"Wer weiß, wo ich da ankomme?!"

Themen in FORSCHUNG FRANKFURT 3/2001:

Eine psychoanalytische Studie über Todes- und Jensseitsvorstellungen von Männern und Frauen

Allenfalls die Hälfte der Deutschen glaubt heute noch, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Der Wunsch nach Unsterblichkeit ist damit aber nicht untergegangen, er existiert im Unbewussten fort – „als unvergängliches Zeichen jener ersten menschlichen Existenzform, in der noch Zeitlosigkeit herrschte und es keine Verneinung gab“. Diesem in die Kindheit zurückreichenden Unbewussten, das den Tod als Übergang in eine andere Welt versteht, spürt die Psychoanalytikerin Professorin Dr. Christa Rohde-Dachser in ihrer Studie nach.

In einem von der Breuninger-Stiftung unterstützten Forschungsprojekt erforschte das Team vom Frankfurter Institut für Psychoanalyse geschlechtsspezifische Unterschiede in den unbewussten Lebenswünschen von über 50 Frauen und Männern aller Altersstufen. Dazu wurden ihnen verschiedene Bildtafeln vorgelegt, mit der Bitte, dazu „dramatische Geschichten“ zu erfinden. In Geschichten zur „Treppentafel“, auf der eine Person eine Treppe hinaufsteigt, ohne zu sehen, wo die Treppe hinführt, zeigen sich deutlich unterschiedliche Vorstellungen bei Frauen und Männern: Während die Hälfte der 28 befragten Frauen Geschichten erzählt, die auf Todes- und Unsterblichkeitsvorstellungen hinweisen („Empfangen werden“, „Licht“ und „Richter“ am Ende der Treppe), lässt fast die Hälfte der männlichen Erzählungen, die von Traurigkeit geprägt sind, auf den „Tod als Ende“ schließen („Das verlorene Paradies“, „Verschlossene Tür“). Nur bei zwei männlichen Probanden gibt es Geschichten mit religiöser Prägung, in beiden ging es um einen „Vorstellungstermin bei Gott“. 23 Prozent der Männer weigerten sich überhaupt, eine Geschichte zu erzählen; mit dieser „vorübergehenden Denkblockade“ scheinen die Männer Abstand von dem bedrohlichen Thema zu gewinnen.

In ihre psychoanalytischen Erklärung bezieht Christa Rohde-Dachser ödipale Strukturen mit ein, denen diese Phantasien entspringen: „In der männlichen Variante werden Kastration und Tod offenbar gleichgesetzt und beide lassen sich als Strafe für den Versuch verstehen, sich gegen den Vater (Gott) aufzulehnen, das Inzestverbot zu überschreiten und den Platz des Vaters an der Seite der Mutter einzunehmen. In der Bibel ist der Wunsch, wie Gott zu sein (und damit auch unsterblich), der Anlass für die Vertreibung aus dem Paradies.“ Die Unsterblichkeitsphantasien der Frauen richten sich ganz überwiegend auf einen „Vater-Gott, der im Himmel die Wunscherfüllung verspricht, die auf Erden an der Wirklichkeit scheitert: eine Unio mystica, eine himmlische Hochzeit, ein Eingehen in Gott“. Sogar der gefürchtete Richter kann noch verzeihen und die Frau zu sich aufnehmen. Kastrationsängste, wie Rohde-Dachser sie bei den männlichen Geschichten ausmacht, gibt es bei den Frauen nicht: „Eher fühlt man sich an Freuds Beschreibung der weiblichen Entwicklung erinnert, nach der das Mädchen in den Ödipuskomplex einläuft wie in einen Hafen.“

Nähere Informationen: Professorin Dr. Christa Rohde-Dachser, Institut für Psychoanalyse, Fachbereich Psychologie und Sportwissenschaften, Telefon 069/798-22975, E-Mail: rohde-dachser@crdh.de

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Andrea Teuscher idw

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