Proteinmolekül beeinflusst Signalübertragung im Gehirn
Biologen der RUB haben gemeinsam mit Forschern aus Göttingen und den USA den „Organisator“ der Schaltstellen im Gehirn (Synapsen) gefunden: bestimmte Proteinmoleküle, so genannte Neurexine, die sich an den Synapsen befinden.
Sie beeinflussen die Aktivität von Kalziumkanälen in der Zellmembran, die wiederum für die Signalweiterleitung entscheidend sind. Über die Ergebnisse ihrer Studie berichten die Wissenschaftler in NATURE 423 vom 26.6.2003.
Alle Lern- und Gedächtnisleistungen unseres Gehirns basieren auf dem Informationsfluss zwischen den Nervenzellen über Synapsen, die Schaltstellen im Gehirn. Dieser Informationsfluss muss effizient organisiert sein. Als Organisator haben Gunnar Kattenstroth und Kurt Gottmann (Lehrstuhl für Zellphysiologie, Fakultät für Biologie der RUB) gemeinsam mit Göttinger und Amerikanischen Forschern Proteinmoleküle ausgemacht: die sog. Neurexine. Sie befinden sich an den Synapsen und beeinflussen die Aktivität von Kalziumkanälen in der Zellmembran, die wiederum für die Signalweiterleitung entscheidend sind. Bisher hatte man vermutet, dass Neurexine nur strukturelle Aufgaben übernehmen. Über die Ergebnisse der Studie berichtet das Wissenschaftsmagazin NATURE in seiner Ausgabe vom 26. Juni 2003.
Nervenzellen übertragen Informationen
Das menschliche Gehirn enthält etwa 1010 Nervenzellen (Neurone), von denen jede einzelne an ca. 1.000 Kontaktstellen mit anderen verknüpft ist. Sie leiten Signale an ihren langen Fortsätzen, den Axonen, in Form von elektrischen Spannungsveränderungen weiter. An den Kontaktstellen zwischen zwei Nervenzellen – den Synapsen – ist die elektrische Weiterleitung unterbrochen. Die Membranen benachbarter Neuronen trennt ein sehr schmaler Spalt. Jede Nervenzelle bildet eine Vielzahl synaptischer Kontakte mit ihren unterschiedlichen Partnerzellen. Damit die Informationsübertragung zwischen den Nervenzellen Sinn ergibt, müssen die Eigenschaften der Synapsen den nachgeschalteten Nervenzellen angepasst werden. Dem Mechanismus dieser Regulation sind die Forscher nun auf die Spur gekommen.
Sind die Neurexine defekt, bleiben die Signale auf der Strecke
Sie untersuchten Mäuse, deren Neurexine – eine bestimmte Klasse von Zelladhäsionsmolekülen – defekt waren. Zelladhäsionsmoleküle sind Proteine in der Zellmembran, denen bisher hauptsächlich strukturelle Aufgaben zugeschrieben wurden. Neurexine werden in die synaptische Membran der vorgeschalteten Zelle eingelagert, wo sie mit anderen Proteinen wechselwirken und zudem Proteine in der Membran der nachgeschalteten Zelle erkennen können. Das Forscherteam beobachtete, dass bei Mäusen mit defekten Neurexinen die Struktur von Synapsen relativ normal, die Übertragung von Nervenimpulsen jedoch massiv gestört war. „Einen so deutlichen Einfluss von neuronalen Zelloberflächenmolekülen auf die Funktion der Synapse konnten wir hier erstmalig beobachten“, so Dr. Kattenstroth. „Die nächste Frage war: Wie beeinflussen Neurexine die Signalübertragung zwischen den Neuronen?“
Angriffspunkt der Neurexine: Die Aktivität der Kalziumkanäle
Bei der Informationsübertragung an Synapsen spielen Kalziumkanäle eine entscheidende Rolle: Die Spannungsveränderung in der präsynaptischen Membran führt nach gegenwärtiger Vorstellung zur Öffnung von Kanälen in dieser Membran, die nur für Kalziumionen durchlässig sind. Der nachfolgende Anstieg der Kalziumkonzentration in der Zelle löst dann einen Prozess aus, der zur Signalübertragung an die nachgeschaltete Zelle führt. Durch verschiedene Untersuchungen konnten die Wissenschaftler den Angriffspunkt der Neurexine in den Mechanismus der Signalübertragung so weit einengen, bis schließlich feststand: Neurexine sind an der Synapse lokalisiert, beeinflussen die Aktivität der Kalziumkanäle und damit letztlich die Effizienz der neuronalen Informationsübertragung. Die untersuchte Klasse von Zelladhäsionsproteinen bildet somit eine molekulare Schnittstelle, an der die Eigenschaften der neuronalen Signalübertragung entscheidend angepasst werden können. „Diese Arbeit aus dem Bereich der biomedizinischen Grundlagenforschung hilft, die Zusammenhänge von Struktur und Funktion neuronaler Verknüpfungen zu verstehen“, so Dr. Kattenstroth.
Weitere Informationen:
Dr. Gunnar Kattenstroth, PD Dr. Kurt Gottmann
Lehrstuhl für Zellphysiologie (Prof. Dr. Dr. Dr. Hanns Hatt)
Fakultät für Biologie der Ruhr-Universität Bochum
ND 4/175, 44780 Bochum
Tel. 0234/32-26793/-26756
Fax: 0234/32-14129
E-Mail: gunnar.kattenstroth@ruhr-uni-bochum.de
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