Kleinwaffen am Horn von Afrika
Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik sind seit mehreren Monaten Marineeinheiten im Einsatz am Horn von Afrika. Das Operationsziel dieser Einheiten ist unter anderem Waffenschmuggel zu verhindern. Wie kaum eine andere Region in Afrika ist das Horn von Kleinwaffen überschwemmt. Sie bestimmen nicht nur Formen und Intensität von lokalen bewaffneten Auseinandersetzungen, sondern auch das Alltagsleben der Menschen.
Seit 2000 betreibt das SALIGAD-Projekt (Small Arms and Light Weapons in IGAD) konkrete Datenerhebung und Feldforschung zu Nachfrage und Gebrauch von Kleinwaffen am Horn von Afrika. In einem beispiellosen Dialogprogramm hat das SALIGAD-Projekt darüber hinaus in Workshops und Konferenzen Regierungs- und lokale Vertreter, regionale und internationale Nicht-Regierungs- sowie Entwicklungshilfeorganisationen zusammengebracht, um Informationen und Erfahrungen auszutauschen. Das SALIGAD-Projekt, maßgeblich gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) über die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und Brot für die Welt, gehört zu den wichtigsten Kleinwaffen-Projekten des Internationalen Konversionszentrums Bonn (BICC).
Als Institution mit langjähriger Erfahrung in der Demobilisierung und Reintegration von ehemaligen Kämpfern lag es für das BICC nahe, das SALIGAD-Projekt in enger Zusammenarbeit u.a. mit der Pastoralist Peace and Development Initiative (Kenia), dem Peace and Development Committee (Äthiopien) und dem Injury Control Center (Uganda) vor Ort zu organisieren. „Heute ist es so, dass in der Region kontinuierlich aufgebaute Entwicklungsmaßnahmen über Nacht durch den Einsatz von Kalaschnikows zunichte gemacht werden können. Der Zusammenhang zwischen Abrüstungspolitik und Entwicklungspolitik könnte nicht deutlicher und dramatischer sein“, betont Peter Croll, Direktor des BICC.
Erste Ergebnisse der SALIGAD-Aktivitäten liegen nun in Form einer Studie mit dem Titel „Small Arms in the Horn of Africa: Challenges, Issues and Perspectives“ vor:
- Erste Schritte zur Einschränkung des Einsatzes von Kleinwaffen wurden gemacht. Beispiel hierfür ist Somaliland, wo durch den Ältestenrat Rückgabe und Kontrolle von Kleinwaffen in die Verantwortung der lokalen Gemeinden gelegt wurde. Dadurch sind heute in Somaliland zwar immer noch Waffen vorhanden, sie kommen aber nicht mehr wie noch vor wenigen Jahren wahllos zum Einsatz.
- Verstärkte gesellschaftliche Kontrolle in ländlichen Gebieten wurde erreicht. Durch die massenhafte Verbreitung von Kleinwaffen wurde Viehdiebstahl zu einem militarisierten Beutezug. Im Grenzgebiet Kenia und Tansania, Kuria-Region, begegnete man diesen Ausbrüchen der Gewalt, die zahlreiche Opfer forderten, mit „Sungusungu“, der Wiedereinführung eines traditionellen Untersuchungs- und Gerichtsverfahrens. Auch wenn diese Methoden weit davon entfernt sind, rechtsstaatlich zu sein und aus Menschenrechtswarte kritisiert werden können, trugen sie doch zur Eindämmung des bewaffneten Viehdiebstahls bei.
- Erste Initiativen wurden ergriffen, um in urbanen Gebieten die Zusammenarbeit von Polizei und Zivilisten wiederzubeleben. In Nairobi war das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei auf den Nullpunkt gesunken, da diese im Verdacht stand, durch Waffenverleih und Korruption die Kriminalität in der kenianischen Hauptstadt noch zu fördern. Durch Infrastrukturförderung der Geschäftswelt ist die Polizei mittlerweile in die Lage versetzt worden, ihre Aufgaben wieder wahrzunehmen und den Kleinwaffenmissbrauch zu bekämpfen.
„Solange man nicht genau versteht, was die Menschen motiviert, sich von ihrem geringen Einkommen eine Waffe zu kaufen, solange werden wir von Kleinwaffenkontrolle weit entfernt sein“, warnt Kiflemariam Gebre-Wold, Projektleiter SALIGAD. In diesem Zusammenhang verweist er auf verschiedene kulturelle und soziale Motivationen: In vielen ländlichen Regionen ist die Rachekultur noch lebendig, Heldentum bei jungen Männern ein gesellschaftlich erstrebenswertes Ziel. Unter solchen Umständen werden sich Menschen bewaffnen, um ihre Würde zu verteidigen, den Brautpreis durch bewaffneten Viehdiebstahl zu erwirtschaften oder um ihre Rechte als ethnische Gruppe durchzusetzen. Gebre-Wold betont, dass man sich erst am Anfang eines langen Weges befände, an dessen Ende die freiwillige Abgabe der Kleinwaffen und ihre Vernichtung stehen muss.
Entscheidend für die Lösung des Kleinwaffenproblems ist die Einbindung der Zivilgesellschaft, insbesondere der ländlichen Bevölkerung. Sie muss den Waffeneinsatz als Mittel der Konfliktaustragung ächten und (traditionelle) Alternativen der Konfliktaustragung nutzen bzw. wiederbeleben. Auch die Unterstützung der National Focal Points (NFP) hat in diesem Zusammenhang große Bedeutung. Der Staat wiederum muss in die Lage versetzt werden, sein Gewaltmonopol unter Einhaltung der Menschenrechte und bei ziviler Kontrolle einzusetzen. Die Entwicklungszusammenarbeit ist hier gefordert und beabsichtigt im Horn von Afrika, u.a. durch die Unterstützung von SALIGAD, das Thema Kleinwaffen beispielhaft in die Projektarbeit der technischen Zusammenarbeit zu einzubringen.
Für die nächste Zukunft hält das SALIGAD-Projekt die folgenden Aspekte für zentral:
- Der Umgang mit und die Auswirkungen von Kleinwaffen sind durch die Geschlechterrollen bestimmt. Deshalb muss mehr Augenmerk auf geschlechtsspezifische Fragen gelegt werden. Eine Lösung des Kleinwaffenproblems ist solange nicht möglich, wie die Frauenfrage ausgeblendet bleibt. Das BICC bereitet eine Dokumentation hierzu vor.
- Waffen ohne Munition sind wie Krokodile ohne Zähne. Technisch, etwa durch Markierung, und mit polizeilichen Mitteln, etwa ein bilaterales strenges Grenzregime, kann Munition besser kontrolliert werden.
- Der von SALIGAD initiierte Dialog zum Thema Kleinwaffen zwischen Zivilgesellschaft und NGOs einerseits und der Regierungsseite andererseits muss auch über die Laufzeit des Vorhabens fortgesetzt und vertieft werden. Die Schaffung von gesellschaftlicher Transparenz im Sicherheitssektor, einschließlich der Kleinwaffen im zivilen und militärischen Besitz, ist eine gesellschaftliche Aufgabe, bei der die Entwicklungszusammenarbeit wichtige Impulse geben kann.
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