Womens Running Studie – Ergebnisse zu Frauenlaufschuhen
Thema und Ziel dieser Studie war die Entwicklung spezifischer Laufschuhe für Frauen, die den Bedürfnissen von Frauen vor allem hinsichtlich Passform und Biomechanik entsprechen. Die aus der Studie gewonnenen Erkenntnisse wurden nun von der Firma Nike in den neuen Frauen-Laufschuhen (Frühjahr 2007) erstmals umgesetzt.
Der Laufsport hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Popularität gewonnen. Neben dem Leistungssport gewannen vor allem die Volksläufe international und national an Bedeutung. Waren es Mitte der 70er Jahre vor allem Männer, die sich von diesem Trend haben mitreißen lassen, so überträgt sich die Laufsportbegeisterung in den letzten Jahren auch zunehmend auf Frauen.
Das Laufmagazin Runners World veröffentlichte Zahlen, wonach beim New York City Marathon im Jahre 1978 769 Frauen das Ziel erreichten. Im Jahre 1998 lag diese Zahl bereits bei 8952 weiblichen „Finishern“. Auch die Laufschuhindustrie hat diesen Trend erkannt und bietet zahlreiche Laufschuhe für Frauen an.
Welchen Kriterien muss ein spezifischer Frauenlaufschuh gerecht werden?
Der Fokus der mehrjährigen Studie in der Biomechanikabteilung der Sportmedizin des Tübinger Universitätsklinikums (Dr. Stefan Grau, Leiter der Biomechanikabteilung und Projektleiterin Dr. Inga Krauß) lag auf unterschiedlichen Bereichen der klinischen und biomechanischen Forschung: Neben einer orthopädischen Diagnostik, der Beurteilung der Achs- und Beweglichkeitsverhältnisse der unteren Extremität und der Erfassung verschiedener Trainingsparameter wurde die Laufbewegung beim Joggen mit einem Mehrkamerasystem im dreidimensionalen Raum analysiert. Ein weiterer Schwerpunkt der Untersuchung lag auf der Beurteilung der Fußform. Hierfür wurden die Füße von mehr als 900 Frauen und Männern mit einem dreidimensionalen Scanner vermessen.
Fasst man die Ergebnisse zusammen, so haben Läuferinnen im Vergleich zu Läufern klinisch ein vermehrtes Maß an ligamentärer Laxität, muskulärer Flexibilität und ein größeres Bewegungsausmaß in den Gelenken. In der Laufbewegung beugen Frauen Hüfte, Knie und Sprunggelenke mehr als Männer. Erst beim Abdruck vom Boden gleichen sich die Winkelverläufe der zwei Gruppen wieder an.
Auch in anderen Bewegungsebenen gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede. Läuferinnen weisen eine zum Teil signifikant größere Adduktion im Hüftgelenk auf. In der Dynamik heißt dies, dass das Becken des Spielbeines stärker absinkt. Im unteren Sprunggelenk zeigen die Läuferinnen tendenziell eine größere Eversion, statistisch konnte diese aufgrund der großen Streuweite der Daten nicht gesichert werden.
Bei der Auswertung der Fußmaße wurden zunächst gleich große Männer- und Frauenfüße in den Größen EU 38 bis 40 verglichen. Während es bei den Längendimensionen keine über mehrere Größen bestätigten Geschlechtsdifferenzen gibt, zeigen sich bei allen Breiten- und Höhendimensionen deutliche, zumeist signifikante Diskrepanzen.
Frauen haben bei gleicher Fußlänge in den beobachteten Größen schmalere und flachere Füße als Männer. Frauen haben zudem im Mittel einen größeren Großzehenwinkel als Männer.
In einem weiteren Schritt wurden die Füße in unterschiedliche Typen klassifiziert. Um einen Vergleich der Fußmaße über alle Größen zu ermöglichen, wurden diese zur Fußlänge normalisiert. Bei diesen relativen Maßen unterscheiden sich die Männerfüße von den Frauenfüßen nur geringfügig. Die mittleren Differenzen der Ballenlänge, Kleinzehenballenlänge und Spannlänge liegen zwischen 0.3 % und 0.6 % Fußlänge. Bei einer Fußlänge von 28 cm würde dies einer Differenz von 0.5 bis 1.7 mm entsprechen.
Die Erklärung für diese zunächst widersprüchlichen Befunde liefert ein weiterer Auswerteschritt. Hierfür wurden die Füße in unterschiedliche Fußtypen klassifiziert. In beiden Geschlechtern sind die breiten und hohen Füße insbesondere in den kleineren Größen zu finden. Lange Füße hingegen sind häufiger schmal und flach. Die zuvor dargestellten Geschlechtsdifferenzen in den Größen 38 bis 40 beinhalten die großen, eher „normalen“ oder schmalen Frauenfüße und die kleinen, zum größten Teil voluminösen Männerfüße.
Aus den genannten Ergebnissen lassen sich für eine frauenspezifische Laufschuhkonzeption folgende Konsequenzen ableiten, die zum Teil bereits in die aktuellen Laufschuhe der Fa. Nike eingeflossen sind:
o Durch das im Mittel geringere Gewicht und die geringere Laufgeschwindigkeit der Läuferinnen sollte ein Frauenlaufschuh flexibel und leicht sein. Hierzu werden zusätzliche Kerben in der Außensohle des Vor- und Rückfußes ergänzt.
o Gleichzeitig muss der Schuh jedoch hinreichend Stabilität bieten, da der Bewegungsablauf der Frauen im Geschlechtsvergleich größere Bewegungsexkursionen und größere Bewegungsamplituden vorweist. Durch eine verbesserte Zuggurtung des Schnürsystems im Mittelfußbereich kann sowohl die Stabilität, als auch die Passform verbessert und individuell reguliert werden. Weitere Elemente im Fersenbereich sollen die Pronationsbewegung kontrollieren.
o Da Männer- und Frauenfüße innerhalb einer Schuhgröße Unterschiede in den Weiten- und Höhenmaßen aufweisen, ist die Verwendung desselben Leistens für beide Geschlechter zu hinterfragen. Ein spezieller Frauenlaufschuhleisten bietet insbesondere im Bereich der Ferse hinreichend Halt. Spezielle Materialien im Bereich des Großzehen- und Kleinzehenballens lassen einen flexiblen Raum für den Vorfuß und das Großzehengrundgelenk.
o Der Leisten für die Herstellung des Schuhs ist wesentlich für die Passform verantwortlich. Er sollte den geschlechtsspezifischen Anforderungen und den Anforderungen unterschiedlicher Fußtypen gerecht werden.
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie sowie Folgeprojekte, die sich insbesondere mit der Passform der Schuhe beschäftigen werden, sollen hier weitere Impulse für die Umsetzung in das Produkt liefern.
Ansprechpartner für nähere Informationen
Universitätsklinikum Tübingen
Medizinische Klinik, Abteilung Sportmedizin
Dr. Stefan Grau und Dr. Inga Krauß
Silcherstr. 5, 72076 Tübingen
Tel. 0 70 71 / 29-8 06 99, Fax 0 70 71/ 29-46 26
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