Von wegen "Studienabbrecher" – Neue Studie tritt falschen Vorwürfen entgegen

In der Reihe der „Regensburger Diskussionsbeiträge zur Wirtschaftswissenschaft“ hat Prof. Dr. Walter Oberhofer nun eine Studie zur „Studienabbruchquote und Typologie der Studienabbrecher und Hochschulwechsler“ vorgelegt, in der es insbesondere um die Berechnung einer statistisch validen Studienabbruchquote für die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Regensburg geht.

In der Presse sorgt die Zahl der sogenannten Studienabbrecher wegen ihrer angeblichen Höhe immer wieder für Schlagzeilen, die ein negatives Licht auf die Hochschulen werfen. So stellte z. B. der Vorsitzende des Hochschulausschusses im Bayerischen Landtag im Juli 2001 fest: „Durchschnittlich ein Drittel aller Studienanfänger bricht das Studium wieder ab“. Häufig basieren solche Aussagen über die Studienabbruchquote jedoch auf einer falschen Interpretation bzw. Berechnungsweise, denn nach üblicher Definition sind „Studienabbrecher“ Exmatrikulierte, die bis zu ihrem Abgang keine Abschlussprüfung mit Erfolg absolviert haben und ihr Studium nicht fortsetzen. Studienfach-, Studiengang- und Hochschulwechsler sind demnach keine Studienabbrecher, ebenso wenig wie Studierende, die bereits über einen Studienabschluss verfügen und ein weiteres Studium abbrechen.

Von der Abbruchquote zu unterscheiden ist die Schwundquote, die angibt, welcher Anteil von Studierenden beim Übergang von einem Semester zum nächsten per Saldo übrig bleibt. Rückschlüsse auf die Zahl der Studienabbrecher lässt diese Schwundquote nicht zu, auch wenn sie immer wieder für eine Quantifizierung herangezogen wird.

In der Reihe der „Regensburger Diskussionsbeiträge zur Wirtschaftswissenschaft“ hat Prof. Dr. Walter Oberhofer nun eine Studie zur „Studienabbruchquote und Typologie der Studienabbrecher und Hochschulwechsler“ vorgelegt, in der es insbesondere um die Berechnung einer statistisch validen Studienabbruchquote für die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Regensburg geht. Dabei werden Daten sowohl aus der Exmatrikulationsstatistik zu Grunde gelegt als auch aus einer eigens dazu durchgeführten Befragung. Die Daten beziehen sich teils auf das Hochschuljahr 1999/2000 und teils auf das Jahr 2000.Unter der Annahme, dass das für das Jahr 2000 festgestellte semesterspezifische Abgängerverhalten auch für die Zukunft gilt, können für einen im Jahr 2000 beginnenden fiktiven Studienjahrgang mit einem geplanten Diplomabschluss die folgenden Aussagen getroffen werden:

49 % der Studierenden schließen ihr Studium in Regensburg mit dem Diplom ab,
36 % sind Studienwechsler und
15 % bilden die Studienabbrecher.

Genauso wie eine hohe Studienabbruchquote wird auch eine hohe Studienwechslerquote oft als Indikator für Mängel in der Lehre und der Betreuung der Studierenden einer Fakultät angesehen. Dazu wäre aber der Studienwechslersaldo besser geeignet. Das Problem ist jedoch, dass sich Studienwechsler in aller Regel in der Zugangsfakultät in das erste Fachsemester einschreiben und von außerhalb der Universität kommende Studienwechsler zu den normalen Studienanfängern gerechnet und nicht getrennt erfasst werden.

Die uni-internen Wechslerbewegungen sind aber bekannt. Im Jahre 2000 stehen den 116 uni-internen Zugängen nur 80 uni-interne Abgänge aus der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät gegenüber. Die hohen Wechslerbewegungen dürften Ausdruck von Schwierigkeiten der Studierenden sein, das für sie geeignete Studium zu finden. Es muss aber festgehalten werden, dass die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät bei den uni-internen Studienwechslern per Saldo mehr Studierende gewinnt als verliert.

Bei einer Untersuchung, die Prof. Dr. Alfred Hamerle mit anderen 1994 durchführte, ergab sich für die Abbruchquote der BWL-Studenten der Universität Regensburg ein vergleichbarer Wert von 12 %. Dabei erfolgte die Berechnung mit einer sehr aufwendigen Datenerhebung von mehreren Studienjahrgängen. In der vorliegenden Studie finden sich unter den Studienabbrechern 36 % in beruflicher Ausbildung, 53 % im Beruf und 8 % sind arbeitslos. Vom Rest liegt keine Antwort vor. Dabei muss erwähnt werden, dass von den in der Befragung erfassten vier Arbeitslosen zwei angaben, dass sie eine Internetfirma gegründet haben und damit in Konkurs gegangen sind.

Sofern die Studienabbruchquote als Indikator für die Qualität einer Fakultät in Lehre und Betreuung der Studenten verwendet wird, sind einige Einschränkungen angebracht. Es kann nicht das Ziel einer Fakultät sein, alle Studierenden, die ein Studium beginnen, unabhängig von ihrer Qualifikation zu einem Studienabschluss zu führen. Dies trifft besonders auf Fakultäten zu, die wie die Wirtschafts-wissenschaftliche Fakultät überlaufen sind und oft nicht aus Neigung oder Begabung, sondern wegen der guten beruflichen Aussichten gewählt werden. Andere Studierende brechen ihr Studium wegen „höherer Gewalt“ ab, z. B. aus finanziellen Gründen oder wegen einer Heirat oder der Notwendigkeit, den Familienbetrieb zu übernehmen. Die guten beruflichen Aussichten, auch ohne einen Abschluss, können ebenso Ursache eines Studienabbruchs sein. Ein Indiz dafür sind die beiden Abbrecher, die ihr Studium aufgegeben haben, um eine Internetfirma zu gründen.

Abgesehen davon, dass die Abbruchquote in der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät keineswegs die oft angeführte Höhe aufweist, sind die vorgebrachten Argumente zu beachten, wenn die offizielle Studienabbruchquote verwendet wird, um eine Aussage über die Qualität der Fakultät bezüglich Lehre und Betreuung der Studierenden zu treffen.

Eine solche Aussage von Seiten der Betroffenen hat wesentlich mehr Gewicht. Dazu wurde in der Datenerhebung die Frage aufgenommen, ob an Freunde eine Empfehlung für ein Studium der Wirtschaftswissenschaften in Regensburg abgegeben werden könnte. Von den Studienabbrechern wären 52 % bereit, eine solche Empfehlung abzugeben, 36 % wären unentschieden und nur etwa 6 % würden abraten. Vom Rest liegt keine Antwort vor. Bei den Hochschulwechslern sieht die Situation etwas anders aus. Hier gäben 37 % eine Empfehlung ab, 42 % enthielten sich und 17 % rieten ab.

Kontakt:
Prof. Dr. Walter Oberhofer, Lehrstuhl für Ökonometrie, Universität Regensburg
Tel. (0941) 943 2736/2737
E-Mail: walter.oberhofer@wiwi.uni-regensburg.de

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Dr./M.A. Rudolf F. Dietze idw

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