Das Engagement am Arbeitsplatz in Deutschland sinkt weiter
Nur noch zwölf Prozent der MitarbeiterInnen hierzulande sind engagiert im Job. Der gesamtwirtschaftliche Schaden liegt in Milliardenhöhe.
18 Prozent der ArbeitnehmerInnen in Deutschland haben keine emotionale Bindung zu ihrem Job.(1) Weitere 70 Prozent machen lediglich Dienst nach Vorschrift und gehören somit der Kategorie der MitarbeiterInnen mit einer geringen emotionalen Bindung an. Demnach verspüren insgesamt neun von zehn ArbeitnehmerInnen (88 %) hierzulande keine echte Verpflichtung ihrer Arbeit gegenüber. Dies ergab die jährliche Untersuchung der Gallup GmbH zum Engagement am Arbeitsplatz in Deutschland. Die Gruppe der MitarbeiterInnen mit einer geringen bzw. keiner emotionalen Bindung wird – verglichen mit den vorangegangenen Erhebungen zum Arbeitsplatzengagement in Deutschland – zunehmend größer, sie ist um vier Prozentpunkte gegenüber der ersten Untersuchung im Jahr 2001 angewachsen. Nur zwölf Prozent der ArbeitnehmerInnen weisen derzeit eine hohe emotionale Bindung zu ihrem Job auf (im Jahr 2001: 16 %). In den Vereinigten Staaten von Amerika, die das Gallup-Länderranking im Hinblick auf das Arbeitsplatzengagement anführen, sind im Vergleich zu Deutschland 30 Prozent der MitarbeiterInnen ihrem Arbeitgeber gegenüber verpflichtet – das sind 18 Prozentpunkte mehr als hierzulande, was einen erheblichen Wettbewerbsvorteil für die amerikanische Wirtschaft bedeutet.
Mit einem Anteil von zwölf Prozent von MitarbeiterInnen mit einer hohen emotionalen Bindung rangiert Deutschland im Ländervergleich insgesamt im unteren Mittelfeld. Ein geringeres Engagement am Arbeitsplatz als hierzulande weisen lediglich die Länder Japan (9 %), Frankreich (6 %) und Singapur (4 %) auf. Auf Amerika (30 %) an der Spitze des Rankings folgen Kanada (24 %), Israel (20 %), Australien (18 %) und Großbritannien (17 %).
Der aus dem in Deutschland fehlenden Engagement am Arbeitsplatz entstehende gesamtwirtschaftliche Schaden (u.a. durch eine schwache Mitarbeiterbindung, hohe Fehlzeiten und niedrige Produktivität) beläuft sich auf eine Summe zwischen Euro 247.2 und 260.1 Milliarden pro Jahr, wobei allein die Gruppe von MitarbeiterInnen mit keiner emotionalen Bindung für einen Schaden von Euro 87.7 bis 91.9 Milliarden verantwortlich ist.
Die Ursache für das fehlende Engagement am Arbeitsplatz bei den MitarbeiterInnen kann in schlechtem Management gesucht werden. Die Befragten gaben u.a. an, dass sie eine Position ausfüllen, die ihnen nicht liegt, dass es seitens ihres / ihrer Vorgesetzten an Anerkennung und Lob für gute Arbeit mangelt, die Führungskraft sich nicht für sie als Mensch interessiert, es niemanden im Unternehmen gibt, der die persönliche Entwicklung fördert und die persönliche Meinung und Ansicht kaum Gewicht haben.
Tendenziell sind die ArbeitnehmerInnen im Süden Deutschlands engagierter als im Rest des Landes. Während sich der Anteil der als loyal und produktiv einzustufenden MitarbeiterInnen, die ihre Arbeit als befriedigend empfinden, im Süden (Baden-Württemberg und Bayern) auf 14 Prozent beläuft, beträgt dieser im Westen (Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland) und Norden (Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und Niedersachsen) jeweils zwölf Prozent und im Osten (Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thürigen) zehn Prozent.
Die MitarbeiterInnen mit dem größten Engagement am Arbeitsplatz lassen sich in der Dienstleistungsbranche ausmachen (13 % engagierte Personen). Danach folgen das verarbeitende Gewerbe(3) und der Handel(4) bzw. das Gastgewerbe(5) (jeweils 11 % engagierte Personen). Schlußlicht in der Branchenbetrachtung ist das Baugewerbe (7 % engagierte Personen).
Auffällig ist beim Arbeitsplatzengagement der klare Geschlechterunterschied: Der Grad des Engagements erweist sich bei Frauen als höher. So sind 14 Prozent der Arbeitnehmerinnen, aber nur zehn Prozent der Arbeitnehmer engagiert im Job. Darüber hinaus haben mehr Männer keine emotionale Bindung zu ihrem Job als es bei Frauen der Fall ist (20 % zu 15 %).
Im Hinblick auf das Alter, den Beschäftigungsstatus und die berufliche Stellung der ArbeitnehmerInnen lassen sich keine Unterschiede ausmachen. Der Anteil der engagierten MitarbeiterInnen erweist sich über alle Gruppen hinweg als nahezu gleich groß.
Es fällt jedoch auf, dass unter den ArbeiterInnen die Gruppe mit keiner emotionalen Bindung deutlich größer ist als bei den Angestellten bzw. Beamten (24 % zu 16 % bzw. 18 %). Bezüglich des Alters und des Beschäftigungsstatus lassen sich derartige Unterschiede innerhalb der Gruppen nicht ausmachen.
Worin unterscheiden sich die beiden extremen Kategorien „hohe emotionale Bindung“ und „keine emotionale Bindung“? Fehltage aufgrund von Krankheit oder Unwohlsein betragen bei ersterer fünf, bei letzterer elf Tage – ein Unterschied von sechs Tagen. Hochgerechnet auf ein Jahr ergibt sich hieraus ein Mehr an Fehltagen von 44.298 Millionen, wodurch Kosten (allein Lohn- und Gehaltskosten) in Höhe von 6.378.912.000 Euro (44.298.000 x EUR 144 pro Tag) aufgrund von Arbeitsausfall entstehen.
Nur 18 Prozent der MitarbeiterInnen, die keine emotionale Bindung haben sind gewillt, die Produkte oder Leistungen ihres Unternehmens ohne Einschränkung weiterzuempfehlen, verglichen mit 74 Prozent der MitarbeiterInnen mit einer hohen emotionalen Bindung. Ähnlich verhält es sich bei der Frage nach der Weiterempfehlung des eigenen Arbeitsplatzes an Freunde und Bekannte (MitarbeiterInnen mit keiner emotionalen Bindung: 5 % gegenüber MitarbeiterInnen mit hoher emotionaler Bindung: 68 %). Positive Mund-zu-Mund-Propaganda geht somit eher von MitarbeiterInnen mit einer hohen emotionalen Bindung als von MitarbeiterInnen mit keiner emotionalen Bindung aus.
Die Wahrscheinlichkeit, dass MitarbeiterInnen, die keine emotionale Bindung haben, ihr Unternehmen binnen eines Jahres verlassen, ist sehr viel höher als bei ihren KollegInnen mit einer hohen emotionalen Bindung. So stimmten der Aussage „Ich beabsichtige, heute in einem Jahr noch bei meiner derzeitigen Firma zu sein“ nur 42 Prozent der MitarbeiterInnen mit keiner emotionalen Bindung absolut zu, gegenüber 89 Prozent der MitarbeiterInnen mit einer hohen emotionalen Bindung. Ein identisches Bild ergibt sich, wenn o. g. Aussage mit einem Zeithorizont von drei Jahren gestellt wird: Von den MitarbeiterInnen mit keiner emotionalen Bindung stimmen der Aussage 32 Prozent absolut zu, von den MitarbeiterInnen mit einer hohen emotionalen Bindung 82 Prozent. Und: Lediglich 17 Prozent der ArbeitnehmerInnen, die keine emotionale Bindung haben planen, ihren Karriereweg bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber zu gehen, gegenüber 62 Prozent der MitarbeiterInnen mit einer hohen emotionalen Bindung. Der Motor der Mitarbeiterfluktuation, die Unternehmen teuer bezahlen müssen, sind somit in erster Line die MitarbeiterInnen mit keiner emotionalen Bindung.
Darüber hinaus sind die ArbeitnehmerInnen, die keine emotionale Bindung haben gestresster als die MitarbeiterInnen mit einer hohen emotionalen Bindung (41 % zu 24 %), sie haben weniger Spaß bei der Arbeit (14 % zu 82 %), sehen sich auf ihrem derzeitigen Arbeitsplatz nicht optimal eingesetzt (10 % zu 73 %) und sind letztendlich auch unzufriedener mit ihrem Leben (11 % zu 47 % „sehr zufrieden“).
Die Untersuchung basiert auf einer von der Gallup GmbH unter deutschsprachigen ArbeitnehmerInnen in Haushalten telefonisch in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten Mitarbeiterbefragung. Die Auswahl der Befragten erfolgte nach dem Zufallsprinzip (RLD- (Randomize Last Digits) Technik, Geburtstagsauswahl). Mittels computergestützter Telefoninterviews wurden im Juni und Juli 2003 insgesamt 2001 ArbeitnehmerInnen befragt, die mindestes 18 Jahre alt waren. Geringe Abweichungen der Soll-Struktur wurden durch Gewichtung der Merkmale „Alter“ und „Geschlecht“ (Basis: Statistisches Bundesamt) ausgeglichen. Die vorliegenden Ergebnisse sind repräsentativ für die Arbeitnehmerschaft in der Bundesrepublik Deutschland.
Die im Rahmen dieser Untersuchung verwendeten Fragen, die sogenannten Gallup Q12-Aussagen, stehen in signifikantem Zusammenhang mit Ergebnis- und Leistungsmesswerten für MitarbeiterInnen in deutschen Unternehmen.(6) In den vergangenen drei Jahren (2000 bis 2002) hat Gallup im Rahmen seiner Beratungstätigkeit auf dem Gebiet „Mitarbeiterengagement“ weltweit mehr als drei Millionen ArbeitnehmerInnen befragt.
Anhand dieser Daten kann Gallup MitarbeiterInnen in drei Kategorien einteilen:
* Hohe emotionale Bindung – loyal, sehr produktiv, empfinden ihre Arbeit als befriedigend (12 %)
* Geringe emotionale Bindung (70 %) – machen „Dienst nach Vorschrift“ und fühlen sich ihrem Unternehmen gegenüber nicht wirklich verpflichtet
* Keine emotionale Bindung (18 %) – sind verstimmt und zeigen ihre negative Einstellung zu ihrer Arbeit und ihrem Arbeitgeber oftmals sehr deutlich. Sie können schlicht unproduktive Angestellte sein oder haben aufgrund ihres schlechten Verhältnisses zu ihrem / ihrer Vorgesetzten die innere Kündigung bereits vollzogen (Mitarbeiterfluktuation).
(1) MitarbeiterInnen mit keiner emotionalen Bindung zu ihrem Job arbeiten aktiv gegen die Interessen ihres Arbeitgebers. Sie haben die innere Kündigung bereits vollzogen (Sie sind physisch präsent, psychisch jedoch nicht und sie sind mit ihrer Arbeitssituation unglücklich und lassen dies die KollegInnen wissen). (2) Einschließlich des Bundeslandes Berlin. (3) Chemische Industrie, Elektrotechnik, Kraftfahrzeugindustrie, Kunststoffindustrie, Maschinenbau, Metallerzeugung, Papier-, Verlags & Druckgewerbe und Textil- & Bekleidungsindustrie sowie andere verarbeitende Gewerbe. (4) Groß- und Einzelhandel (5) Reise, Touristik, Hotellerie, Gaststätten (6) Für detaillierte Informationen zu den 12 Fragen siehe: Buckingham, Marcus; Coffman, Curt: Erfolgreiche Führung gegen alle Regeln. Wie Sie wertvolle Mitarbeiter gewinnen, halten und fördern. Konsequenzen aus der weltweit größten Langzeitstudie des Gallup-Instituts. Frankfurt/Main 2001, S. 13-46.
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