einzelnen atomaren Momente durch magnetische Nanoinseln ersetzt werden, die flach in einer Ebene auf verschiedenen Gittern angeordnet sind. Dieses Hochskalieren ermöglichte die Untersuchung von den entstehenden magnetischen Monopolen in leichter zugänglichen Systemen. Wenn man die magnetische Ausrichtung bestimmter Nanoinseln umkehrt, bewegen sich die Monopole um eine Stelle weiter und hinterlassen eine Spur. Diese Spur, die Dirac-Strings, speichern zwangsläufig Energie und binden die Monopole, was ihre Mobilität einschränkt.
Forscher um Sabri Koraltan und Florian Slanovc unter der Leitung von Dieter Suess an der Universität Wien haben nun ein erstes künstliches 3D Spin-Eis Gitter entworfen, das die Vorteile von atomarem und zweidimensionalem Spin-Eis vereint.
In Zusammenarbeit mit der Gruppe für Nanomagnetismus und Magnonik der Universität Wien und der Theoretischen Abteilung des Los Alamos Laboratorium, USA, werden die Vorteile des neuen Gitters mit Hilfe von mikromagnetischen Simulationen untersucht. Dabei werden die flachen 2D Nanoinseln durch magnetische Rotationsellipsoide ersetzt und ein höhersymmetrisches 3D Gitter verwendet. „Aufgrund der Entartung des Grundzustands verschwindet die Spannung der Dirac-Strings und die magnetischen Monopole sind ungebunden“, merkt Sabri Koraltan an, einer der Erstautoren der Studie. Die Forscher gingen noch einen Schritt weiter, indem sie in ihren Simulationen einen magnetischen Monopol durch Anlegen externer Magnetfelder durch das Gitter bewegten und somit die Anwendung als Informationsträger in einem magnetischen 3D-Nanonetzwerk demonstrierten.
Sabri Koraltan fügt hinzu: „Wir nutzen die dritte Dimension und die hohe Symmetrie des neuen Gitters, um die magnetischen Monopole voneinander zu trennen und sie in die gewünschten Richtungen zu bewegen, fast wie echte Elektronen.“ Der andere Erstautor Florian Slanovc schlussfolgert: „Die thermische Stabilität der Monopole bei Raumtemperatur und darüber hinaus könnte die Grundlage für eine bahnbrechende neue Generation von 3D-Speichertechnologien bilden.“
Veröffentlichung in npj Computational Materials:
Koraltan, S., Slanovc, F., Bruckner, F. et al. Tension-free Dirac strings and steered magnetic charges in 3D artificial spin ice. npj Comput Mater 7, 125 (2021). DOI: 10.1038/s41524-021-00593-7
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Sabri Koraltan
Fakultät für Physik
Universität Wien
1090 – Wien, Kolingasse 14-16
sabri.koraltan@univie.ac.at
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie:
Neueste Beiträge
Sensoren für „Ladezustand“ biologischer Zellen
Ein Team um den Pflanzenbiotechnologen Prof. Dr. Markus Schwarzländer von der Universität Münster und den Biochemiker Prof. Dr. Bruce Morgan von der Universität des Saarlandes hat Biosensoren entwickelt, mit denen…
Organoide, Innovation und Hoffnung
Transformation der Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) bleibt eine der schwierigsten Krebsarten, die es zu behandeln gilt, was weltweite Bemühungen zur Erforschung neuer therapeutischer Ansätze anspornt. Eine solche bahnbrechende Initiative…
Leuchtende Zellkerne geben Schlüsselgene preis
Bonner Forscher zeigen, wie Gene, die für Krankheiten relevant sind, leichter identifiziert werden können. Die Identifizierung von Genen, die an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sind, ist eine der großen…