Operational Excellence in der Energiewirtschaft 2003

Energieversorger im deutschsprachigen Raum wollen Kosteneinsparungen von über 2 Mrd. Euro realisieren

Den Energieversorgern in Deutschland stehen Zeiten echten Wettbewerbs in Haus. Die Vorgaben der EU-Direktive zur „Schaffung des europäischen Strom- und Gasbinnenmarktes“ fordern bis 2007 das rechtliche Unbundling der Strom- und Gasnetze – bisher natürliche Monopole – von den übrigen Aktivitäten der Energieversorger. Das ist ein direkter Eingriff in die bestehenden Unternehmensstrukturen der Energieunternehmen und schafft Transparenz über die unterschiedliche Wirtschaftlichkeit der Netze gegenüber den im Wettbewerb stehenden Aktivitäten zur Strom- und Gasversorgung. Gleichzeitig sind angesichts der von der Bundesregierung angekündigten Bildung einer Regulierungsbehörde für Strom und Gas die Tage der Verbändevereinbarungen und damit der hohen Durchleitungsentgelte gezählt.

Bisher – das zeigt der Vergleich mit Ländern, in denen die Strom- und Gasmärkte zum Teil länger und gerade hinsichtlich der Netznutzung konsequenter liberalisiert sind – blieb die Cash-Cow der Energieversorger, die Netze und ihre Durchleitungsentgelte, in Deutschland weitestgehend intakt. Als Konsequenz daraus stagnierte der Strompreis für den Endkunden auf einem stabil hohen Niveau. Länder mit einer im Vergleich zu Deutschland deutlich weitergehenden und konsequenteren Kontrolle der natürlichen Monopole Strom- und Gasnetz setzten eine Absenkung der Durchleitungsentgelte von bis zu minus 40 Prozent und damit der Gesamtpreise von rund 20 Prozent durch.

Eine – analog den ausländischen Beispielen – rigorose Senkung der Durchleitungsentgelte und ein angesichts steigender Großhandelspreise weiter wachsender Margendruck auf den Vertrieb drohen, die bestehenden Strukturen der Energiewirtschaft im Innersten zu erschüttern: Deutlich geringere Konzessionsabgaben sowie die Unfinanzierbarkeit der Quersubventionen für den öffentlichen Nahverkehr werden vor allem den Kommunen als Mehrheitseigentümer von Stadtwerken große Probleme bereiten.

95 Prozent der Energieversorger im deutschsprachigen Raum sehen deshalb ausgesprochen großen Handlungsbedarf, ihre operative Leistungsfähigkeit kurzfristig zu steigern, um diesem Bedrohungsszenario aktiv entgegen zu wirken.

„Operational Excellence“ als Programm

So wichtig wie nie zuvor nehmen Energieversorger für die nächsten Jahre das Thema „Operational Excellence“. Darunter versteht man die Verbesserung der gesamten anlagenbasierten Prozesskette vom Einkauf über die Erzeugung bis hin zur Verteilung. Bisherige Strukturen werden grundsätzlich in Frage gestellt und unter Hochdruck schlankere Strukturen, optimale Prozesse und eindeutige Verantwortlichkeiten in den Unternehmen geschaffen.

Das Potenzial von „Operational Excellence“ zur kurz- und mittelfristigen Verbesserung der Kostenstrukturen schätzen die meisten Energieversorger ungewöhnlich hoch ein: In der von der Unternehmensberatung kalny weilharter & partner im ersten Halbjahr 2003 durchgeführten Studie „Operational Excellence in der Energiewirtschaft 2003“ nennen die befragten Top-Manager von insgesamt 150 Energieversorgern im deutschsprachigen Raum ein Einsparungspotenzial von durchschnittlich acht Prozent der heutigen Kosten in den operativen Bereichen. Das entspricht branchenweit in Deutschland knapp zwei Milliarden Euro. Die überwiegende Mehrheit (70 Prozent) der befragten Unternehmen wollen in den kommenden zwei Jahren Einsparungen von fünf bis zehn Prozent realisieren, knapp 20 Prozent sogar Einsparungen von zehn bis zwanzig Prozent. Die übrigen zehn Prozent der Energieversorger rechnen mit Kostensenkungen von zwei bis fünf Prozent.

„Unsere Studie zeigt klar, welchen hohen Stellenwert das Thema `Operational Excellence´ im Hinblick auf strategisches Kostenmanagement in der Einschätzung des Top-Managements der Energiewirtschaft erreicht hat“, erklärt Gerald Kalny von kalny weilharter & partner. „Angesichts der zukünftig geänderten Spielregeln im liberalisierten Energiemarkt und der zu erwartenden wirtschaftlichen Konsequenzen daraus, erhält bereits heute die nachhaltige Verbesserung der Kostenstrukturen einen bisher nicht gekannten strategischen Stellenwert. In dem wahrscheinlichen Fall einer an internationalen Vergleichswerten orientierten Absenkung der Netztarife bleibt allerdings offen, ob die angestrebten Werte von durchschnittlich minus 8 Prozent schon das Ende der Fahnenstange sind. Vielmehr wird eine konsequente Neuaufstellung auf Basis von Best-Practice-Strukturen die Voraussetzung sein, auch in Zukunft im Markt eine eigenbestimmte Rolle zu spielen.“

Effizienzsteigerung statt Verschiebung von Investitionen

Bisher wurden die Kosten in der Energiewirtschaft hauptsächlich durch die Anpassung der Investitionspläne und Instandhaltungsstrategien gesenkt. Investive Einschränkungen wie z.B. die Absenkung der jährlichen Budgets für Netzinvestitionen im Zeitraum von 1995 bis 2005 von bis zu 30 Prozent bedeuten jedoch nur eine vorübergehende Entlastung und stoßen dort auf Grenzen, wo die Netzqualität in Frage gestellt wird.

Heute, so die aktuelle Studie, ist man bereit, Maßnahmen zur tatsächlichen Effizienzsteigerung und damit nachhaltigen Kostensenkung zu setzen: Über 90 Prozent der Unternehmen sehen die Optimierung der eigenen Wertschöpfung als Kernthema für eine deutliche Kostensenkung. Gleichzeitig sprechen sich 76 Prozent für eine transparente Trennung von Netzeigner und Netzbetreiber aus, um das „unbundling“ aktiv zu gestalten.

Die Bereitschaft, die notwendigen Maßnahmen zur Optimierung der Wertschöpfung gemeinsam mit Partnern zu realisieren, wächst: 75 Prozent der Unternehmen bevorzugen die „Leistungsteilung“ durch Kooperationen mit anderen Energieversorgern, 20 Prozent sind für die „Abgabe von Wertschöpfung“ an Outsourcing-Spezialisten.

„Wir sind jetzt am kritischen Punkt, wo die Verschiebung von Investitionen und Instandhaltungsmaßnahmen im Wettbewerb mittelfristig nicht mehr ausreicht“, so Gerald Kalny. „Vielmehr besteht die Gefahr, dass die Unternehmen eine wachsende Bugwelle nicht erfolgter Investitionen vor sich herschieben.“

Einkauf und Materialwirtschaft: Innovative Lösungen gefragt

Einkauf und Materialwirtschaft bilden mit einem Einsparungspotenzial von insgesamt 1 Mrd. Euro den größten wirtschaftlichen Hebel in Bezug auf „Operational Excellence“. Gegenwärtig steht dabei die Senkung der Drittkosten im Mittelpunkt.

Zur Realisierung dieser Zielsetzung rücken verstärkt innovative Instrumente in den Mittelpunkt: Bereits zwei Drittel der Unternehmen setzen heute kurzfristig auf e-procurement. In den letzten Jahren waren es nur rund 50 Prozent.

Erfolgsfaktoren: Klare Ziele und aktives „People Management“

„Operational Excellence“ erfordert die Neugestaltung des Kerngeschäfts der Energieversorger und damit Einschnitte in über Jahrzehnte gewachsene Routinen. Professionelles Prozessmanagement mit der richtigen Balance aus eindeutiger Faktenorientierung einerseits sowie Mitarbeiterforderung und -förderung andererseits ist ausschlaggebend für die Nachhaltigkeit des Erfolgs. In einer Rangordnung der wesentlichen Erfolgsfaktoren setzen die befragten Top-Manager zu 95 Prozent auf klare Verantwortlichkeiten, zu 92 Prozent auf Führung durch Zielvorgaben und zu 77 Prozent auf die Mitarbeiterentwicklung.

Media Contact

Dipl.Ing. Mag. Gerald Kalny kalny weilharter & partner

Weitere Informationen:

http://www.kwp-consult.com

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