Die Steuerschätzung: Besser als ihr Ruf

Der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ legt an diesem Freitag seine neue Prognose des Steueraufkommens für das laufende und das kommende Jahr vor. Gegenüber der letzten Schätzung vom 17. Mai 2001 ergeben sich – aufgrund geänderter Vorgaben zum Wirtschaftswachstum – erhebliche Mindereinnahmen. Schon in der Mitte der neunziger Jahren haben die Schätzungen dadurch für Diskussionen gesorgt, dass sie wiederholt in zweistelliger Milliardenhöhe nach unten revidiert wurden. Damit stellt sich die Frage nach ihrer Treffsicherheit.
Um diese Frage zu beantworten, sei kurz daran erinnert, wie der Arbeitskreis seine Prognosen erstellt. Basierend auf verbindlichen Vorgaben der Bundesregierung zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und auf Berechnungen des Bundesministeriums der Finanzen zu den geplanten Steuerrechtsänderungen und deren Auswirkungen auf die Steuereinnahmen erstellen Mitglieder des Arbeitskreises (Bundesfinanzministerium, Bundesbank, Sachverständigenrat, Institute) mit Hilfe der von ihnen gewählten Methoden eigene Prognosen zum Steueraufkommen, die dann in einem Anpassungs- und Abstimmungsprozess auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden.
Damit sind auch schon die Quellen angesprochen, aus denen Fehler resultieren können: (1) aus den Vorgaben zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, (2) aus den Berechnungen zu den finanziellen Auswirkungen von Steuerrechtsänderungen sowie (3) aus den verwendeten Hypothesen über den Zusammenhang zwischen Steuerbasis und Steueraufkommen.
Ordnet man die Schätzfehler Mitte der neunziger Jahre diesen Fehlerquellen zu, so zeigt sich, dass die optimistischen gesamtwirtschaftlichen Prognosen der Bundesregierung stark zur damaligen Überschätzung des Steueraufkommens beigetragen haben; allein knapp 40 vH der Fehlschätzung beruhten auf „falschen“ gesamtwirtschaftlichen Vorgaben. In noch stärkerem Maße schlug allerdings die ungenaue Quantifizierung der Steuerrechtsänderungen zu Buche; hinzu kamen die unzureichende Kenntnis steuertechnischer Sonderentwicklungen sowie – z.T. daraus abgeleitet – falsche Annahmen über die Steuerelastizitäten. Aufgrund der Interdependenzen zwischen diesen Faktoren sowie mangels Daten lassen sich die verbleibenden Prognosefehler zwar nicht eindeutig zuordnen, doch zeigt die Analyse, dass aufkommensmindernde Faktoren bei den Veranlagungssteuern, insbesondere die starke Inanspruchnahme der steuerlichen Investitionsförderung in Ostdeutschland sowie die steuerliche Verrechnung von Verlustvorträgen, deutlich unterschätzt wurden. Diese Sonderfaktoren sind inzwischen entfallen.
Insgesamt kann damit den Berechnungen des Arbeitskreises eine hohe Treffsicherheit attestiert werden. Die Verschlechterung der Prognosegüte Mitte der neunziger Jahre ist im Wesentlichen nicht dem Arbeitskreis anzulasten, denn seine Schätzungen hängen wie gesagt stark von den Vorgaben des Finanzministeriums ab. Angesichts fehlerbehafteter gesamtwirtschaftlicher Annahmen, der Probleme bei der Quantifizierung der finanziellen Wirkungen von Steuerrechtsänderungen, mangelnder Angaben zu den makroökonomischen Bemessungsgrundlagen bzw. entsprechenden Indikatorvariablen sowie unzureichend disaggregierter Steuerstatistiken lässt sich das Steueraufkommen auch künftig nur innerhalb gewisser Fehlermargen prognostizieren; so dürften aus den komplizierten, zu Beginn dieses Jahres in Kraft getretenen Änderungen der Unternehmenssteuerreform erhebliche Prognoserisiken resultieren. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass sich die Treffsicherheit der Prognosen wieder erhöht, da das Steuersystem nach dem Auslaufen der steuerlichen Ostförderung wieder in stärkerem Maße auf seine primäre Funktion, die allgemeine Haushaltsfinanzierung, beschränkt wird. Ungeachtet dieser Beurteilung sind aber weitere Verbesserungen angezeigt, insbesondere mit Zielrichtung auf eine zeitnähere, hinreichend disaggregierte Datenbasis. So könnten empirische Defizite bei den Veranlagungssteuern im Rahmen einer von den Ländern – als der für die Steuerverwaltung zuständigen Ebene – durchgeführten repräsentativen Stichprobenerhebung verringert werden. Außerdem könnte z.B. der Veröffentlichungsrhythmus bei wichtigen Steuerarten, vor allem bei der Lohn- und Einkommen- sowie bei der Körperschaftsteuerstatistik, verkürzt werden.

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Joachim Schmidt idw

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