Erste europäische Vergleichsstudie zur Begabtenförderung
Immer mehr Lehrer bemühen sich um Zusatzqualifikationen, um Hochbegabung rechtzeitig zu erkennen und entsprechende Schüler gezielt fördern zu können. Zu diesem Ergebnis kommt eine erste europäische Vergleichsstudie zur Begabtenförderung, die auf dem internationalen Kongress „Curriculum und Didaktik der Begabtenförderung“ vom 24. bis 27. September an der Universität Münster vorgestellt und diskutiert wird.
Lange Zeit tabuisiert, ist die Förderung hochbegabter Kinder und Jugendlicher und das Verständnis für ihre Situation in den vergangenen Jahren auch an Deutschlands Schulen stärker ins Bewusstsein gerückt. Immer mehr Lehrer erwerben Zusatzqualifikationen, um Hochbegabung rechtzeitig zu erkennen und entsprechende Schüler gezielt fördern zu können. Zu diesem Ergebnis kommt eine erste europäische Vergleichsstudie zur Begabtenförderung, die auf dem internationalen Kongress „Curriculum und Didaktik der Begabtenförderung“ vom 24. bis 27. September an der Universität Münster vorgestellt und diskutiert wird.
Defizite zeigt die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in Auftrag gegebene Studie jedoch bei der Diagnose von Begabungen. Die Methoden reichen „vom Expertengutachten über Lehrer- und Elternnominierungen bis zu den Schulnoten“, bilanziert Prof. Dr. Franz Mönks vom „Internationalen Centrum für Begabungsforschung“ (ICBF) der Universitäten Münster und Nijmegen/Niederlande, Autor der Studie. Es mangelt an wissenschaftlich fundierten Hilfestellungen, um Begabungen bereits bei Kindergarten- und Grundschulkindern zu erkennen. Dabei werden gerade in frühen Jahren wichtige Weichen für die Entwicklung besonders begabter Kinder gestellt. Auch im Bereich der Didaktik und der individuellen Fördermöglichkeiten erkennt Mönks Mängel in ganz Europa.
Insgesamt 21 europäische Länder hat er in der Studie mit dem Titel „Schulische Begabtenförderung in Europa: Bestandsaufnahme und Ausblick“ berücksichtigt. Besonders England, die Niederlande, Österreich, die Schweiz, Ungarn, Deutschland und Slowenien fallen positiv in ihren Bemühungen auf, Begabtenförderung zu systematisieren. Ein Ranking der beteiligten Staaten will Mönks mit seiner Studie jedoch ausdrücklich nicht aufstellen. Vielmehr gibt die Studie einen Einblick in die Arbeit der Nachbarländer und will gegenseitige Lernprozesse anregen.
Einig sind sich die Experten in Wissenschaft und Praxis darin, dass das Lernen an den Schulen individualisiert und flexibilisiert werden muss. „Wir müssen möglichst viele Schüler möglichst weit mitnehmen auf dem Weg zu einer umfassenden Bildung. Unsere Zukunftsfähigkeit sichern wir nur mit einem öffentlichen Bildungssystem, das alle fördert und fordert: auch die besonders Begabten“, betont Prof. Dr. Heribert Meffert, Präsidiumsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung. Würde diese Forderung konsequent umgesetzt, bedeute dies allerdings „eine bildungspolitische Neuorientierung und das Ende der Schule, wie wir sie kennen“, so Meffert zur Eröffnung des Kongresses in Münster.
„Das gestiegene Interesse am Thema Begabtenförderung belegt auch der vom ICBF in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung und mit Unterstützung der Karg-Stiftung organisierte Kongress selbst“, so Dr. Christian Fischer, Geschäftsführer des ICBF. Mit 550 Teilnehmern aus Praxis, Politik und Wissenschaft und weltweit renommierten Rednern sei er einer der größten internationalen Kongresse zur Begabtenförderung, den es in Deutschland und Europa je gegeben habe.
Das ICBF ist eine Gemeinschaftsinitiative der Universitäten Münster und Nijmegen. Gegründet im Februar 2001 beschäftigt sich das Zentrum nicht nur mit der Begabungsforschung, sondern auch mit der praktischen Umsetzung seiner Erkenntnisse im Bereich der Begabtenförderung und der entsprechenden Aus- und Weiterbildung für Lehrer und Pädagogen. Die mittlerweile 13 beteiligten Wissenschaftler und 15 weiteren Mitarbeiter leisten bundesweite Lobbyarbeit für die Sache der Begabtenförderung und beraten Eltern, Schulen, Hochschulen und Ministerien.
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