Kommunale Wohnungen: Starker Wandel durch Verkauf und Abrissbirne
Die Privatisierung des kommunalen Wohnungsbestandes setzt sich in den kommenden Jahren zwar fort, zu dem in der öffentlichen Diskussion häufig befürchteten Ausverkauf kommt es aber nicht. Vier von zehn deutschen Kommunen wollen Teile ihres Wohnungsbesitzes abgeben, wie aus einer Studie im Auftrag der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) hervor geht.
„Dabei ist die Privatisierung durch Verkauf an externe Investoren oder Mieter zwar der bevorzugte Weg zur Bestandsreduzierung. Vor allem in ostdeutschen Städten und Gemeinden bleibt jedoch angesichts hoher Leerstände, baufälliger Wohnungsbestände und eines allgemein niedrigen Mietniveaus voraussichtlich häufig keine Alternative zum Abriss“, so Dr. Helmut Trappmann, Leiter des Bereichs Real Estate bei PwC. Milliardenschwere Immobilientransaktionen, wie beispielsweise zu Jahresbeginn der kontrovers diskutierte Verkauf von 48.000 kommunalen Wohnungen in Dresden an den US-Finanzinvestor Fortress, werden aller Voraussicht nach die Ausnahme bleiben. Dafür werden zahlreiche kleine und mittelgroße Städte den Verkauf ihrer Wohnungsbestände erwägen, wovon eher kleinere Gesellschaften mit lokaler Expertise profitieren werden.
Für die Studie „Kommunale Wohnungsbestände: Ein Auslaufmodell?“ wurden deutschlandweit 204 Kommunen befragt, die zusammen über einen Bestand von mehr als 921.000 Wohnungen verfügen. An der Untersuchung beteiligten sich unter anderem 34 Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern und 36 große Mittelstädte mit über 50.000 Einwohnern.
Deutlicher Abbau in Ostdeutschland
Knapp jede zweite Kommune (48 Prozent) plant, ihren Wohnungsbestand zu verändern. Immerhin acht Prozent der befragten Städte und Kommunen gaben an, gegen den Trend zusätzliche Wohnungen bauen oder ankaufen zu wollen. Dabei handelte es sich vorwiegend um Kommunen aus dem süddeutschen Raum. Auffällig ist, dass nur vergleichsweise wenige große Städte ihren Wohnungsbesitz in Frage stellen. So denken nur 35 Prozent der Großstädte, aber 54 Prozent der mittelgroßen und 46 Prozent der Kleinstädte an Bestandsveränderungen. Signifikante Unterschiede zeigt auch der Ost-West-Vergleich. So wollen 62 Prozent der ostdeutschen Kommunen ihren Wohnungsbestand in den kommenden Jahren verändern, aber nur 44 Prozent der Städte und Gemeinden im Westen.
Externe Investoren bevorzugt
Knapp 70 Prozent der Kommunen, die sich von Teilen ihres Wohnungsbestandes getrennt haben, entschieden sich in den vergangenen fünf Jahren für den Verkauf an externe Investoren. Aber auch Mieter erhielten bei Privatisierungen in gut jeder vierten Kommune (28 Prozent) den Zuschlag. Fast jede zweite Kommune (45 Prozent) musste jedoch auch Wohnungen abreißen. Zu diesem letzten Mittel griffen in Ostdeutschland sogar 85 Prozent der befragten Städte und Gemeinden.
Trotz einiger spektakulärer Transaktionen haben sich in den vergangenen Jahren nur wenige Kommunen in größerem Umfang von ihrem Wohnungsbesitz getrennt. So gaben nur sechs Prozent der befragten Kommunen mehr als die Hälfte ihrer Wohnungen ab. Demgegenüber haben 80 Prozent der Städte und Gemeinden ihren Wohnungsbestand um weniger als zehn Prozent verringert. Fast die Hälfte der befragten Kommunen ließ den Bestand unverändert oder kaufte sogar Wohnungen hinzu.
Bemerkenswert ist erneut die unterschiedliche Entwicklung in Ost- und Westdeutschland. So sank der Wohnungsbestand bei 68 Prozent der ostdeutschen, aber nur bei 48 Prozent der westdeutschen Kommunen. Allerdings haben die Kommunen in Ostdeutschland, die sich von Wohnungen getrennt haben, im Durchschnitt ihren Bestand nur um zwölf Prozent verringert und sind damit deutlich zurückhaltender vorgegangen als Kommunen in Westdeutschland (Abbau um 23 Prozent).
Kein Verkauf um jeden Preis
Die Untersuchung zeigt auch, dass für die meisten Kommunen bei der Privatisierung ihres Wohnungsbestandes bislang weder die Gewinnmaximierung noch ein Verkauf um jeden Preis im Vordergrund stand. So gab gut jede zweite Kommune an, die Wohnungen an den Meistbietenden und/oder auf Basis eines Wertgutachtens verkauft zu haben. Gleichzeitig knüpften 44 Prozent der Städte und Gemeinden ihre Verkäufe an vertragliche Auflagen. „Die meisten Kommunen sind in ihrer Haltung weit von einem bedingungslosen Abverkauf entfernt“, kommentiert Trappmann. Auffallend ist, dass nur 34 Prozent der Kommunen über eine Ausschreibung nach Käufern gesucht haben.
Die am häufigsten genannten Gründe für den Wohnungsverkauf sind die Auflösung von Sanierungsstaus (54 Prozent) und die Schuldentilgung (51 Prozent). Daneben ist auch die Konzentration auf kommunale Kernaufgaben für fast jede zweite (46 Prozent) der befragten Städte und Gemeinden ein Verkaufsmotiv. Investitionen in die Stadterneuerung führten 35 Prozent der Kommunen als Begründung an, während Investitionen in die Infrastruktur (Schulen, Gesundheit, Sport etc.) nur eine geringe Rolle spielen. Eine Ausnahme bilden süddeutsche Kommunen. Rund 30 Prozent der Städte und Gemeinden aus dieser Region nannten die Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen im Bildungsbereich als wichtige Motivation für den Verkauf von Wohnungseigentum.
Leerstand zwingt zum Handeln
Obwohl die Mieten für kommunale Wohnungen im Durchschnitt um 17 Prozent unter der Vergleichsmiete frei verfügbarer Wohnungen liegen, ist die Leerstandsquote überdurchschnittlich hoch: Während die Berechnungsverordnung für öffentlich geförderten Wohnraum lediglich von einem durchschnittliche Leerstand von zwei Prozent als Kalkulationsgrundlage ausgeht, sind tatsächlich 5,9 Prozent der kommunalen Wohnungen nicht vermietet. Besonders hoch ist die Leerstandsquote in Ostdeutschland mit durchschnittlich 13 Prozent.
Die betroffenen Kommunen nennen als Hauptursachen den schlechten Bauzustand vieler Wohnungen sowie ein generelles Wohnungsüberangebot wegen des demografischen Wandels. Verschärft wird die Lage vielfach durch die schwierigen Arbeitsmarktverhältnisse, die weitere Teile der Bevölkerung abwandern lassen. Zudem ist wegen des allgemein niedrigen Mietniveaus in Ostdeutschland die Miete für kommunale Wohnungen häufig kaum günstiger als für Wohnungen auf dem freien Markt. Unabhängig von der Lage in Ost- beziehungsweise Westdeutschland ist der Leerstand in kleinen Kommunen deutlich höher als in Großstädten. So wiesen deutschlandweit über 40 Prozent der befragten Kleinstädte eine Leerstandsquote von über fünf Prozent aus, jedoch nur 21 Prozent der Großstädte.
Professionelles Immobilienmanagement gefragt
Auch wenn der Verkauf kommunaler Wohnungen in der Regel auf Vorbehalte in der Öffentlichkeit stößt, bleibt für viele Städte und Gemeinden angesichts hoher Schulden und eines erheblichen Sanierungsbedarfs der Wohnungsbestände keine wirtschaftlich sinnvolle Alternative. Die Studie lässt den Schluss zu, dass beim Management kommunaler Immobilien vielfach Nachholbedarf besteht. So hat erst die Hälfte der befragten Kommunen ihren Wohnungsbestand in eine eigene Rechtsform ausgegliedert. Ostdeutsche Städte und Gemeinden sind hier allerdings schon deutlich weiter (87 Prozent gegenüber 38 Prozent im Westen). Das gilt auch für Großstädte, von denen bereits knapp 80 Prozent ihren Wohnungsbestand in eigene Gesellschaften eingebracht haben. Dies ist erst bei knapp jeder dritten Kleinstadt der Fall.
Angesichts des grundsätzlich starken Interesses kleiner und mittelgroßer Kommunen an einer Verringerung ihrer Wohnungsbestände überrascht dieser Rückstand zunächst. Allerdings ist zu vermuten, dass viele kleinere Kommunen eine Privatisierung wegen mangelnden Know-Hows scheuen. Zudem ist der Wohnungsbestand häufig zu klein, um für große Investoren interessant zu sein. Hier bieten sich Ansatzpunkte für kleine, oftmals regional verwurzelte Immobilieninvestoren. „In jedem Fall erfordern Investitionen in kommunale Wohnungsbestände einen Balanceakt zwischen Renditezielen und den Anforderungen der öffentlichen Hand. Aus Sicht der Kommunen und der politischen Entscheidungsträger ist das höchste Gebot eben nicht immer auch das beste“, so Trappmann.
Die Studie „Kommunale Wohnungsbestände: Ein Auslaufmodell?“ können Sie bestellen bei ines.badynski@de.pwc.com
Weitere Informationen erhalten Sie bei:
Dr. Helmut Trappmann
PricewaterhouseCoopers AG WPG
Advisory Real Estate
Tel.: (030) 2636 – 11 61
E-Mail: helmut.trappmann@de.pwc.com
Die PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist in Deutschland mit 8.000 Mitarbeitern und einem Umsatzvolumen von rund 1,1 Milliarden Euro eine der führenden Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften. An 28 Standorten arbeiten Experten für nationale und internationale Mandanten jeder Größe. PwC bietet Dienstleistungen an in den Bereichen Wirtschaftsprüfung und prüfungsnahe Dienstleistungen (Assurance), Steuerberatung (Tax) sowie in den Bereichen Transaktions-, Prozess- und Krisenberatung (Advisory).
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