Wenn Physiker sich übers Rauschen freuen

Prinzip der stochastischen Resonanz: Bei richtiger Dosierung des Rauschens mit einem nichtlinearen informationsverarbeitenden System (blaues Oval) werden unterschwellige Signale anomal verstärkt. © Universität Augsburg/IfP/TPI

Üblicherweise bedeutet Rauschen in der Physik für Wissenschaftler nichts als Ärger: Unspezifische Signale, Störfrequenzen und verringerte Messempfindlichkeit.

Physiker der Universitäten Augsburg und Hannover haben jetzt jedoch durch ihre im Rahmen der Nanosystems Initiative Munich (NIM) geförderten Studien entdeckt, dass Rauschen unter anderem in der Quantenmechanik von großem Nutzen sein kann.

Physiker verbinden mit dem Begriff Rauschen in der Regel Probleme wie unspezifische Signale, Störfrequenzen und verringerte Messempfindlichkeit. Doch richtig dosiert kann Rauschen sogar zu neuen, sonst unmöglichen Erkenntnissen führen.

Das zeigt eine gemeinsame Studie von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Hänggi und Prof. Dr. Peter Talkner von der Universität Augsburg (Theoretische Physik) mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Rolf Haug von der Universität Hannover (Experimentelle Festkörperphysik). Ihre Ergebnisse präsentieren sie in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals „Nature Physics“.

Im Rahmen einer Experiment-Theorie-Zusammenarbeit ist es den Physikern gelungen, mit Hilfe von Rauschen winzige, unterschwellige Signale so zu verstärken, dass sie überhaupt erst detektiert werden können.

Ein Beispiel für unterschwellige Signale findet sich bei Nervenzellen. Ihr Ruhepotential liegt knapp unter der Schwelle, an der das Aktionspotential ausgelöst und ein Reiz weitergeleitet wird. Oft reicht ein winziger Impuls, um die Schwelle zu überschreiten.

Wohldosiertes Rauschen führt zum Erfolg

Neuere Erkenntnisse zeigen, dass dieser Impuls auch aus dem Rauschen heraus kommen kann. Der Fachbegriff hierfür lautet Stochastische Resonanz. Ähnlich der optimalen Anregungsfrequenz beim klassischen Resonanzphänomen gibt es hier eine bestimmte Rausch-Intensität, die das Signal optimal verstärkt. Nicht komplette Stille, sondern wohldosiertes Rauschen führt also zu den besten Messergebnissen.

Mit seiner Gruppe hat Hänggi die Allgemeingültigkeit der zugrundeliegenden Theorie für verschiedene physikalische und biologische Systeme bestätigt. Vor kurzem konnten die Augsburger Physiker sogar für die Welt der Quantenmechanik mit ihren ganz eigenen Gesetzen Fälle von Stochastischer Resonanz aufzeigen.

Experimente in der Quantenwelt

Ihre außergewöhnlichen theoretischen Ergebnisse hat das Team jetzt mit Hilfe Haugs und dessen Hannoveraner Arbeitsgruppe durch Experimente belegen können. Ein prominentes Beispiel der Quantenphysik ist das „Quantentunneln“, bei dem ein Teilchen eine Barriere überwindet ohne die dazu klassisch notwendige Energie aufzubringen. Mit Hilfe eines Einzelelektronen-Tunneltransistors konnten sie zeigen, wie sich die Phänomene der Stochastischen Resonanz auf das zeitaufgelöste Quantentunneln von einzelnen Elektronen auswirken.

Die Gesetze der Quantenmechanik machen sich erst bei sehr tiefen Temperaturen bemerkbar, bei denen die thermische Bewegung und damit das thermische Rauschen eingefroren sind. Entsprechend führten die Physiker ihre Versuche nahe am absoluten Temperatur-Nullpunkt durch und machten sich das der Quantenmechanik intrinsische Rauschen zu Nutze. Dazu legten sie an einen Quantenpunkt, an eine nur wenige Nanometer große dreidimensionale Struktur also, eine minimale Gatterspannung an. Diese modulierten sie zeitlich periodisch und konnten somit verschiedene Rausch-Intensitäten generieren.

Elektronen tunneln im Takt

Im Normalfall fluktuiert die Anzahl der Elektronen, die auf einen Quantenpunkt tunneln und ihn wieder verlassen. Bei einer bestimmten Rausch-Intensität wurde diese Varianz jedoch signifikant unterdrückt. Das Verhältnis von Varianz zum Mittelwert, der sogenannte Fano-Faktor, sank somit auf ein Minimum. Umgekehrt formuliert entspricht das Ergebnis einem Maximum im Signal-Rausch-Verhältnis, wie man es bei Stochastischer Resonanz außerhalb der Quantenwelt beobachtet.

Doch nicht nur die Anzahl der pro Zeiteinheit tunnelnden Elektronen konnten die Wissenschaftler durch das intrinsische Quanten-Rauschen beeinflussen. Auch deren Verweilzeit auf dem Quantenpunkt ließ sich durch die periodische Gatterspannungsmodulation synchronisieren. Dies zeigt sich an charakteristischen Maxima der zeitabhängigen Wahrscheinlichkeitsdichte, mit der Elektronen auf dem Quantenpunkt verweilen. Solch ein Maximum tritt bei ungeraden Vielfachen der halben Antriebsperiode auf und ist das typische Merkmal einer „Quanten“-Synchronisation.

Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Peter Hänggi
Prof. Dr. Peter Talkner
Lehrstuhl für Theoretische Physik I
Universität Augsburg
86135 Augsburg
hanggi@physik.uni-augsburg.de
http://www.physik.uni-augsburg.de/theo1/hanggi/

Quantum stochastic resonance in an a.c.-driven single electron quantum dot. T. Wagner, P. Talkner, J.C. Bayer, E.P. Rugeramigabo, P. Hänggi, R.J. Haug. Nature Physics (2019), doi.org/10.1038/s41567-018-0412-5

http://www.nano-initiative-munich.de/en/press/press-releases/meldung/n/happy-abo… – Englische Version der entsprechenden NIM-Pressemitteilung

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Klaus P. Prem idw - Informationsdienst Wissenschaft

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