Computertraining ermöglicht Verbesserung des Sehens bei Glaukom-Patienten

Eine neue Studie zeigt, dass Glaukom-bedingte Gesichtsfeldausfälle durch die wiederholte Aktivierung der Restsehfähigkeit mittels eines verhaltens- und computerbasierten Sehtrainings teilweise wiederhergestellt werden können. Diese Ergebnisse werden in JAMA Ophthalmology dargestellt.

“Der Glaukom-bedingte Sehverlust muss nicht dauerhaft sein. Durch Hirnplastizität und kortikale Reorganisation kann der Verlust teilweise aufgehoben werden und diese Entdeckung ist von klinischer Bedeutung“, kommentiert Studienleiter Prof. Bernhard A. Sabel, Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie, Medizinische Fakultät, Otto-von-Guericke Universität Magdeburg (Deutschland). „Was auch immer die Mechanismen sind: wir können nun optimistischer sein, dass der Verlauf der Sehfähigkeiten beim Glaukom nicht immer nur abwärts gehen muss, sondern es gibt ein beträchtliches Potential zur Verbesserung.“

Dreißig Glaukom-Patienten mit stabilen Gesichtsfeldern und gut kontrolliertem Augeninnendruck nahmen an einer prospektiven, doppelblind, randomisierten, Placebo kontrollierten klinischen Studie teil. Das mittlere Alter betrug 62 Jahre und reichte von 39 bis 79 Jahre. Bei 26 Patienten waren beide Augen betroffen, und die Schwere des Sehverlustes erstreckte sich von mild bis schwer.

Die Hälfte der Patientengruppe nahm randomisiert an einer visuellen Restitutionstherapie für Glaukom (Glaucoma vision restoration training, gVRT) teil. Das Training erfolgte zu Hause an einem speziell angepassten Computer 6 Tage pro Woche, täglich zweimal je 30 Minuten über einen Zeitraum von drei Monaten. Das Training bestand aus in der Leuchtdichte zunehmenden Reizen, vergleichbar mit perimetrischen Gesichtsfeldtests. Das Erkennen des Zielreizes oder eines Farbwechsels mussten die Patienten durch das Drücken einer Taste bestätigen. Der Schwierigkeitsgrad wurde entsprechend dem Trainingsfortschritt monatlich online angepasst. Im Durchschnitt wurden zweimal täglich 500 Reize präsentiert. 80% davon wurden im Bereich mit Restsehfähigkeit („areas of residual vision“, ARV) und 20% im intakten Gesichtsfeld präsentiert. Für Patienten mit Sehverlust auf beiden Augen wurde das am stärksten betroffene Auge trainiert. Patienten der Placebogruppe bekamen die Aufgabe als Kontrolltraining, die Orientierung von Linien zu identifizieren, die zweimal täglich auf ihrem Computer zu Hause präsentiert wurden. Dies erforderte ungefähr dieselbe Trainingszeit wie gVRT.

Patienten der gVRT-Gruppe zeigten in drei unabhängigen Gesichtsfeldtests nach dem Training signifikante Verbesserungen der Detektionsgenauigkeit. Dazu gehörten das primäre Zielkriterium “hoch-auflösende Perimetrie“ (high-resolution perimetry, HRP) und die sekundären Zielkriterien die „weiß/weiß“ und die „blau/gelb“ Perimetrie. Die gVRT-Gruppe zeigte außerdem signifikant schnellere Reaktionszeiten in HRP. Patienten in der Kontrollgruppe zeigten diese Verbesserungen nicht. Die Forscher fanden heraus, dass die verbesserte Leistung nicht durch Schwankungen des Gesichtsfeldes oder Augenbewegungsartefakte erklärt werden konnten.

Das Ausmaß der Verbesserungen der Detektionsrate variierte beachtlich innerhalb der gVRT-Gruppe. Von den 15 Patienten zeigten 4 (26,7%) moderate Verbesserungen von zwischen 3%-10% und 6 (40%) große Steigerungen (>10%). Im restlichen Drittel der Gruppe konnten dagegen keine Verbesserungen/Steigerungen gefunden werden.

Weitere Analysen zeigten, dass das Training offenbar am besten in Bereichen mit Restsehfähigkeit funktionierte. „In diesen Bereichen ist die Antwortgenauigkeit variabel. Wir glauben, dass diese Regionen einen partiellen Schaden repräsentieren, bei dem einige retinale Ganglienzellen überlebt haben. Diese Zellen könnten zur Erholung des Sehens beitragen, was auch einhergeht mit Verbesserungen in den intakten Gesichtsfeldbereichen“, erklärt Prof. Sabel. Er ergänzt: „Das ist vergleichbar mit unseren Beobachtungen bei anderen Behandlungen, wie der nicht-invasiven Hirnstimulation oder bei Sehverlusten nach Schlaganfall oder Sehnervschäden.“

Signifikant mehr Patienten der gVRT-Gruppe berichteten subjektiv von Verbesserungen des Sehens, auch wenn dieses Ergebnis nicht mit der verbesserten Detektionsgenauigkeit korrelierte. In einem Lebensqualitäts-Fragebogen hatte die gVRT-Gruppe nur in der Subskala „mentale Gesundheit“ signifikant höhere Werte als die Placebo-Gruppe (p=0.02). Die Autoren führen den in der Studie festgestellten allgemeinen Mangel an subjektiven Veränderungen auf das relative hohe Leistungsniveau der Patienten bei Studienbeginn zurück. Zudem dominierte das bessere Auge, welches nicht trainiert wurde, in der subjektiven visuellen Wahrnehmung.

„Unsere Studie bestätigt, dass die Plastizität des Sehsystems trotz weitreichender Degeneration bis ins hohe Alter erhalten bleibt“, schlussfolgert Prof. Sabel. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Blindheit nicht immer irreversibel sein muss, wie bisher immer angenommen worden ist. Die teilweise Wiederherstellung des Sehens ist durch Aktivierung der Restsehfähigkeit mittels trainingsinduzierter Plastizität des Gehirns möglich. Diese neue Erkenntnis rechtfertigt den routinemäßigen Einsatz von gVRT als neue Option in der Klinik zur Unterstützung der Rehabilitation.“

Basierend auf dieser Pionierarbeit auf dem Gebiet der Neuroplastizität ist das visuelle Restitutionstraining mittels Computern eine neue Behandlungsoption, um Patienten mit Gesichtsfeldausfällen bei der Wiederherstellung des Sehens zu unterstützen. Noch vorhandene visuelle Nervenzellen werden stimuliert, die sich hierdurch neu vernetzen können.

Kontakt für weiterführende Informationen:
Prof. Dr. Bernhard Sabel,
Tel. 0391-672 1800 oder E-Mail imp@med.ovgu.de
Referenz: Sabel, B.A. and Gudlin, J. (2014) Vision restoration training in glaucoma – A randomised, clinical trial. JAMA Ophthalmology. doi: 10.1001/jamaophthalmol.2013.7963

http://archopht.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=1828526

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