Dem Verursacher der Schlafkrankheit auf der Spur
Ein interdisziplinäres Forscherteam mit maßgeblicher Beteiligung der TU Berlin hat in dem führenden internationalen Physikjournal „Physical Review Letters“ eine Arbeit veröffentlicht, die zum Verständnis der Fortbewegungsstrategie des afrikanischen Trypanosoms beiträgt. Das ist ein Parasit, der in Afrika die tödliche Schlafkrankheit beim Menschen bewirkt und auch in Rindern zu schwerwiegenden Erkrankungen führt.
Mikroorganismen wie zum Beispiel Spermien haben ausgeklügelte Mechanismen für ihre Fortbewegung in wässriger Umgebung entwickelt, die entscheidend für ihre Funktion sind. Spermien verwenden die Schlagbewegung einer fadenförmigen Geißel zur Fortbewegung. Beim Trypanosom ist die Geißel am spindelförmigen Zellkörper angeheftet, der durch die Schlagbewegung stark deformiert wird.
Sravanti Uppaluri, Doktorandin am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen, hat die Bewegung der Trypanosomen unter dem Mikroskop verfolgt und aus den aufgenommenen Filmen Schwimmpfade extrahiert. Diese wurden dann von Dr. Vasily Zaburdaev, der in der Arbeitsgruppe „Statistische Physik weicher Materie und biologischer Systeme“ unter Leitung von TU-Professor Dr. Holger Stark forscht, mit statistischen Methoden analysiert. Solche Methoden sind notwendig, um aus verrauschtem Datenmaterial Erkenntnisse zu extrahieren. Während allerdings Mikrometer große Teilchen aufgrund ihrer wässrigen Umgebung eine ungeordnete, sogenannte Brownsche Bewegung ausführen, liegt bei den Trypanosomen der Grund für das Rauschen in Mechanismen innerhalb der Zelle und ist stark von der Schwimmgeschwindigkeit des Trypanosoms abhängig, wie Dr. Vasily Zaburdaev zeigen konnte, der zur Zeit an der Harvard-Universität arbeitet. Aus der statistischen Analyse ergab sich, dass die schlagende Geißel eine schnelle irreguläre Hin- und Herbewegung des Zellkörpers bewirkt mit einer mittleren Dauer von einer Zwanzigstel Sekunde. Dies führt zu einer Zickzack-Form des Schwimmpfades. Trotz dieser irregulären Bewegung bei sehr kleinen Zeiten gelingt es dem Trypanosom während circa zehn Sekunden im Mittel geradeaus zu schwimmen. Das haben die Untersuchungen gezeigt.
Die Forschungen tragen zum tieferen Verständnis der Fortbewegung von Trypanosomen bei. Sie zeigen beispielhaft, wie durch statistische Analyse, einem modernen Werkzeug der Theoretischen Physik, Systeme der belebten Natur und insbesondere die Beweglichkeit von Mikroorganismen besser verstanden werden. Vor allem helfen sie aber auch beim Design von künstlichen Mikroschwimmern, die gerade in den letzten Jahren den Status der Vision verlassen haben und sehr real geworden sind.
Online-Veröffentlichung im „Physical Review Letters“:
http://prl.aps.org/abstract/PRL/v106/i20/e208103
Weitere Informationen erteilt Ihnen gern: Prof. Dr. Holger Stark, Arbeits-gruppe „Statistische Physik weicher Materie und biologischer Systeme“, Institut für Theoretische Physik der TU Berlin, Hardenbergstr. 36, 10623 Berlin, Tel.: 030/314-29623, Fax: -21130, E-Mail: holger.stark@tu-berlin.de
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie
Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.
Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.
Neueste Beiträge
Sensoren für „Ladezustand“ biologischer Zellen
Ein Team um den Pflanzenbiotechnologen Prof. Dr. Markus Schwarzländer von der Universität Münster und den Biochemiker Prof. Dr. Bruce Morgan von der Universität des Saarlandes hat Biosensoren entwickelt, mit denen…
Organoide, Innovation und Hoffnung
Transformation der Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) bleibt eine der schwierigsten Krebsarten, die es zu behandeln gilt, was weltweite Bemühungen zur Erforschung neuer therapeutischer Ansätze anspornt. Eine solche bahnbrechende Initiative…
Leuchtende Zellkerne geben Schlüsselgene preis
Bonner Forscher zeigen, wie Gene, die für Krankheiten relevant sind, leichter identifiziert werden können. Die Identifizierung von Genen, die an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sind, ist eine der großen…